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[88] Großer Saal in einer gotischen Ritterburg. Bediente in buntscheckigen Wappenröcken sind beschäftigt mit Vorbereitungen zu einem Balle. Links eine Estrade, wo Musiker zu sehen, die ihre Instrumente probieren. Rechts ein hoher Lehnsessel, worauf der Ritter sitzt, brütend und melancholisch. Neben ihm stehen seine Gattin im enganliegenden, spitzkrägigen Châtelaine-Kostüm und sein Schalksnarr mit Narrenkappe und Pritsche; sie bemühen sich beide vergeblich, den Ritter aufzuheitern durch ihre Tänze. Die Châtelaine drückt durch ehrsam gemessene Pas ihre eheliche Zärtlichkeit aus und gerät fast in Sentimentalität; der Narr scheint dieselbe übertreibend zu parodieren und macht die barocksten Sprünge. Die Musikanten präludieren ebenfalls allerlei Zerrmelodien. Draußen Trompetenstöße, und bald erscheinen die Ballgäste, Ritter und Fräulein, ziemlich steife, bunte Figuren, im überladensten Mittelalterputz; die Männer kriegerisch roh und blöde, die Frauen affektiert sittsam und zimperlich. Bei ihrem Eintritt erhebt sich der Burgherr, der Ritter, und es gibt die zeremoniösesten Verbeugungen und Knickse. Der Ritter und seine Gemahlin eröffnen den Ball. Gravitätisch germanischer Walzer. Es erscheinen der Kanzler und seine Schreiber in schwarzer Amtstracht, die Brust beladen mit goldnen Ketten und brennende Wachskerzen in der Hand; sie tanzen den bekannten Fackeltanz, während der Narr aufs Orchester hinaufspringt und dasselbe dirigiert; er schlägt verhöhnend den Takt. Wieder hört man draußen Trompetenstöße.
Ein Diener kündigt an, daß unbekannte Masken Einlaß begehren. Der Ritter winkt Erlaubnis; es öffnet sich im Hintergrunde die Pforte, und herein treten drei Züge vermummter Gestalten, worunter einige in ihren Händen musikalische Instrumente tragen. Der Führer des ersten Zuges spielt auf einer Leier. Diese Töne scheinen in dem Ritter süße Erinnerungen zu erregen, und alle Zuhörer horchen verwundert – Während der erste Zugführer auf der Leier spielt, umtanzt ihn feierlich sein[88] Gefolge. Aus dem zweiten Zuge treten einige hervor mit Zimbel und Handpauke – Bei diesen Tönen scheinen den Ritter die Gefühle der höchsten Wonne zu durchschauern; er entreißt einer der Masken die Handpauke und spielt selbst und tanzt dabei, gleichsam ergänzend, die rasend lustigsten Tänze. – Mit ebenso wildem, ausschweifendem Jubel umspringen ihn die Gestalten des zweiten Zugs, welche Thyrsusstäbe in den Händen tragen. Noch größere Verwunderung ergreift die Ritter und Damen, und gar die Hausfrau weiß sich vor züchtigem Erstaunen nicht zu fassen. Nur der Narr, welcher vom Orchester herabspringt, gibt seinen behaglichsten Beifall zu erkennen und macht wollüstige Kapriolen. Plötzlich aber tritt die Maske, welche den dritten Zug anführt, vor den Ritter und befiehlt ihm, mit gebieterischer Gebärde, ihr zu folgen. Entsetzt und empört schreitet die Hausfrau auf jene Maske los und scheint sie zu fragen, wer sie sei. Jene aber tritt ihr stolz entgegen, wirft die Larve und den vermummenden Mantel von sich und zeigt sich als Diana im bekannten Jagdkostüme. Auch die andern Masken entlarven sich und werfen die verhüllenden Mäntel von sich: es sind Apollo und die Musen, welche den ersten Zug bilden, den zweiten bilden Bacchus und seine Genossen, der dritte besteht aus Diana und ihren Nymphen. Bei dem Anblick der enthüllten Göttin stürzt der Ritter flehend zu ihren Füßen, und er scheint sie zu beschwören, ihn nicht wieder zu verlassen. Auch der Narr stürzt ihr entzückt zu Füßen und beschwört sie, ihn mitzunehmen. Diana gebietet allgemeine Stille, tanzt ihren göttlich edelsten Tanz und gibt dem Ritter durch Gebärden zu erkennen, daß sie nach dem Venusberge fahre, wo er sie später wiederfinden könne. Die Burgfrau läßt endlich in den tollsten Sprüngen ihrem Zorn und ihrer Entrüstung freien Lauf, und wir sehen ein Pas de deux, wo griechisch heidnische Götterlust mit der germanisch spiritualistischen Haustugend einen Zweikampf tanzt.
Diana, des Streites satt, wirft der ganzen Versammlung verachtende Blicke zu, und nebst ihren Begleitern entfernt sie sich endlich durch die Mittelpforte. Der Ritter will ihnen verzweiflungsvoll[89] folgen, wird aber von seiner Gattin, ihren Zofen und seiner übrigen Dienerschaft zurückgehalten – Draußen bacchantische Jubelmusik, im Saale aber dreht sich wieder der unterbrochene steife Fackeltanz.
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Die Göttin Diana
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