26.

Seine Locke knüpfte tausend Herzen

Aa ein einz'ges ihrer Härchen an,

Und versperrte Tausenden von Mittlern

Von vier Seiten die gesuchte Bahn.

Dass in Hoffnung eines Duftes Alle

Ihm die Seele opfern für und für,

Hat den Moschusnabel Er erschlossen,

Und verriegelt jedes Wunsches Thür.

Liebeswahnsinn hat mich überfallen,

Weil, dem Neumond gleich, mein holdes Bild

Seine Braue zeigend, freundlich koste,

Doch sein Antlitz stets verborgen hielt.

Durch so manche Listen hat der Schenke

Mir den Becher voll mit Wein gemacht:

Sieh doch nur die lieblichen Gebilde,

Die er auf dem Kürbis angebracht!

Welch' Geheimniss hat, o Herr, die Flasche

Ausgeplaudert mit geschwätz'gem Mund,

Dass das Blut des Kruges beim Gegurgel

Nun zur Strafe stockt in ihrem Schlund?

Und was ist es für ein Lied gewesen,

Das des Sängers holdem Mund entfloss,

Und verzückten Männern, bei dem Reigen,

Selbst das Thor des Hai und Hu verschloss?

Der Gescheite, der die Gaukelspiele

Dieses Rad's nie aus dem Aug' verlor,

Zog zurück sich von dem Marktgetümmel,

Und verschloss sich selbst der Rede Thor.

Wer, Hafis, nicht Liebe hat empfunden,

Und doch immer vom Genusse träumt,

Hat des Herzens Kába zwar umpilgert,

Doch zuvor der Waschung Pflicht versäumt.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 113-115.
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