Der Baum

[490] Sonne hat ihn gesotten,

Wind hat ihn dürr gemacht,

Kein Baum wollte ihn haben,

Überall fiel er ab.


Nur eine Eberesche

Mit roten Beeren bespickt

Wie mit feurigen Zungen,

Hat ihm Obdach gegeben.


Und da hing er mit Schweben,

Seine Füße lagen im Gras.

Die Abendsonne fuhr blutig

Durch die Rippen ihm naß,


Schlug die Ölwälder alle

Über der Landschaft herauf,

Gott in dem weißen Kleide

Tat in den Wolken sich auf.


In den blumigen Gründen

Ringelte Schlangengezücht,

In den silbernen Hälsen

Zwitscherte dünnes Gerücht.


Und sie zitterten alle

Über dem Blätterreich,

Hörend die Hände des Vaters

Im hellen Geäder leicht.
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Quelle:
Georg Heym: Dichtungen und Schriften. Band 1, Hamburg, München 1960 ff., S. 490-492.
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