749. Das Bräutlen.

[672] (S. Egler S. 229.)


Ein anderes Fastnachtsspiel ist das sogenannte Bräutlen in Sigmaringen. Jeder Neuvermählte aus dem ganzen verflossenen Jahre wird von den Bräutlern, welches unbescholtene Bürgerssöhne der Stadtgemeinde sein müssen, zu dem Brunnen auf dem Markte geführt und auf einer gesattelten Stange beim Klange eigenthümlicher Musik und bei den drolligen Sprüngen verschiedener vermummter Gestalten um denselben getragen. Ehedem stand auf der Säule des genannten Marktbrunnens das Bild der Gottesmutter Maria. War der junge Ehemann nun mehrere Male in oben beschriebener Weise um den Brunnen getragen, so wurde ihm vor dem Angesichte des Standbildes[672] die rechte Fußspitze gewaschen, andeutend, daß er unter dem Beistande der Beschützerin der Stadt ein rechter und ehrenfester Bürger der Gemeinde sein und alles Unmännliche ablegen und treuer Mannestugend sich befleißigen wolle. Nach Beendigung dieser Fastnachtsfeierlichkeit wurde großentheils auch das sogenannte Narrenbuch verlesen, wobei die während des verflossenen Jahres von Einzelnen begangenen Thorheiten in spaßhafter Weise wieder erzählt werden.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 672-673.
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