Das XL. Capitel.

Von Danckbarkeit und Vndanckbarkeit.

[452] Gratia, qvæ tarda est, ingrata est: gratia namque

Cùm fieri properat, gratia grata magis.


Koenig Matthias in Vngarn hielt auff eine Zeit eine Schlacht mit dem Siebenbürger / und verlohr den Sieg / wurd flüchtig / als er nun zwey Tag und zwey Nacht ungessen und ungetruncken geritten / kompt er nach Zentkland für eine[452] Schul / steiget da ab und gehr hinein / da findet er Kraut und Fleisch auff dem Tisch stehen / setzt sich wider deß Schulmeisters willen nieder / aß sich gar satt / und gab sich vor einen Rath deß Königes aus / und gab dem Schulmeister hernach vor die Malzeit / einen silbernen Stegreiff vom Sattel und sprach: Er wolte es künfftigen reichlicher bezahlen / rühmete es hoch / wie es ihm so wol geschmecket habe / als er nun wieder in ruhiger Posseß war /ließ er den Schulmeister nach Hof beruffen / schenckete ihm ein Schloß und Meyrhof mit aller zugehör /und gab sich zuerkennen / daß er es gewesen wäre /denn Glück und Vnglück ist deß Menschen Frühstück. Vnd


Wie das Glaß gar schön und hell /

Zerbricht und macht groß ungefäll

Also das Glück auch bißweilen weicht /

G'meiniglich / wenns bald über sich steigt.


M. Dimpel.


Si benè qvid facias, facias citò: nam citò factum,

Gratum erit, ingratum gratia tarda facit.


Als Sanseverinus der Neapolitanische Fürst auff den Berg Sinai zog / und etliche Araber mit ungestümm auff ihn zurenneten / ließ er also bald einen Tisch decken im freyen Feld / lud zu Gast alle ihre Kriegs-Leute / und verehret sie mit etlichen Geschencken / und ließ sie hinziehen / als er nun über 3. Tag[453] wieder zurück wolte / kamen die Araber mit grossen hauffen / führeten den Fürsten mit allen seinen Geferten hinweg / da ein ieder nicht anders meinete / als würde es ihnen allen das Leben kosten / aber sie brachten den Fürsten mit all den seinigen auff ein Schloß / tractirten ihn herrlich / und nach etlichen Tagen gaben sie ihm das Geleit einen guten und fernen Weg / liesen ihn also unverletzt mit den seinigen von ihnen und erwiederten die vorherige erwiesene Gutt hat mit danck. Beneficiorum memoria senescere non debet. Seneca. Strig.

Die Bienen bauen ihrem König ein eigen Häußlein mitten im Bienenstock / zur danckbarkeit / daß er sie so treulich versorget und meinet / ja sie haben ihn so lieb / daß sie ihn bewachen / fleißig nachfolgen /wenn er auch ümbkömpt / so betrauren sie ihn / machen an demselbigen Ort kein Honig mehr / ja wenn ein Bienlein seinen König beleidigt / so tödtet es sich selbst mit seinem Schnabel vor seinem Könige / und da heists ab qlio expectes, alteri qvod feceris. Christ. Ge.


Gratitudo mater est omnium virtutum. Cic.


Da Miltiades der treffliche Held von seinen Mitbürgern zu Athen ümb eine Summa Gelts ins Gefängnüß geworffen ward / allda sein leben vor die Schuld zu lassen und dieselbige abzusitzen / erbarmete sich sein Sohn Simon über ihn / setzte sich ans Vaters[454] statt ins Gefängnüß / und bezahlet also solche Schuld. D. Georg Weinrich.

Von der Alcestide Königs Admeti Gemahlin lieset man / daß sie für ihren Herren gestorben sey / denn als es nun an dem war / daß er iemand anders suchen solte / so für ihn stürbe / that sie solches willig für ihm Herrn / und begehrete nichts mehr derwegen von ihm zur danckbarkeit / als daß er den Kindern keine Stieff-Mutter ins Hauß führen wolte. Dann:


Wo nicht im Hauß sind Kinderlein /

Ists gleich als wär kein Sonneschein. D. Mirus.


Es wolte auff eine Zeit ein Sohn freyen / und hätte gern reich gefreyet / schemete sich aber seines armen alt verlebten elenden Vaters / als derselbe zu ihm kam / hieß er ihn von sich packen / denn er wäre nicht sein Vater / als nun der gute alte Man mit weinenden Augen davon gehet / wird der Sohn hierauff also balden unsinnig / stirbt in seinem rasenben und tobenden Gemüt dahin. Paupertas dolor est, solatur pectora nummus. Philipp. Melanch. Chr. Ge.

