Literarische Liebenswürdigkeiten

[51] Judenjungen, deren Bildung im Schweinefleischessen besteht, spreitzen sich auf den kritischen Richterstühlen, und erheben nicht nur Armseeligkeitskrämer zu den Sternen, sondern injuriiren sogar ehrenwerthe Männer mit ihren Lobsprüchen, – Reimschmiede, die so dumm sind, dass jedesmal, wenn ein Blatt von ihnen ins Publikum kommt, die Esel im Preise aufschlagen, heissen ausgezeichnete Dichter, – Schauspieler, die so langweilig sind, dass natürlich alles vor Freuden klatscht, wenn sie endlich einmal abgehn, heissen denkende Künstler, – Vetteln, deren Stimmen so scharf sind, dass man ein Stück Brod damit abschneiden könnte, titulirt man ächt dramatische Sängerinnen! – Die Muse der Tragödie ist zur Gassenhure geworden, denn jeder deutsche Schlingel nothzüchtigt sie und zeugt mit ihr fünfbeinige Mondkälber, welche so abscheulich sind, dass ich den Hund bedaure, der sie anpisst! Die Wörter: »genial, sinnig, gemüthlich, trefflich« werden so ungeheuer gemissbraucht, dass ich schon die Zeit sehe, wo man, um einen entsprungenen, über jeden Begriff erbärmlichen Zuchthauskandidaten vor dem ganzen Lande auf das unauslöschlichste zu infamiren, an den Galgen schlägt: N.N. ist sinnig, gemüthlich, trefflich und genial! – O, stände doch endlich ein gewaltiger Genius auf, der, mit göttlicher Stärke von Haupt zu Fuss gepanzert, sich des deutschen Parnasses annähme und das Gesindel in die Sümpfe zurücktriebe, aus welchen es hervorgekrochen ist!

Christian Dietrich Grabbe[52]

Quelle:
Arno Holz: Buch der Zeit. Berlin 21892, S. 51-53.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Buch der Zeit
Schönes, grünes, weiches Gras /Trawa zielona, mieekka, cudna: Gedichte aus
Buch Der Zeit: Lieder Eines Modernen (German Edition)