Vierte Szene


[187] Hans und Balthasar treten ein, Balthasar mit einem Grabscheid.


HANS aufs Wams deutend.

Seht Ihr die Silberknöpfe?

GOLO.

Nun, was solls?

HANS.

Mich kränkte Eure Rede von vorhin,

Drum warf ich rasch mich in mein Sonntags-Wams.

Dies möge Euch beweisen, daß Ihr Euch

Auf mich verlassen könnt.

BALTHASAR.

Wenn sie ihn rührt,

So sieht er rasch von ihr auf seinen Rock.

GOLO zeigt aufs Grabscheid.

Was soll denn das?

BALTHASAR.

Wer sich die Nägel putzt,

Der wühlt mit Händen keine Gräber auf!

GOLO.

Seid ihr bereit, den richterlichen Spruch

An Genoveva, wegen Ehebruchs

Zum Tod verurteilt, ehrlich zu vollziehn?

BALTHASAR.

Wir sinds.

HANS.

Ja wohl. Und um so eher zwar,

Als wir mit Augen fast die Sünde sahn.

GOLO.

Und wollt ihr an dem Kind tun, wie an ihr?

BALTHASAR.

Eins ist nicht schwerer, als das andere,

Es ist dasselbe Blut.

GOLO zu Genoveva.

Ich frage Euch:

Sind diese Männer, die ich auserkor,

Euch wegen Übertretung des Gebots,

Das Lust verbeut, zu strafen, Euch genehm?

GENOVEVA schweigt.

GOLO.

Ihr sagt nicht nein? Das ist ein stummes Ja.

Ich füg hier alles, wie's der Herr gebot.


Zu Hans.


Zu ganz besonderer Genugtuung

Soll dieses hochnotpeinliche Gericht

Vollzogen werden durch sein eignes Schwert!

Nimms hin! Und trag es, wie's dem Knecht gebührt.

HANS nimmt das Schwert unter den Arm.[187]

Nehmt doch ein andres Schwert! Wenn nichts ihn reut,

So reut ihn dies!

GOLO.

Es geht nicht. Er befahls.

Nehmt Euer Kind!

GENOVEVA außer sich.

Ihr Leute!

GOLO.

Hans, merk auf!

HANS zu Genoveva.

An jenem Abend waren wir nicht blind,

Nur deshalb sind wir heute morgen taub!

GOLO.

Nimm du das Kind!

GENOVEVA stürzt auf das Kind zu und nimmt es.

Ich sag euch, rührts nicht an!

Sonst werd ich das tun, was die Löwin tut!

HANS.

Es lächelt!

BALTHASAR.

Ists ein Mägdlein, oder ists

Ein Knabe?

GOLO.

Fort! Ihr wißt doch noch? Beim Quell!

HANS.

Links.

GOLO.

Rechts! Zum Teufel, rechts!

HANS.

Er weiß den Platz!

BALTHASAR.

Kaum, daß sie gehen kann!

GOLO.

Beim Quell!

BALTHASAR.

Ja! Ja!


Hans, Balthasar, Genoveva und das Kind ab.


GOLO lacht, dann ergreift er den Wasserkrug.

GOLO.

Sie hat hier Überfluß gehabt. Da steht

Noch Wasser. Sie und er! Mein letzter Trunk!

Ich knirsche. Dennoch trink ich!


Er trinkt, dann zerschmettert er den Krug.


Geist der Welt!

Machs jetzt mit mir, wie ich mit diesem Ton!

Nun auf! Zum Forst!


Er will ab.[188]


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 187-189.
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