[113] Athene und Apollon, die Schlacht zu enden, heißen Hektor den tapfersten Achaier zum Zweikampf fordern. Unter neun Fürsten trifft das Los den Ajas, Telamons Sohn. Die Nacht trennt die Kämpfer. Nestor in Agamemnons Gezelt rät Stillstand, um die Toten zu verbrennen, und Verschanzung des Lagers. Antenor in Ilios rät, die Helena zurückzugeben, welches Paris verwirft. Am Morgen läßt Priamos die Achaier um Stillstand bitten. Bestattung der Toten. Verschanzung des Lagers und Poseidons Unwille. In der Nacht unglückliche Zeichen von Zeus.
Dieses gesagt, durcheilte das Tor der strahlende Hektor,
Auch Alexandros, der Bruder, enteilete; aber ihr Herz war
Beiden entbrannt, zu kämpfen den tapferen Kampf der Entscheidung.
Wie wenn ein Gott den Schiffern nach sehnlichem Harren den Fahrwind
Sendet, nachdem arbeitend mit schöngeglätteten Rudern
Lange das Meer sie geregt und müd hinsanken die Glieder:
Also erschienen sie dort den sehnlich harrenden Troern.
Jeder entrafft': er nun den Menesthios, jenes Beherrschers
Areithoos' Sohn, den der Keulenschwinger in Arne
Areithoos zeugt' und die herrliche Philomedusa.[113]
Aber Hektor durchschoß dem Eioneus unter des Helmes
Ehernem Rand mit dem Speere den Hals und löst' ihm die Glieder.
Glaukos, Hippolochos' Sohn, der lykischen Männer Gebieter,
Traf den Iphinoos jetzt im Sturme der Schlacht mit dem Wurfspieß,
Dexias' Sohn, da das schnelle Gespann er bestieg, in die Schulter,
Und er entsank vom Wagen zur Erd; ihm erschlafften die Glieder.
Doch als jene bemerkt' die Herrscherin Pallas Athene
Argos' Volk hinraffend im Ungestüme der Feldschlacht,
Stürmenden Schwungs entflog sie den Felsenhöhn des Olympos
Hin zu Ilios' Stadt. Entgegen ihr eilet' Apollon,
Schauend von Pergamos' Zinne, den Troern gönnend den Siegsruhm.
Jetzt begegneten sich die Unsterblichen dort an der Buche,
Und zur Athene begann Zeus' Sohn, der Herrscher Apollon:
Warum so voller Begier, o Zeus' des Allmächtigen Tochter,
Kamst du anjetzt vom Olympos? Wie, treibt dich der heftige Eifer,
Daß du vielleicht den Achaiern der Schlacht abwechselnden Sieg nun
Gebest? Denn nicht der Troer, der fallenden, jammert dich jemals!
Aber gehorchtest du mir, was weit zuträglicher wäre,
Jetzt dann ließen wir ruhn den feindlichen Kampf der Entscheidung
Heut; doch künftig erneu'n sie die Feldschlacht, bis sie das Schicksal
Ilios' endlich erreicht, dieweil es also im Herzen
Euch Göttinnen gefällt, die hohe Stadt zu verwüsten.
Drauf antwortete Zeus' blauäugige Tochter Athene:
Also sei's, Ferntreffer; denn dies auch selber gedenkend,
Kam ich anjetzt vom Olympos zu Troern herab und Achaiern.
Aber wohlan, wie strebst du den Kampf der Männer zu stillen?
Ihr antwortete drauf Zeus' Sohn, der Herrscher Apollon:
Hektor erhöhn wir den Mut, dem gewaltigen Rossebezähmer,
Ob er einzeln vielleicht der Danaer einen hervorruft,
Gegen ihn anzukämpfen in schreckenvoller Entscheidung,
Und ob dann unwillig die erzumschienten Achaier
Einen allein hersenden zum Kampf mit dem göttlichen Hektor.
Jener sprach's, ihm gehorchte die Herrscherin Pallas Athene.
