14.

[207] Wahrhafte Beschreibung von dem großen Helden und Herzogen Heinrich dem Löwen, und seiner wunderbaren höchst gefährlichen Reise. Auf Begehren vieler Liebhaber aufs neue aufgelegt. Braunschweig und Leipzig.


Zunächst Auszüge aus der Chronik über ihn und die folgenden Herzoge. Dann folgt ein Gedicht, von dem der Verfasser sagt, daß er es von Wort zu Wort anhero setze, wie es ihm in einem alten Manuscripte von gewisser Hand überreichet, und auf Begehren vieler Liebhaber mit eingedruckt worden. Das Gedicht, wahrscheinlich dasselbe, dessen Spangenberg gedenkt, und von dem Koch erzählt, daß es im Verzeichnisse der Handschriften auf der Wolfenbüttler Bibliothek unter der Aufschrift: altteutsches Gedicht von Heinrich dem Löwen scriptum anno 1585 sich finde, auf der Bibliothek selbst aber fehle, ist recht brav, gefällig und leicht erzählt, und berichtet in einer geschmeidigen, herzlichen Sprache, wie der Herzog auf der See in große Noth kam, daß sie übereinander das Loos werfen, und sich der Reihe nach aufessen mußten,[207] bis endlich nur er und ein Knecht allein übrig blieben, wo dann ihn das Loos endlich traf; wie aber der Knecht ihn nicht schlachten wollte, sondern ihn in die Ochsenhaut einnähete, daß der Greif kam und ihn wegtrug zu den Jungen, die er tödete, und dann im Walde einen Lindwurm erlegte, den er im Kampfe mit einem Löwen fand; wie der gerettete Löwe ihm dann folgte auf einem Floße über die See; wie Satan ihm dort erschien, wie er ihn führte durch die Lüfte hin, vermeynend er soll seyn werden, und ihn vor Braunschweig niederlegte, wo er dann entschlief; wie der Teufel dann hinfuhr, um auch den Löwen zu holen, wie er ihn brachte, der Löwe aber nun thät laut aufschreien, weil der Teufel ihn allzufest hatte umfangen, und wie darüber der Herzog zu seinem Glück erwachte, denn so der Herr geschlafen, wär er kommen um Leib und Seel; wie er dann hineingieng zur Herzogin, die er als Braut wiederfund, wie es der Teufel ihm verkündigt, und wie er durch einen Ring sich ihr zu erkennen gab, und endlich nachdem er noch viele Jahre mit ihr zugebracht, stirbt. Das Buch in etwas modernem Anstrich, aber ganz im Geiste der altsteinernen Ritterbilder, die auf den Grabmählern mit gefaltenen Händen knien, während oben über aufgehangene Straußeneier und Greifenklauen in dem dunkel dämmernden Gewölbe schweben, und von den Thaten der Gestorbenen im heiligen Lande als stumme Zeugen mimisch Zeugniß geben, und ein gothisch Bogenwerk, wie ein Gewächs aus dem wunderbaren Drachen- und Greifenland dasteht, und als eine Laube die Schlafenden umschattet, wo starr der Tod die Zweige und die Blätter versteinert hält, daß sie nicht schwanken und nicht sich regen können, wenn die Jahrhunderte wie Nachtwinde durch das Gezweige ziehen, und der Orgel majestätisch Tönen sie durchbraust, während die großen, altfränkischen Messingbuchstaben der Inschrift von dem feuchten Hauch getrübt, erdunkeln, und das Gedächtniß der Thaten, die man ihnen anvertraut, sich wirrt und erblaßt, und sie nur mehr dunkel sprechen können von der frühen Vergangenheit, und die Wahrheit am Metall in Farben erblühend wieder zur Fabel wird.

Quelle:
Joseph Görres: Die teutschen Volksbücher, in: Joseph Görres, Gesammelte Schriften, Band 3: Geistesgeschichtliche und literarische Schriften I (1803–1808). Köln 1926, S. 207-208.
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