2.

Herz, sobald du wüst geworden

Durch den rosenfarben Wein,

Wirst du ohne Geld und Schätze

Hundertfach ein Chores sein.

Dort, wo man nur arme Leute

Für den Ehrensitz erkohr,

Rag'st an Würde – wie ich hoffe –

Über Alle du empor.

Auf dem Weg nach Leïla's Wohnung,

Der gefährlich sich erweist,

Ist des ersten Schritt's Bedingung,

Dass du ein Mĕdschnūn nur sei'st.

Irre nicht; den Punkt der Liebe

Zeigt' ich dir, d'rum habe Acht,

Denn sonst wirst du, um dich blickend,

Aus dem Zirkelrund gebracht!

Weiter zog die Karavane,

Und du schläfst wenn Wüsten nah'n?

Wohin gehst du, wen befrägst du

Um den Weg? Was fängst du an?

Leer' ein Gläschen Wein und schleud're

Seine Hefe himmelwärts:

Soll im Grame des Geschickes

Länger bluten noch dein Herz?

Reizt dich eine Königskrone,

Zeig' die inn're Perle uns,

Mögst du aus Dschĕmschīd's Geschlechte

Stammen oder Fērĭdūn's.

Klag', Hafis, nicht über Armuth,

Denn, sind diese Lieder dein,

Billigt es kein Frohgestimmter

Dass du traurig solltest sein.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 5-7.
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