18. Bettlerlied
Schottisch

[346] Reliq. ot anc. Poetry Vol. 2. p. 51. Von König James 5. in Schottland.


Der lustge Paul über Feld allhier

Kam manchen Tag und Abend zu mir,

Sprach: gute Frau, gebt doch Quartier

Einem armen Bettelmann!

Die Nacht war kalt, der Mann war naß;

Zu uns er nieder ans Feuer saß,

Meiner Tochter Schulter er freundlich maß

War lustig, erzählt' und sang.
[346]

Und o sprach er: »wär ich noch so frei,

Als einst ich kam der Gegend bei,

Wie lustig und frölich wollt ich seyn,

Mich nicht bedenken lang!«

Und er that lieb und sie that schön;

Doch wenig konnt Mama verstehn,

Was mit einander die Zwei begehn,

Und thäten so eng und drang?


»Und o, sprach er, wärst schwarz und wüst,

Wie dort der Hut dein's Pappa's ist,

Ich nähm' dich auf 'n Rücken, wie du bist,

Und ging' mit dir davon!«

»Und o sprach sie, wär ich weiß und schön,

Wie Schnee, gefallen von Himmelshöhn,

Eine Edelfrau, in Kleidern schön;

Ich ginge mit dir davon.«


Und so die Zwei kamen überein

Sie stunden auf, eh der Hahn thät schrein;

Sie schlossen die Thür, so sacht und fein,

Und gingen Feld hinan.

Frühmorgen das alte Weib stand auf

Zog an sich lang und trappelt drauf

Zu Dienstvolks Betten und tappt hinauf,

Tappt nach dem Bettelmann.


Und als sie kam vors Bettlers Bett,

Die Streu war kalt, der Bettler weg,

»O weh, wenn der bestohlen uns hätt!«

Und rang die Händ' und schrie.

Zu Kisten und Kasten ein jedes rannt;

Doch alles stand in gutem Stand.

»Jughei!« sie tanzt auf eigne Hand:

»Ein'n Schelm herberg' ich nie.«


Und als nun nichts gemangelt hätt,

Und alles stand an Ort und Stät':[347]

»Lauft, sprach sie, zu meiner Tochter Bett;

Laßt flugs sie kommen heran!«

Die Magd, sie lief zu der Jungfer Bett;

Das Bett war kalt, die Jungfer weg:

»O weh, wenn der gestohlen sie hätt'!

Ist fort mit dem Bettelmann.«


»O Pfui denn reitet, o Pfui denn rennt!

Und greift sie, was ihr greifen könnt,

Und ihn hängt auf, und sie verbrennt! –

Der Schelm vom Bettelmann!«

Sie ritten zu Pferd, sie rannten zu Fuß

Das Weib war aus sich vor Verdruß

Konnt regen weder Hand noch Fuß

Und flucht' ihm Fluch und Bann.


Als mittlerweil' über Feld alldar,

Die Zwei, sie sassen lieblich gar

Im Thal, wo keiner sie ward gewahr,

Und schnitten ein'n Käs' sich an

Der Käs' er schmeckt, er schmeckt ihn'n beid

Sie nimmer zu lassen, thät er ihr Eid:

»Dich je zu lassen wär Herzeleid

Mein lieber Bettelmann.«


O wüst' meine Mutter, ich wär mit dir

Wie hustet' sie und fluchte dir:

»Nun geb ich nimmer auch mehr Quartier

Einem Schelm von Bettelmann.«

»Mein Lieb, sprach er, bist aber jung

Und kannst nicht reden die Bettlerzung

Ist mir zu folgen dir gut genung?

Einen armen Bettelmann.«


Mit Spinnen und Weben schaff' ich Brod

Mit Spinnen und Weben hats nimmer Noth

Durchs liebe Leben, bis in den Tod

Meinen Bettler führ' ich. O![348]

Und zieh den Fuß und knick mein Knie

Und bind ein Tuch übers Auge hie

Da sprechen sie: ach! die Arme – die

Und wir leben fröhlich – O!83

83

Es ist leicht zu dencken, daß dies Stück nicht der Moral, sondern seines lustigen Tons wegen hier eingerückt worden; an der ersten müß es der Schottischen Majestät, die es gemacht haben soll, nicht eben gelegen gewesen seyn. Wem daran liegt, mache einen zweiten Theil, wo er das fröhliche Paar in Noth kommen, zur Mutler zurückkehren, erkannt werden läßt und wie ers ferner für gut finden möchte. Hier sollte nur gegeben werden, was da ist.

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Stimmen der Völker in Liedern. Stuttgart 1975, S. 346-349.
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