Helenos aber vernahm, des Priamos Sohn, in der Seele
Jenen Rat, der beider Unsterblichen Sinne gefallen;
Eilend trat er zu Hektor hinan und redete also:
Hektor, Priamos' Sohn, an Ratschluß gleich dem Kronion,[114]
Willst du jetzt mir gehorchen? Dein liebender Bruder ja bin ich.
Heiße die anderen ruhn, die Troer umher und Achaier;
Selbst dann rufe hervor den tapfersten aller Achaier,
Gegen dich anzukämpfen in schreckenvoller Entscheidung;
Denn noch nicht dir fällt es, den Tod und das Schicksal zu dulden.
Also vernahm ich die Stimme der ewigwährenden Götter.
Jener sprach's; doch Hektor erfreute sich hoch ob der Rede,
Trat dann hervor in die Mitt und hemmte die troischen Haufen,
Haltend die Mitte des Speers; und still nun standen sie alle.
Auch Agamemnon setzte die hellumschienten Achaier.
Aber Pallas Athen' und der Gott des silbernen Bogens
Setzten sich beid, an Gestalt wie zween hochfliegende Geier,
Auf die erhabene Buche des ägiserschütternden Vaters,
Froh, die Männer zu schaun; und die Ordnungen saßen gedrängt nun,
Dicht von Schilden und Helmen und ragenden Lanzen umstarret.
So wie unter dem West hinschauert ins Meer ein Gekräusel,
Wann er zuerst andrängt und dunkler die Flut sich erhebet,
Also saßen geschart die Achaier umher und die Troer
Durch das Gefild, und Hektor begann in der Mitte der Völker:
Hört mein Wort, ihr Troer und hellumschiente Achaier,
Daß ich rede, wie mir das Herz im Busen gebietet.
Unseren Bund hat Zeus der Erhabene nicht vollendet,
Sondern bösen Entschluß verhänget er beiderlei Völkern,
Bis entweder ihr selbst einnehmt die getürmete Troja
Oder vor uns ihr erliegt bei den meerdurchwandelnden Schiffen.
Euch ja sind im Heere die tapfersten Helden Achaias.
Wem nun solcher das Herz mit mir zu kämpfen gebietet,
Hieher tret er hervor, mit dem göttlichen Hektor zum Vorkampf!
Also beding ich das Wort, und Zeug uns werde Kronion.
Wenn mich jener erlegt mit ragender Spitze des Erzes,
Trag er den Raub des Geschmeides hinab zu den räumigen Schiffen;
Aber den Leib entsend er gen Ilios, daß in der Heimat
Trojas Männer und Fraun des Feuers Ehre mir geben.
Wenn ich jenen erleg und Ruhm mir gewähret Apollon,
Trag ich den Raub des Geschmeides in Ilios' heilige Feste,
Daß ich ihn häng an den Tempel des treffenden Phöbos Apollon;
Doch der Erschlagene kehrt zu den schöngebordeten Schiffen,[115]
Daß mit Pracht ihn bestatten die hauptumlockten Achaier
Und ihm ein Grab aufschütten am breiten Hellespontos.
Künftig sagt dann einer der spätgeborenen Menschen,
Im vielrudrigen Schiffe zum dunkelen Meer hinsteuernd:
Seht das ragende Grab des längst gestorbenen Mannes,
Der einst tapfer im Streit hinsank dem göttlichen Hektor!
Also spricht er hinfort, und mein ist ewiger Nachruhm.
Jener sprach's; doch alle verstummten umher und schwiegen;
Schimpflich war's zu weigern und anzunehmen gefahrvoll.
Endlich stand Menelaos empor und redete also,
Strafend mit herbem Verweis, und schwer erseufzt' er im Herzen:
Weh mir, drohende Prahler, Achairinnen, nicht mehr Achaier!
Traun, doch Schmach ist solches und unauslöschliche Schande,
Wenn kein Danaer nun dem Hektor wagt zu begegnen!
Aber o mögt ihr all in Wasser und Erd euch verwandeln,
Wie ihr umher dasitzet, so herzlos jeder und ruhmlos!
Selber dann gürt ich jenem zum Kampfe mich! Oben im Himmel
Hangen des Siegs Ausgäng' an der Hand der unsterblichen Götter!
Jener sprach's und hüllte das stattliche Waffengeschmeid um.
