14.

Wie lange noch wirst du, o Herz, vergiessen

Mein Augenblut? Erröthe endlich doch!

Du Aug', entschlumm're und erfülle endlich

Auf diese Art den Herzenswunsch mir noch!

Bin ich's denn wirklich, Herr, der Küsse pflücket

Von meines Seelenfreundes holdem Arm?

Nun sahst du selbst, wie endlich sich erfüllte

Warum ich Morgens betete so warm.

Was ich gewünscht für jenseits und hienieden,

Der Nahrungsschenker schenkte mir's, und zwar:

Erst für mein Ohr der Harfe Ton und endlich

Für meine Hand des Freundes Lockenhaar.

Raubst du die Garbenähren armer Leute,

Dem rauhen Winde ähnlich, länger noch?

Mach' dir aus Hochsinn eine Vorrathskammer

Und säe endlich eig'nen Samen doch!

Wohl weiss ich es, zum Bildersaale China's

Wird dein Pallast wohl nimmermehr; allein

Mit deines duft'gen Moschuspinsels Spitze

Mal' endlich ein Gemälde zart und fein.

Wenn du, o Herz, im Reich durchwachter Nächte

Nicht feig entfliehst den Leiden, die dir dräu'n.

So Bringt der Morgenhauch aus jenem Lande

Dir endlich Kunden, die dich hoch erfreu'n.

Ein Götze, reizend wie der Mond, kredenzte

Gebeugten Knie's Wein, der Rubinen glich;

Du aber sprichst, Hafis: »Ich fühle Reue.«

So schäm' doch endlich vor dem Schenken dich!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 39-41.
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