6.

Von dem Dorfe des Bewussten

Bring' mir Düfte, holder Ost!

Schwach und krank bin ich aus Kummer:

Bringe denn mir Seelentrost!

Leg' auf's Herz mir, das getäuschte,

Meiner Wünsche Elixir:

Bringe nämlich von des Freundes

Schwellenstaub ein Zeichen mir!

Im Versteck des Blickes führ' ich

Mit dem eig'nen Herzen Krieg:

Bring' mir Seiner Brauen Bogen,

Seiner Wimper Pfeil zum Sieg!

Mich zum alten Manne machten

Fremde, Trennung, Herzenspein:

Bring' aus zarten Jünglingshänden

Mir ein Glas gefüllt mit Wein!

Zwei, drei Gläser lass auch kosten

Von dem Wein die Leugner hier.

Und verschmäh'n sie das Getränke,

Nun, so bring' es eilends mir!

Lass, o Schenke, nicht auf morgen

Was das Heut an Freuden beut;

Oder bring' vom Schicksals-Diwan

Mir ein sicheres Geleit!

Gestern kam ich fast von Sinnen,

Denn Hafis sprach ganz getrost:

»Von dem Dorfe des Bewussten

Bring' mir Düfte, holder Ost!«

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 17-19.
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