Jetzo war, Menelaos, des Lebens Ziel dir genahet
Unter Hektors Händen, der weit an Kraft dich besiegte,
Hätten dich nicht auffahrend gehemmt die König' Achaias.
Selbst auch Atreus' Sohn, der Völkerfürst Agamemnon,
Faßt' ihm die rechte Hand und redete, also beginnend:
Nimm doch Bedacht, Menelaos, du Göttlicher! Wenig bedarfst du
So unbedachtsamer Wut; drum fasse dich, herzlich betrübt zwar,
Und wetteifere nicht, den stärkeren Mann zu bekämpfen,
Hektor, Priamos' Sohn, vor dem auch andere zittern!
Ihm hat Achilleus selbst in der männerehrenden Feldschlacht
Schaudernd stets sich genaht, der doch viel stärker wie du ist.
Du denn setze dich nun, zur Schar der Deinigen wandelnd;
Diesem zum Kampf erhebt sich ein anderer wohl der Achaier.
Mög er auch furchtlos sein, auch unersättlich des Krieges,
Doch wird, mein ich, er froh die ermüdeten Knie beugen,
Wenn er entrinnt dem blutigen Kampf und der ernsten Entscheidung!
Also sprach und wandte des Bruders Herz Agamemnon,
Denn sein Wort war gerecht; er gehorcht' ihm, und die Genossen[116]
Zogen ihm freudig nunmehr den Waffenschmuck von den Schultern.
Aber Nestor erhub sich in Argos' Volk und begann so:
Wehe, wie großes Leid dem achaiischen Lande herannaht!
Weinen ja würde vor Schmerz der graue reisige Peleus,
Rühmlich die Myrmidonen mit Rat und Rede beherrschend;
Der einst herzlich erfreut mich fragt' in seinem Palaste,
Rings nach aller Argeier Geschlecht und Zeugungen forschend!
Hört' er nun, wie sie alle sich scheu hinschmiegen vor Hektor,
Flehend würd er die Händ empor zu den Himmlischen heben,
Daß aus den Gliedern der Geist einging' in Aides' Wohnung!
Wenn ich, o Vater Zeus und Pallas Athen' und Apollon,
Grünete so wie einst, da an Keladons reißendem Strome
Kämpfte der Pylier Heer mir Arkadiens Lanzengeübten,
Hart an Pheias Mauern, wo schnell der Jardanos hinströmt!
Vorn war jenen im Kampf Ereuthalion, ähnlich den Göttern,
Hell um die Schultern geschmückt mit des Areithoos Rüstung,
Jenes erhabenen Helden, der Keulenschwinger mit Namen
Rings von Männern genannt und schöngegürteten Weibern;
Denn nie trug er Bogen noch ragende Lanz in der Feldschlacht,
Sondern trennte die Reihn mit dem Schwung der eisernen Keule.
Diesen erschlug Lykurgos durch Arglist, nicht durch Gewalt ihn,
Lauernd im engen Wege, wo nichts ihm die eiserne Keule
Frommete gegen den Tod; denn zuvor ihm rannte Lykurgos
Mitten die Lanz in den Leib, daß zurück auf den Boden er hinsank.
Und er entblößt' ihn der Wehr, die geschenkt der eherne Ares;
Diese trug er selber hinfort im Getümmel des Ares.
Aber nachdem Lykurgos daheim im Palaste gealtert,
Übergab er die Wehr Ereuthalion, seinem Genossen,
Der nun trotzend darauf die Tapfersten alle hervorrief.
Doch sie erbebten ihm all und zitterten; keiner bestand ihn.
Mich nur entflammte der Mut voll kühnen Vertrauns zu dem Kampfe,
Unverzagt, doch war an Geburt ich der jüngste von allen.
Und ich kämpft' ihm entgegen, und Ruhm verlieh mir Athene;
Ihn, den größesten nun und gewaltigsten Mann, erschlug ich,
Daß weit ausgestreckt er umherlag hiehin und dorthin.
Wär ich so jugendlich noch und ungeschwächten Vermögens,
Traun, bald fände des Kampfs der helmumflatterte Hektor![117]
Aber von euch ringsher, den tapfersten Helden Achaias,
Keiner auch wagt es getrost, dem Hektor dort zu begegnen!
