5.

Greif' zur Tulpenzeit nach Bechern,

Hüte dich vor Heuchelei'n

Und geselle dich dem Oste,

Wenn dich Rosendüfte freu'n!

Trägst du, wie einst Dschem, Verlangen

Das Geheimste zu erspäh'n,

So geselle dich dem Glase,

Das dich lässt das Weltall seh'n!

Nimmer sag' ich dir: »Dein Götze

Sei durch's ganze Jahr der Wein!«

Durch drei Monde magst du trinken

Und durch neun enthaltsam sein.

Da die alte Pilg'rin: »Liebe«

An den Rebensaft dich weist,

Nun so trinke Gott vertrauend,

Der Erbarmen dir verheisst!

Wenn auch alle ird'schen Dinge,

Knospen gleich, verschlossen sind,

Magst du deine Knoten lösen,

Ähnlich einem Frühlingswind.

Suche ja bei Niemand Treue:

Hörst du aber nicht auf mich,

Mühe fruchtlos um Simurghen

Und den Stein der Weisen dich!

Sei, Hafis, kein Andachtsjünger

Jener, die du nimmer kennst

Und verkehre nur mit Zechern,

Die du deine Priester nennst.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 99-101.
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