Auflösung des dritten und vierten Rechnungsexempels

[76] Ich werde wohl zu spät kommen, und alle, welche sich um das erste Rechnungsexempel bekümmerten, werden's heraus haben, daß Hans 7 Schafe hatte. Fritz aber hatte 5. Wenn nun der letztere dem ersten eins von den seinen gab, so hatte Fritz noch 4, Hans aber hatte 8; folglich noch einmal soviel. Gibt aber der erste dem letzten eins, so behält Hans noch 6 und Fritz bekommt 6. Und also lautete die Aufgabe.

So ein Schaf hin oder her zu gehen, wenn man selber nur 5 oder 7 Stücke hat, ist nun freilich keine Kleinigkeit. Sonst aber und wo es angeht, ist es immer besser, gute Freunde halten's miteinander so, daß die Teile gleich werden, als daß einer viel hat und der andere wenig. Denn Mehrhaben macht leicht übermütig und gewalttätig, und Wenighaben macht mißgünstig; und wo einmal Obermut und Mißgunst sich einnisten, da hat es mit der guten Freundschaft bald ein Ende. Das muß der verständige Vater wohl überlegt haben, der im zweiten Exempel sein Vermögen unter seine 7 Kinder verteilte. Denn wer es ausgerechnet und keinen Fehler dabei begangen hat, der wird bald gefunden haben, daß jedes Kind 700 Gulden bekommen habe, keinen Kreuzer mehr und keinen minder.

Wenn alle Eltern so vernünftig wären, und ihren Kindern, die gleiche Liebe verdienen, gleiche Liebe bewiesen, wieviel Unfrieden und Unheil könnte dadurch verhütet werden, und wie manches Stündlein könnten die Herren Advokaten doch auch ein wenig spazieren gehen und frische Luft schöpfen.

[1806][76]

Quelle:
Johann Peter Hebel: Poetische Werke. München 1961, S. 76-77.
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