Also schalt der Greis, da erhuben sich neun in der Heerschar.
Erst vor allen erstand der Herrscher des Volks Agamemnon;
Ihm zunächst der Tydeide, der starke Held Diomedes;
Drauf die Ajas zugleich, mit trotzigem Mute gerüstet,
Dann Idomeneus selbst und. Idomeneus' Kriegsgenoß auch,
Held Meriones, gleich dem männermordenden Ares,
Auch Eurypylos dann, der glänzende Sohn des Euämon,
Thoas auch, der Andrämonid, und der edle Odysseus.
Alle sie waren bereit zum Kampf mit dem göttlichen Hektor.
Doch von neuem begann der gerenische reisige Nestor:
Jetzt durchs Los miteinander entscheidet es, welcher bestimmt sei.
Hoch erfreun wird dieser die hellumschienten Achaier,
Aber er wird auch selbst in seinem Herzen sich freuen,
Wenn er entrinnt dem blutigen Kampf und der ernsten Entscheidung.
Jener sprach's, und ein Los bezeichnete jeder sich selber;
Alle warfen sie dann in den Helm Agamemnons des Königs.
Aber das Volk hub flehend die Händ' empor zu den Göttern;
Also betete mancher, den Blick gen Himmel gewendet:
Vater Zeus, gib Ajas das Los, o gib's dem Tydeiden
Oder ihm selbst, dem König der golddurchstrahlten Mykene.
Also das Volk. Dort schüttelte nun der reisige Nestor,
Und es entsprang dem Helme das Los, das sie selber gewünschet,
Ajas' Los; rings trug es der Herold durch die Versammlung
Rechtshin, allen es zeigend, den edelen Helden Achaias.
Aber nicht erkennend verleugnete solches ein jeder.
Doch wie er jenen erreicht, ringsum die Versammlung durchwandelnd,
Der das bezeichnete warf in den Helm, den strahlenden Ajas,
Hielt er unter die Hand und hinein warf's nahend der Herold;
Schnell erkannt er schauend sein Los und freute sich herzlich,
Warf es dann vor die Füße zur Erd hin, also beginnend:
Wahrlich, mein ist, Freunde, das Los, und ich freue mich selber
Herzlich, dieweil ich hoffe den Sieg vom göttlichen Hektor.
Aber wohlan, indes ich mit Kriegsgerät mich umhülle,
Fleht ihr alle zu Zeus, dem waltenden Sohne des Kronos,
Vor euch selbst in der Stille, daß nicht die Troer es hören,[118]
Oder mit lautem Gebet; denn niemand fürchten wir wahrlich!
Keiner soll durch Gewalt unwillig mit Zwang mich vertreiben,
Noch durch siegende Kunst; denn nicht unkundig des Krieges
Hoff ich in Salamis' Flur geboren zu sein und erzogen!
Jener sprach's, und sie flehten zu Zeus Kronion, dem Herrscher.
Also betete mancher, den Blick gen Himmel gewendet:
Vater Zeus, ruhmwürdig und hehr, du Herrscher vom Ida,
Gib nun Ajas den Sieg, daß glänzenden Ruhm er gewinne!
Aber ist auch Hektor dir wert und waltest du seiner,
Gleich dann schmücke sie beide mit Kraft und Ehre des Sieges!
Also das Volk, und es deckte mit blinkendem Erze sich Ajas.
Aber nachdem er den Leib ringsum in Waffen gehüllet,
Stürmt' er daher; wie Ares der Ungeheure sich nahet,
Der in die Schlacht eingehet zu Männern, welche Kronion
Trieb zum erbitterten Kampfe der geistverzehrenden Zwietracht:
Also erhub sich Ajas, der ragende Hort der Achaier,
Lächelnd mit finsterem Ernste des Antlitzes; und mit den Füßen
Wandelt' er mächtigen Schritts und schwang die erhabene Lanze.
Sein erfreuten sich hoch die Danaer, ringsher schauend;
Aber dem Volk der Troer durchschauderte Schrecken die Glieder.
