Sechste Szene

[366] KLARA allein. Zu! Zu, mein Herz! Quetsch dich in dich ein, daß auch kein Blutstropfe mehr heraus kann, der in den Adern das gefrierende Leben wieder entzünden will. Da hatte sich wieder was, wie eine Hoffnung, in dir aufgetan! Jetzt erst merk ichs! Ich dachte – Lächelnd. Nein, darüber kann kein Mann weg! Und wenn – Könntest du selbst darüber hinweg? Hättest du den Mut, eine Hand zu fassen, die – Nein, nein, diesen schlechten Mut hättest du nicht! Du müßtest dich selbst einriegeln in deine Hölle, wenn man dir von außen die Tore öffnen wollte – du bist für ewig – O, daß das aussetzt, daß das nicht immer so fortbohrt, daß zuweilen ein Aufhören ist! Nur darum dauerts lange! Der Gequälte glaubt auszuruhen, weil der Quäler einhalten muß, um Odem zu schöpfen; es ist ein Aufatmen, wie des Ertrinkenden auf den Wellen, wenn der Strudel, der ihn hinunterzieht, ihn noch einmal wieder ausspeit, um ihn gleich wieder aufs neue zu fassen, er hat nichts davon, als den zwiefachen Todeskampf!

Nun, Klara? Ja, Vater, ich gehe, ich gehe! Deine Tochter wird[366] dich nicht zum Selbstmord treiben! Ich bin bald das Weib des Menschen, oder – Gott, nein! Ich bettle ja nicht um ein Glück, ich bettle um mein Elend, um mein tiefstes Elend – mein Elend wirst du mir geben! Fort – wo ist der Brief? Sie nimmt ihn. Drei Brunnen triffst du auf dem Weg zu ihm – Daß du mir an keinem stehenbleibst! Noch hast du nicht das Recht dazu! Ab.

Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 366-367.
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