2.

Des Rohres Zunge weigert sich

Den Schmerz der Trennung vorzutragen,

Denn ich erklärte dir wohl sonst

Was ich von Trennung weiss zu sagen.

Ich wand're mit des Wahnbild's Heer,

Und sitz' auf der Geduld zu Rosse;

Ich steh' dem Scheidungsfeuer nah',

Und bin der Trennung Bundsgenosse.

Weh, dass in Hoffnung auf Genuss

Mein Leben an sein End' gekommen,

Und doch der Trennung lange Zeit

Noch immer nicht ein End' genommen!

Ein Haupt das ich mit hohem Ruhm

Gerieben an des Himmels Wälle

– Ich schwör's bei der Gerechten Schaar –

Legt' hin ich auf der Trennung Schwelle.

Wie kann mit off'nem Flügel ich

In des Genusses Lüfte dringen?

Verlor mein Herzensvogel doch

Im Nest der Trennung seine Schwingen.

Kann meine Seele eine Gunst

Dir abzufordern sich erdreisten?

Dem Schicksal folgen muss mein Herz,

Mein Leib, ach, Trennungsbürgschaft leisten!

Am Sehnsuchtsfeuer ward mein Herz

Zum Braten und, vom Freund geschieden,

Ist immerdar am Trennungstisch

Nur Herzblut mir als Trunk beschieden.

Was nun, da auf des Grames Meer

Versank in eines Wirbels Wogen

Mein leichter Nachen der Geduld,

Vom Trennungssegel fortgezogen?[169]

Gar wenig fehlte, dass nun gar

Mein Lebensschiff gescheitert wäre

Beim Wogenschwall der Lust nach dir

Im unbegrenzten Trennungsmeere.

Der Himmel, als er um mein Haupt

Den Reif der Liebe sah gewunden,

Hat um den Nacken der Geduld

Den Strick der Trennung mir gebunden.

Wer brachte auf die Welt, o Herr,

Der Trennung und des Scheidens Leiden?

In Schwarz soll sich des Scheidens Tag

Und Haus und Hof der Trennung kleiden!

Erreichte mit der Sehnsucht Fuss,

Hafis, man dieses Pfades Ende,

Dann gäbe wohl des Scheidens Zaum

Kein Mensch mehr in der Trennung Hände.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 167-171.
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