Waldgegend

[542] Man hört in der Nähe Waffengerassel und Kampfruf.

Pedrillo kommt ängstlich und händeringend gelaufen.


PEDRILLO.

O weh! die hübsche Hochzeit ist verdorben!

O weh! die hübschen, seidnen Hochzeitkleider,

Die werden jetzt zerhauen und zerfetzt,

Und blutig obendrein, und statt des Weines

Fließt Blut! Ich lief nicht fort aus Feigheit, nein,

Beim Kampfe wollt ich niemand in dem Weg stehn.

Sie werden fertig ohne mich. Schon sind

Die Feinde aus dem Saal zurückgedrängt –

Und sieh! –


Nach der Seite gewendet. –


Schon vor dem Schlosse kämpfen sie.

Sieh dort! O weh! der säbelt lustig drein!

Mir wär's nicht lieb, wenn solch ein krummes Ding

Mir flink und zierlich durchs Gesicht spazierte.

Dem dorten ist die Nase abgehaun,

Und unserm armen, dicken Ritter Sancho

Hat man den fetten Schmerbauch aufgeschlitzt.

Doch sieh! wer ist der rote Ritter? Seltsam!

Er trägt den span'schen Mantel und gehört

Zur maurischen Partei – O Allah! Jesus! –


Weint.


Ach, unsre arme, freundliche Zuleima!

Dem roten Ritter liegt sie auf der Schulter,

Es hält sie fest mit seinem linken Arm,

Und mit der rechten Hand schwingt er den Säbel,

Und haut, wie 'n Rasender – er ist verwundet –[543]

Er sinkt – Nein! nein! er wankte nur – Er steht,

Er kämpft – er flieht –

O weh! wo soll ich hin,

Auch hier muß ich den Leuten aus dem Weg gehn.


Eilt fort.

Almansor wankt ermattet vorüber. Er trägt auf dem Arm die ohnmächtige Zuleima, schleppt sein Schwert nach sich und lallt: »Zuleima! Mahomet!« Kämpfende Mauren und Spanier treten auf. Die Mauren werden weitergedrängt. Hassan und Aly kommen fechtend. Wildes Gefecht zwischen beiden. Hassan wird verwundet. Don Enrique, Diego und spanische Ritter treten auf.


HASSAN niedersinkend.

Ha! ha! die Christenschlange hat gestochen!

Und just ins Herz hinein – O schläfst du, Allah?

Nein, Allah ist gerecht, und was er tut,

Ist wohlgetan – Vergißt du meiner? – Nein,

Nur Menschen sind vergeßlicher Natur –

Vergessen ihren Gott, und ihren Freund,

Und ihres Freundes besten Knecht – Sag, Aly,

Kennst du den Hassan noch, den Knecht Abdullahs?

Abdullah –

ALY in Zorn ausbrechend.

Abdullah ist der Name jenes

Verräterischen Buben; jenes feigen,

Blutdürst'gen Bösewichts, der meinen Sohn,

Den teuern Sohn Almansor, mir gemordet!

Abdullah heißt Almansors Meuchelmörder –

HASSAN sterbend.

Abdullah ist kein Bösewicht, kein Bube,

Abdullah ist Almansors Mörder nicht!

Almansor lebt – lebt – lebt – ist hier – es ist

Der rote Ritter, der Zuleima raubt' –

Dort, dort –[544]

ALY.

Mein Sohn Almansor lebt? es ist

Der rote Ritter, der Zuleima raubt'?

HASSAN.

Ja, ja, fest hält er, was er einmal hat –

Du lügst, Abdullah war kein Meuchelmörder,

Und war kein Bösewicht, und war kein Christ –

Laß mich in Ruh' – Es kommen schon die Mädchen,

Mit schwarzen Augen, schöne Huris kommen –


Selig lächelnd.


Die jungen Mädchen und der alte Hassan!


Er stirbt.


ALY.

O Gott, ich danke dir! Mein Sohn, er lebt!

O Gott, das ist ein Zeichen deiner Gnade!

Mein Sohn, er lebt! Kommt, Freunde, laßt uns jetzt

Verfolgen seine Spur. Er ist uns nah,

Und hat als Beute schon davongetragen

Die holde Braut, die ich ihm einst erkor.


Alle gehen ab, bis auf Don Enrique und Don Diego, die sich lange schweigend ansehen.


DON ENRIQUE weinerlich.

Und nun? Nun, Don Diego?

DON DIEGO ihn nachäffend.

Und nun, Don

Enrique del Puente del Sahurro?

DON ENRIQUE.

Was wollen wir jetzt tun?

DON DIEGO.

Wir? wir? Nein, Señor,

Wir beide sind geschiedne Leute jetzt.

Ihr habt kein Glück. Das kostet mir zweihundert

Dukaten. Geld ist fort. Die Müh' verloren.


[545] Ärgerlich lachend.


Ich plage mich von Jugend auf mit Kniffen

Und Pfiffen, denke mir die Haare grau;

Auf krummen Pfaden schleiche ich im Wald,

Daß mir der Dornbusch Rock und Fleisch zerreißt;

Durch steile Felsen wind ich mich, und springe

Von Spitz' zu Spitz', daß, wenn ich niederfiele,

Die Raben meinen Kopf als ein Ragout

Verspeisen würden – dennoch bleib ich arm!

Ich bleibe arm, wie eine Kirchmaus arm!

Derweil mein Schulkam'rad, der blöde Dummkopf,

Der immer, recht schnurgrade und behaglich,

Auf seiner breiten Landstraß' schlendert,

Noch immer seinen Ochsengang fortschlendert,

Und ein geehrter, dicker, reicher Mann ist.

Nein, ich bin's müde, Señor; lebet wohl! –


Geht ab.


DON ENRIQUE steht lange sinnend.

Ob Don Gonzalvo mir nichts borgen wird? –


Geht ab.


Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 21972, S. 542-546.
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