Danckbarkeit wird unter die höchste Tugend gerechnet / und spürt man solche vielmals auch an den unvernünfftigen Thieren / Vieh und Hunden / wie Plinius uns dessen lib. 10. ein Exempel vor Augen setzet.

Ein Bauer in Egypten hatte eine Schlange in seinem Hausse / die er täglich von seinem Tisch speisete /[455] und als sie einsmals vor dem Tisch auff ihre Speiß /wartete / und noch zwey Schlänglein ins Bauern Hauß durch sie kommen waren / und die eine deß Bauern Kind stach / hat sie dasselbe Schlänglein selbsten ümbgebracht / und ist hernacher aussen blieben. Nihil enim tam perit atqve id, qvod confertur in ingratum. Strig.

Ein König in Franckreich ließ einsmals einen Bauern an seine Taffel sitzen / bey welchem er nach vermögen war tractiret worden: Denn gratiarum actio est ad plus dandum invitatio. Strig.


Wolthat schläfft gar leichtlich ein /

Denn wenig Menschen danckbar seyn.


Etliche Gottfürchtige Leute strecketen in einer namhafften Stadt armen nothleidenden Handwercks Leuten ein stück Gelt auff eine gewisse zeit für / solchen danckbarlich hernach wieder zu bezahlen / ohn allen zins / als aber die zeit ümbkam / und ein ieder seinen frommen geschaffet hätte / und das Gelt mit danck wieder bezahlen solten / fand sich ein einiger /und der allerärmste / die andern blieben aussen / als nun die guten Leute den groben Vndanck der andern sahen / schenckten sie vollends dem danckbarn armen Mann auch das seinige / und liessen die undanckbarn neune fahren. Dixeris maledicta cuncta, cùm ingratum hominem dixeris. Strig.
[456]

Gott wird dir Glück und Heil beschehrn /

Wenn du dein Eltern hältst in Ehrn /

Da hab nur keinen Zweiffel an /

Wie du deinen Eltern hast gethan /

Deß gleichen wird von deinen kindn /

Dir wieder fahren / es wird sich findn.


Es ließ zur Zeit ein Sohn seinen armen alten Vater in ein Gefängnüß sperren / und als er am Kleidern übel verwahrt gewesen / hat er ihm durch sein Söhnlein ein stück Tuch zum Rock dahin wollen tragen lassen / das Söhnlein aber reisset (durch Gottes eingeben) das Tuch von einander / als solches der Vater sihet / schilt er / da spricht das Söhnlein / ein stück wil ich dem Großvater bringen / das andere stück aber dir behalten / biß du auch alt und unvernidgend wirst / damit ich dich kleiden kan / als solches der Vater hört / / wird er dadurch vermahnt / und läst den alten wieder aus dem Gefängnüß hielte ihn auch hernach ehrlich und kindlich biß an sein End. Beneficium dignis ubi das, omnes obligas. Chr. Geor.


So du begehrest alt zu werdn /

So ehr dein Eltern hier auff Erdn /

Denn was du thust dem Vater dein /

Das wirst vom Sohn gewertig seyn /

Also wird Maß ümb Maß gegebn /

Für guts und böß in diesem Lebn.
[457]

Aristoteles schreibt lib. 5. Eth. Dz ein Gottloser ungerathener Sohn im Zorn seinen Vater biß zur Stubenthür geschleppet / als er hernach zu Jahren kommen / ist ihm solches gleichermassen wieder von sei nem Sohn geschehen / da er ruffen und sagen müssen / Sohn höre auff / denn also weit hab ich meinen Vater auch gezogen. Beneficium repende.


Susurronem ex ædibus eüce.


