Erste Szene

[198] Hagen, Gunther, Volker, Dankwart und Knechte treten auf.


HAGEN.

Dies ist der Ort. Den Brunnen hört ihr rauschen,

Die Büsche decken ihn. Und steh ich hier,

So spieß ich jeden, der sich bückt und trinkt,

An das Gemäuer.

GUNTHER.

Noch befahl ichs nicht.

HAGEN.

Du wirst es tun, wenn du dich recht bedenkst,

Es gibt kein andres Mittel, und es kommt

Kein zweiter Tag, wie dieser. Darum sprich,

Und wenn du lieber willst, so schweig!


Zu den Knechten.


Holla!

Hier ist die Rast!


Die Knechte ordnen ein Mahl.


GUNTHER.

Du warst ihm immer gram.[198]

HAGEN.

Nicht leugnen will ichs, daß ich meinen Arm

Mit Freuden leihe und mit einem jeden

Erst kämpfen würde, der sich zwischen mich

Und ihn zu drängen suchte, doch ich halte

Die Tat darum nicht minder für gerecht.

GUNTHER.

Und dennoch rieten meine Brüder ab

Und wandten uns den Rücken.

HAGEN.

Hatten sie

Zugleich den Mut, zu warnen und zu hindern?

Sie fühlens wohl, daß wir im Rechte sind,

Und schaudern nur, wie's ihrer Jugend ziemt,

Vor Blut, das nicht im offnen Kampfe fließt.

GUNTHER.

Das ists!

HAGEN.

Er hat den Tod ja abgekauft

Und so den Mord geadelt.


Zu den Knechten.


Stoßt ins Horn,

Daß man sich sammelt, denn wir müssen ja

Erst essen.


Es wird geblasen.


Nimm die Dinge, wie sie stehn,

Und laß mich machen. Fühlst du selbst dich nicht

Gekränkt und willst vergeben, was geschehn,

So tus, nur wehre deinem Diener nicht,

Dein Heldenweib zu rächen und zu retten!

Sie wird den Eid nicht brechen, den sie schwur,

Wenn ihre stille Zuversicht auf uns

Sie täuscht, daß wir ihn lösen werden,

Und alle Lust des Lebens, die sich wieder

In ihren jungen Adern regen mag,

Sobald die Todesstunde sie umschattet,

Wird sich nur noch in einem Fluch entladen,

In einem letzten Fluche über dich!

GUNTHER.

Es ist noch Zeit![199]


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 198-200.
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