Fünfte Scene

[16] JOSEPH erregt. Der Junge wird nicht Ruh geben – bis ich oder Deine Vatter ihm mal gehörig Wege weisen – aber das dauert gar nicht mehr lange –[16]

BREITE die eine Weile hinausgehorcht hat, hängt sich plötzlich an Joseph. Joseph, Du hust ju vurhie mit d'r Franzel asu lange geredt, Joseph?

JOSEPH hart. Was?

BREITE. Du hust mit d'r bihmschen Franzel asu lange geredt? Joseph! Das wihl ich wissa!

JOSEPH gleichgültig. Ach! gieb mich lieber flink Warmes. Er schlägt sich den schwarzen Haarsträhn aus der Stirn. Muß ich rasch der Blässe warmes Hei schitten. Hart. Ich dächte, Du fingst auch noch an auf mich zu beißen! Das könnte mich grade passen!

BREITE hat ihn losgelassen. O, was giht mich de Blässe a'? Was giht mich d'r Junge a'? Das muß ich wissa! – Joseph, wenn's etwa wuhr wär', was die Leute sa'n –

JOSEPH gedehnt. Was?

BREITE. Ich! – krank war ich – wenn ich Dich mit d'r Franzel asu heimlich lacha und reda sah!

JOSEPH erstaunt. Aber was sull ich reden mit Franzel, wenn sich soeben kummt zum ersten Mal wieder in Durf? – Haben wir einfach Gruß gesagt, wie jedermann –

BREITE. Nee, nee! Du denkst, ich war mich asu mit Redensarta abspeisa lo'n wie die andern! Ich bihn nee wie die andern. Was ich bihn, das bihn ich. Was ich ha', das will ich au alleene ha'n. Das war ich freilich mit kenner Andern teelen, daß De's wißt. – Weinen nahe. Aber warum ha' ich mich au glei' a' Dich gehal'n –

JOSEPH. Nun sag, was hab ich mit Franzel geredt? – Willst Du sagen! – Wenn Du bist wie in Wut, Du mußt doch wissen![17]

BREITE. Wuhar denn, Joseph? Ich war doch eim Kuhstalle und sah Euch ock zum Fenster naus am Zaune stihn –

JOSEPH. Weil Franzel und meine Mutter einfach ging auf Durfstraße vorüber. – Nun! nun sullst Du mich hören. Franzel wird heite mit Mutter in Bethausschenke kummen – und machen mal ausgelassnes Vergnigen am Abend fir Durfleite. Hust Du mich verstanden?

BREITE. Und da willst Du wull hiegihn?

JOSEPH. Was?

BREITE. Fir wan söllt' d'n das a Vergniga sein? was? für Dich und de Franzel! – und ich war derbeine stihn und zusahn wie die 's Rad schlä't? Nee wuhr?

JOSEPH lachend. Du hust richtig geraten!

BREITE. Wie dazemal, wu De gar tulle uf das Mensch warscht und ock a ganza Abend das Harfamadel im Arme hieltst. In Thränen. Ju, ju – ich söllt lieber uf die Leute hiern –

JOSEPH. Ich frage Dich zum letzten Mal! – Was hab ich gespruchen? Gut! – Im Grunde is sich duch heit ganz anders! – Ach! – Du mußt doch hören, was ich gespruchen!

BREITE. Nee nee, uf die Bricke trat ich nimmeh. – Ich wihl vo' Dir ee's bestimmt wissa! eb das wuhr is, was die Leute reda? Ich wihl wissa, eb Du mit d'r Franzel –

JOSEPH plötzlich einen verächtlichen Ton anschlagend. Ich möchte überhaupt wissen, was ich habe von Dich lieben? – Deine Mutter ist eine Hexe zu mich; Deine Bruder, er haßt mich, weil ich sei, wie der[18] Grobe sagt, Zigeiner – der Tölpel! Und Deine Vatter – was weiß ich, was Deine Vatter denkt!? Aber err denkt grade su, daß Tuchter nix wagt zu kummen und sagen: Vatter – Juseph sull meine Mann sein!