König Philippus aus Macedonien schickte einsten einen Kriegs-Mann aus / eine wichtige Sach dem König auszurichten / als er nun über das Meer muste reysen und Schiffbruch lidte / hilfft ihm ein Bauersman aus dem Meer / daß er zu rande kam / und nimbt ihn in sein Hauß / legt ihn in sein Bett / wartet und pfleget seiner bey 30. Tagen / als er nun fort reyset /gibt er ihm noch eine Zehrung / was geschicht / als er zum König wieder kömpt / klagt er ihm alles / wie es ihm ergangen / und gedenckt der Wolthaten deß guten treuhertzigen Mannes nicht mit einem Wort / der König spricht / er sol etwas wegen ausgestandener Gefahr von ihm fordern und begehren / da begehrete er das Forwerck oder Gut / dieses Mannes so am Meer lag / welches auch der König ihm einzureumen verschaffen thäte / als aber der gute Bauersman dem König erzehlete / wie er ihm vom Tod errettet hätte /lange Zeit in seiner Kost erhalten /[458] und mit Zehrung ihn wieder nach Hauß ziehen lassen / wird er darüber nicht unbillich erzürnt / läst den Kriegs-Mann gefänglich einziehen / und ihm diese Wort wegen seines groben undancks HOSPES INGRATUS zu einem Gedächtnüß an die Stirn brennen / daher man noch heutiges tages sagt / zu einem undanckbarn Guckguck / du undanckbarer Gast. Beneficii accepti memento. Celestinus lib. 9. cap. 11. Mechovius lib. 4 D. Conr. Diet. pag. 33.


Tu bene si qvid facias, non meminisse fas est.


Origenes ist ein hochgelehrter Mann gewesen / so von Göttlichen Sachen in die 6000. Bücher geschrieben / und zu seiner Zeit bey allen Bischoffen in groß ansehen gewesen / als sein Vater Leonides wegen Christlichen Glaubens Anno Christi 204. mit andern sollen getödtet werden zu Alexandria / vom Keyser Severo in Egyptenland / hat er sich mit Gewalt unter die Märtyrer mit eingemenget / wolte sich mit tödten lassen / wo ihm nicht seine Mutter im ernst hinweg gerissen hätte / schrieb auch seinem Vater einen herrlichen Trost-Brieff ins Gefängnüß zu / vermahnete ihn zur beständigkeit / er solt sich seiner Kinder halben nichts anfechten lassen / lebete gantz mäßig / sittig /that männiglichen gutes in aller treu / lieb und danckbarkeit / er fastete und wachete / lag nur auff blosser Erden / ohne Küssen / daß iederman von[459] allen Landen zu ihm lieff und schriebe / gieng stets barfuß / brauchet nur ein einiges Kleid / wolte alles nach dem Gefehl Christii halten / brachte es auch dahin / daß man sagte / dieser ists der da lebt wie er lehrt (als sonsten von Henochs Göttlichen leben / ambulabat Deum geschrieben stehet) Endlich aber richtete er die 5. Bücher Moisis nur nach seiner eigener vernunfft / gab vor / die Teuffel und alle verdambten würden selig. Er ist gebohren worden Anno Christi 187. und in einem Sterben hinweg gestorben. Plato hat 300. Bücher geschrieben / und ist divinus genennet worden / gelebt vor Christi Geburt 424. D. Rabus lib. 2. Martyrum fol. 275. pag. 402. Eusebius lib. 6. M. Joh. Funck. Zeitbuch lib. 12. pag. 64. & 89. lt. lib 7. pag. 213.

Hesiodus hat gelebt ohngefähr 100. Jahr vor Homero / der ist ein Priester gewesen / in der Musarum Kirch auff dem Berg Heltcone / vor Christi Geburt 833. hat gelebt 60. Jahr vor erbauung der Stadt Rom. Zeitbuch im 5. pag. 119. Eusebius. Doch sind der Jahr wegen die Historien Schreiber hierinnen nicht gantz einig.

König Alphonsus zu Neapolis hat dem lieben Gott täglich ümb dreyerley Wolthaten gedancket:


1. Daß er ihn nicht zu einem unvernünfftigen Thier erschaffen hätte.[460]

2. Daß er ein Christ wäre.

3. Das er ihn zu einem Herren so vieler Königreich gesetzet hätte. M. Creidius in Postilla.


Danckbarkeit ist eine schöne Rose / entgegen Vndack ein teuffliches / schändliches und hoch schändliches Laster.

Da auff eine Zeit Antipater vov seinem Keyser verunglimpfft war / als wenn er ihm nicht getreu wäre /hat er sein Wammes auffgerissen / und ihn seine vielfältige Wunden sehen lassen / darüber der Keyser zur danckbarkeit bewogen worden / und ihm zum Regenten über das Judische Land gesetzet hat. M. Creidius.

Quelle:
Hammer, Matthäus: Rosetum Historiarum. Das ist: Historischer Rosengarten [...]. Zwickau 1654, S. 452-461.
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