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[740] (Poetisch behandelt v. Schwarz a.a.O. S. 41.)
Am Eichsfeld zu Fulda ist ein Gäßchen, welches den Friedhof begrenzt; in der Mauer des letztern aber steht ein in Stein gehauenes Christusbild, welches von den vorübergehenden Andächtigen oft angebetet und geküßt zu werden pflegt. Da ist einmal ein gottloser Judenjunge vorbeigekommen und hat, weil er allein war, verächtlich das Steinbild angespieen und ist dann zu dem in der Nähe befindlichen Unkenteich gekommen, allein da riefen ihm die Unken in ihrem eintönigen Gesang die Worte zu: »Wasch' ab, wasch' ab!« und wo er von jenem Augenblicke an in die Nähe eines Gewässers, eines Bächleins, eines Teiches kam, da dröhnten ihm stets dieselben Worte: »Wasch' ab, wasch' ab« in die Ohren. Er zog fast durch die ganze Welt um diesem höllischen Rufe zu entgehen, allein endlich trieb ihn, den Greis, das böse Gewissen nach dem Schauplatz jener Schandthat seiner Jugend zurück und siehe, als ihn sein Weg wieder an dem Teiche vorüberführte, da hörte er auch wieder den Ruf: »Wasch' ab, wasch' ab.« Verzweiflungsvoll sprang er hinein in das Gewässer und seit dieser Zeit steigt allnächtlich aus dem Tümpel ein Schatten herauf, schleicht nach der Mauer und wäscht jenes Bild mit seinen Thränen ab, dazu aber hört man den schauerlichen Ruf: »Wasch' ab! wasch' ab!«
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
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