10.

Um die Fackel deiner Wange

Kreist, ein Falter, selbst das Licht,

Und, dein Maal erblickend, kümmert

Mich die eig'ne Lage nicht.

Der Verstand, nach dessen Urtheil

Man Verliebte fesseln soll,

Ward vom Dufte jener Ringe

Deiner Locken selber toll.

Seine Seele gab dem Oste

Flugs als Botenlohn das Licht,

Als vom Lichte deiner Wange

Es durch ihn erhielt Bericht.

Müsste ich für deine Locke

Auch dem Wind' die Seele weih'n,

Sei's! Selbst tausend Edle mögen

Des Geliebten Opfer sein!

Hat auf Seiner Wangen Gluthen

Irgend wer ein Rautenkraut

Wirkungsreicher als das Körnchen

Seines schwarzen Maal's geschaut?

Gestern konnt' ich, Eifersücht'ger,

Nimmer auf dem Fusse steh'n,

Als ich an der Hand des Fremden

Mein geliebtes Bild geseh'n.

Was ersann ich nicht für Listen?

Fruchtlos war, was ich erdacht:

Er behandelte als eitel

Alle meine Zaubermacht.

Nun des Freundes Lippe blühet,

Band ich mich durch diesen Schwur:

Mährchen, die von Bechern handeln

Bring' ich auf die Zunge nur.

Lass von Schule und von Kloster

Die Erzählung unberührt,

Weil Hafis im Haupte wieder

Sehnsucht nach der Schenke spürt.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 519-521.
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