BREITE unschlüssig. Joseph – das – is – doch – aber

JOSEPH. Sprich gar nix! – Was ich sage, is sich wahr, wie Bibel! – Nun gieß mir warmes Wasser in Eimer, daß ich zu Pferd kumme! Ueber die Sache – wir wullen nochmal ernstlich reden, wenn ich heite Nacht kumme in Kammer!

BREITE schmollend. Nee nee, heute darfst De nee kumma.

JOSEPH. Was?

BREITE. Nee nee, das sah ich au' nee ei'. – Nu bihn ich au' ticksch!

JOSEPH. Gut! – Gut! – Su werd' ich also nicht kummen!

BREITE nachgiebig. Ju ju! Kumm Du wieder ei de Kammer, jitzund wu's schun asu weit gekumma is – wu m'r ins iberhaupt missa doppelt ei Obacht nahma –

JOSEPH. Weil Vatter und Mutter sulchen schwarzen Teifel verachten! – Spitz. Ja, Bauersuhn könnt ruhig in Kammer kummen! – Wegwerfend. Was hab ich denn davon? Sag! – Was hab ich denn davon? Er hat den Eimer ergriffen und will gehen.

BREITE hält ihn. Du wißt, Josephla; wenn De m'r a schie Gesichte machst, ich thu D'r, was ich kan! Sie streichelt ihn. 's werd, ju alles noch gut war'n. Au mit'n[19] Vater werd alles noch gut war'n. Wenn m'rsch au nee grade heute und morne sa'n braucha –

JOSEPH. Vielleicht es könnte auch in finf Jahren sein! Wegwerfend. Ich habe satt das ganze Handel! – Überhaupt – vun gestern zu heit ich bin gekummen zu Eich – ich hab mich lassen festmachen auf manche Tage – vielleicht ich werde vun heit zu morgen – Ach, was weiß ich! – Mach was Du willst! Sage Vatter und Mutter – oder sage nicht Vatter und Mutter! Und so wird gut sein auf eine oder andere Weise! Im Begriff zu gehen.

BREITE. Aber ich wiß schun, ich wiß schun, daß D'r blußig das mit' n Vater im Kuppe steckt! Und Du ock Denn' stulza Gedanka – immer ock Denn' stulza Gedanka nachgihst, die D'r Tag und Nacht keene Ruh meh' lo'n!

JOSEPH spöttisch lachend, abgehend. Stulze Gedanken – und armer Teifel! armer Teifel! nichts weiter, als armer Teifel! I – was?

BREITE weinend. Du bist ebens gar nee asu gut zu mir, wie ich's ha'n wihl. Das sah ich immer meh'. Suste würdst De doch jitzund nee furtlaufa –

JOSEPH ist langsam zurückgekommen und hat den Eimer abgestellt. Breite! Breite! Er versucht Breites Kopf mit beiden Händen aufzurichten. Du Trutzkupp – Du Trutzkupp –

BREITE weinend dazwischenredend. – – und m'r lieber amol nahnde kumma –

JOSEPH scherzhaft ihren Blick suchend und ihr drohend. Ich kumme, ich kumme –! Ich weiß doch, was Du bist fir gutes, liebes Mädel![20]

BREITE noch nicht beruhigt, im alten Ton. – – a kenn' Vater denka und keene Mutter denka – Man hört vom Kuhstalle her sprechen. Hastig. Jeses, die kumma! die kumma! Joseph ergreift den Eimer. Breite hastig freundlich Joseph bis zur Thür begleitend. Mir kinn' ju au geruhig zum Tanze gihn, Joseph! ock Du und ich z'samma! Das andere is mir egal.

JOSEPH belustigt. Nun aber sicher! Nun aber sicher! Ab.


Quelle:
Carl Hauptmann: Ephraims Breite. Berlin 1900, S. 16-21.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gellert, Christian Fürchtegott

Geistliche Oden und Lieder

Geistliche Oden und Lieder

Diese »Oden für das Herz« mögen erbaulich auf den Leser wirken und den »Geschmack an der Religion mehren« und die »Herzen in fromme Empfindung« versetzen, wünscht sich der Autor. Gellerts lyrisches Hauptwerk war 1757 ein beachtlicher Publikumserfolg.

88 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon