[142] 1734.
Der alten Schweizer tapfre Hand
Hat noch ein rauher Muth geführet,
Ihr Sinn war stark und ungezieret,
Und all ihr Witz war nur Verstand.
Nicht, daß man uns verachten soll:
Der Freiheit Sitz und Reich auf Erden
Kann nicht an Geist unfruchtbar werden;
Wer frei darf denken, denket wohl!
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Nein, ihr im Stahl erzogner Sinn
Fand keinen Reiz an mindrer Ehre;
Vom Anblick ihrer furchtbarn Heere
Floh Scherz und Muse schüchtern hin.
Itzt, daß der Sieg uns Friede giebt,
Ist auch der Zierat rühmlich worden;
Man pries sonst bloß ein sieghaft morden,
Itzt wird ein reiner Lob geliebt.
Du, dessen Scharfsicht nichts umschränkt,
Vor dem nichts würdigs liegt verborgen,
Hast oftmals, satt von höhern Sorgen,
Auch Dichtern einen Blick geschenkt.
Das alte Vorrecht unsrer Kunst
Ist ja der Beifall großer Männer,
Je größrer Fürst, je größrer Kenner,
Das zeigt Augusts und Ammons Gunst.
Warum zeugt nicht dein glücklich Land
Wie große Häupter große Sänger?
Warum bleibt wahres Lob nicht länger,
Als was die Schmeichelei erfand?
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Doch Männern deiner Trefflichkeit
Versagt der Himmel keine Kronen;
Er lohnt Mäcenen mit Maronen
Und Tugend mit Unsterblichkeit!
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Versuch Schweizerischer Gedichte
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