69.

Berauscht bin ich vom Glas der Liebe:

Darum, o Schenke, bringe Wein,

Und füll' das Glas, denn die Gesellschaft

Kann ohne Wein nicht glänzend sein!

Die Liebe für sein Mondesantlitz

Sei von des Vorhangs Hülle frei

Du Sänger, lass ein Lied ertönen,

Du Schenke, schaffe Wein herbei!

Zum Thorring ist mein Wuchs geworden,

Auf dass dein Wächter mich hiefür

Von diesem Thore fort nicht sende

An irgend eine and're Thür.

Erwart' ich dein Gesicht zu schauen,

Geb' ich nur leerer Hoffnung Raum,

Und will ich mich mit dir vereinen,

Täuscht mich ein Wahnbild nur, ein Traum.

Berauscht bin ich durch jene Augen

Doch frägst du jemals wohl nach mir?

Erkrankt bin ich durch jene Lippen;

Doch wird mir Antwort je von dir?

Hafis, wie magst dein Herz du setzen

An eines Schönen Wahngebild?

Hat je der Glanz des Wasserscheines

Den Durst des Durstigen gestillt?

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 199-201.
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