18.

Eine Stimme rief mir gestern

Aus der Schenke Winkel zu:

»Was du sündigend verbrochen

Wird verzieh'n: d'rum trinke du!

Und die göttliche Vergebung

Waltet gnädig fort und fort,

Und ein Engel überbringet

Der Erbarmung Freudenwort.

Grösser ist die Gnade Gottes

Als die Fülle uns'rer Schuld;

Schweige! Kennst du denn die Gründe,

Die verborgenen, der Huld?«

Trage diese rohe Weisheit

In das Haus des Weines hin,

Dass ihr Blut in Wallung komme

Durch den Wein, roth wie Rubin!

Wenn man auch durch keine Mühe

Sich mit Ihm vereinen kann,

Dennoch wend', o Herz, nach Kräften,

Alle deine Mühe d'ran!

Meines Freundes Ringellocke

Schlinge stets sich um mein Ohr.

Und mein Antlitz lieg' im Staube

An des Weinverkäufers Thor!

Nicht für eine schwere Sünde

Gilt Hafisens Trunkenheit

Bei des Kaisers Huld, der Fehler

Stets zu decken ist bereit;

Schah Schědschā's, des Herrn des Glaubens,

Dessen mächt'gen Herrscherring

Selbst der heiligste der Geister

Sclaven gleich in's Ohr sich hing.

Fürst des Himmelsthron's, erfülle

Seine Wünsche immerdar,

Und, wenn böse Blicke drohen,

Schütze ihn vor der Gefahr!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 125-127.
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