36.

Gibt's Schön'res als des Umgang's Wonne

Zur Frühlingszeit im Gartenhain?

Doch sage, wo verweilt der Schenke?

Was mag der Grund des Zauderns sein?

Die frohe Zeit, die sich dir bietet,

Als gute Beute sieh sie an,

Weil doch kein Sterblicher hienieden

Der Dinge End' ergründen kann.

Das Leben hängt an Einem Haare,

D'rum mache Klugheit dir zur Pflicht;

Bis du dein eig'ner Freund geblieben,

Dann kümm're dich das Schicksal nicht.

Der wahre Sinn vom Lebenswasser

Und von Ĭrēm's gepries'nem Hain,

Liegt nur im Ufer eines Baches

Und nur im angenehmen Wein.

Der Mässige und der Berauschte

Gehören einem Stamme an;

Zu welchem soll mein Herz sich wenden?

Was wähle ich für eine Bahn?

Es kennt nicht, was der Vorhang berge,

Wer unter'm Himmelszelte lebt:

Schweig', Gegner! Willst mit dem du streiten,

Der diesen Vorhang senkt und hebt?

Im Falle Nachsicht nicht bestände

Mit eines Dieners Sünd' und Schuld,

Was wäre dann der Sinn der Worte:

»Verzeihung und barmherz'ge Huld?«

Den Quell Kjĕwsēr wünscht sich der Frömmler,

Hafis, ein Glas gefüllt mit Wein:

Was wohl inmitten beider Wünsche

Der Wunsch des Schöpfers möchte sein?

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 137-139.
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