[441] GNEISENAU allein, in den Brief blickend.
Warum nur dieses Blatt in meiner Hand
Mir doch zu denken giebt! Als wüßt' ich nicht:
Die Thür, durch die ich nur gebückten Haupts
Mich retten kann, darf mir kein Ausweg heißen.
Und hab' ich andrerseits nicht klar erkannt,[441]
Daß auch der Trieb, vom Elend dieser Zeit
Verzweifelnd mich hinwegzuwenden, nicht
Mich vorschnell in ein jähes Ende lockt,
Nur das Bewußtsein, keine Rettung sei,
Als wenn ein Jeder Alles setzt an Alles?
Und dennoch bin ich uneins in mir selbst
Und frage zweifelnd: ist, was dieser Brust
Gesetz und Inhalt giebt, die Pflicht für Alle?
Darf ich die Treuen, die mir anvertraut,
Die ich mit stärkern Banden an das Leben
Gefesselt sehe, darf ich, wie ich kann,
Sie überredend fortzureißen suchen?
Leicht in des Augenblicks erhabnem Drang
Wächs't auch der Schwache über sich hinaus.
Doch nur die freie That bringt reine Frucht,
Und nicht im Rausch gewonnen will ich sie
An meine Ferse ketten. Sei es denn:
Sie sollen selbst entscheiden!
Noch ein Wort
An meine Lieben.
Setzt sich und schreibt.
»Mein geliebtes Weib!
Ich löse mein Gelübde, auf den Trümmern
Colberg's, den Degen in der Faust, zu fallen.
Daß ich so freudig scheiden kann, das dank' ich
Nur dir allein und deiner starken Seele.
Denn unsre Kinder wirst nun du statt meiner
Früh lehren, daß sie nicht sich selbst gehören,
Nein, ihren Pflichten und dem Vaterland.
Grüß mir –«
Ausgewählte Ausgaben von
Colberg
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