9. Aljama
Spanisch

[329] S. hist. de las guerr. Civil. p. 463. und Cancionero de Romances p. –


Durch die Stadt Granada ziehet

Traurig hin der Mohren König,

Dorther von Elvira's Pforte,

Bis zum Thor der Binarambla,

»Weh um mein Aljama!«


Briefe waren ihm gekommen

Sein Aljama sey verlohren:

Warf die Briefe an den Boden,

Tödtet' ihn, der sie ihm brachte.

»Weh um mein Aljama!«


Stieg hinab von seinem Maulthier,

Stieg hinauf sein Roß und ritte

Zum Alhambra, ließ trommeten,

Ließ die Silberzinken tönen.

»Weh um mein Aljama!«


Daß es alle Mohren hörten

Auf der Vega von Granada.

Alle Mohren, die es hörten,

Sammlen sich zu hellen Haufen:[329]

Denn die Kriegstrommete tönet,

Denn sie ruft zum blutgen Streite.

»Weh um mein Aljama!«


Und versammlet, sprach ein Alter,

König, du hast uns gerufen,

Wozu hast du uns gerufen?

Denn es war der Schall zum Kriege.

»Nun so wissets denn, ihr Freunde,

Mein Aljama ist verlohren!

Weh um mein Aljama!«


Da begann der Oberpriester,

Greis mit langem weissen Barte:

»Recht geschiehets dir, o König,

Und verdienest ärger Schicksal.

Hast ermordt die Bencerajen,

Sie die Blüthe von Granada:

Hast die Fremden abgewiesen

Aus der reichen Stadt Cordova

Drum wie jetzo dein Aljama

Wirst du bald dein Reich verliehren: –«

»Weh um mein Aljama!«




Zweiter Theil

»Mohr Alcaide, Mohr Alcaide!

Alter mit dem grauen Barte,

Königs Wort ist, dich zu binden,

Denn du übergabst Aljama.


Und dein Haupt dir abzuschlagen,

Es zu stecken auf Alhambra,

Daß erzittre, wer es sehe:

Denn du übergabst Aljama.«
[330]

Unverändert sprach der Alte:

»Ritter und ihr Edeln alle,

Saget meinethalb dem König,

Daß ich nicht an Pflicht gefehlet.


Ich war fern in Antiquera,

War da, mit des Königs Willen.

Ich erbat mir vierzehn Tage,

Und der König gab mir dreißig.


Daß Aljama ist verlohren,

Kränkt mich tief in meiner Seele.

Hat der König Land verlohren,

So verlor ich Ehr und Namen,

So verlor ich Weib und Kinder,

So verlor ich meine Tochter.


Sie die Blüthe von Granada

Ist von Christen mir geraubet

Hunderte bot ich Dublonen

Sie verachten alle hundert.


Gaben mir die böse Antwort:

Meine Tochter sey schon Christin,

Meine liebliche Fatima

Sey Maria von Aljama.«

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Stimmen der Völker in Liedern. Stuttgart 1975, S. 329-331.
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