Selbst dem Hektor begann sein Herz im Busen zu schlagen;
Doch nicht konnt er nunmehr wo zurückfliehn, noch sich verbergen
Unter die Haufen des Volks; denn er forderte selber den Zweikampf.
Ajas nahte heran und trug den türmenden Schild vor,
Ehern und siebenhäutig, den Tychios klug ihm vollendet,
Hochberühmt in des Leders Bereitungen, wohnend in Hyle;
Dieser schuf ihm den regsamen Schild aus sieben Häuten
Feistgenähreter Stier' und umzog zum achten mit Erz sie.
Den nun trug vor der Brust der Telamonier Ajas,
Stellte sich nahe vor Hektor und sprach die drohenden Worte:
Hektor, deutlich nunmehr erkennest du, einer mit einem,
Wie sich im Danaervolk noch andere Helden erheben,
Auch nach Peleus' Sohn, dem zermalmenden, löwenbeherzten!
Jener zwar bei den schnellen, gebogenen Schiffen des Meeres
Ruht nun, zürnend im Geist dem Hirten des Volks Agamemnon,
Aber auch wir sind Männer, mit Freudigkeit dir zu begegnen,
Und noch viel! Wohlauf, und beginne du Kampf und Entscheidung![119]
Ihm antwortete drauf der helmumflatterte Hektor:
Ajas, göttlicher Sohn des Telamon, Völkergebieter,
Denke mich nicht durch Trotz, wie ein schwaches Kind, zu versuchen
Oder ein Weib, das nimmer des Kriegs Arbeiten gelernet!
Wohl sind mir die Kämpfe bekannt und die Schlachten der Männer!
Rechtshin weiß ich zu wenden und links zu wenden den Stierschild,
Dürrer Last, um stets unermüdeter Stärke zu kämpfen;
Weiß zu Fuß ihn zu tanzen, den Tanz des schrecklichen Ares,
Weiß auch rasch im Getümmel die fliegenden Rosse zu lenken!
Aber nicht ereile mein Speer dich, tapferer Krieger,
Heimlich mit lauernder List, nein öffentlich, ob er dich treffe!
Sprach's, und im Schwung entsandt er die weithinschattende Lanze,
Und sie traf dem Ajas den siebenhäutigen Stierschild
Auf das obere Erz, das ihm zum achten umherlag;
Sechs der Schichten durchdrang das spaltende Erz unbezwingbar,
Doch in der siebenten Haut ermattet' es. Wider entsandt ihm
Ajas, der göttliche Held, die weithinschattende Lanze,
Und sie traf dem Hektor den Schild von geründeter Wölbung.
Siehe, den strahlenden Schild durchschmetterte mächtig die Lanze,
Auch in das Kunstgeschmeide des Harnisches drang sie geheftet,
Grad hindurch an der Weiche des Bauchs durchschnitt sie den Leibrock
Stürmend; da wand sich jener und mied das schwarze Verhängnis.
Beide dann zogen heraus die ragenden Speer', und zugleich nun
Rannten sie an, blutgierig, wie raubverschlingende Löwen
Oder wie der Eber des Waldes von nicht unkriegrischer Stärke.
Priamos' Sohn stieß mächtig den Speer auf die Mitte des Schildes,
Doch nicht brach er das Erz; denn rückwärts bog sich die Spitze.
Ajas stach nun den Schild anlaufend ihm; aber hindurch drang
Schmetternd die eherne Lanz und erschütterte jenen im Angriff.
Streifend am Hals hinfuhr sie, und schwarz entspritzte das Blut ihm.
Doch nicht ruhte vom Kampf der helmumflatterte Hektor,
Sondern wich und erhub mit nervichter Rechten den Feldstein,
Der dort lag im Gefilde, den dunkelen, rauhen und großen;
Schwang ihn hin, und dem Ajas den siebenhäutigen Stierschild
Traf er gerad auf den Nabel, daß ringsum dröhnend das Erz scholl.
Wieder erhub nun Ajas den noch viel größeren Feldstein,
Sandt ihn daher umschwingend und strengt' unermeßliche Kraft an.[120]
Einwärts brach er den Schild mit dem mühlsteinähnlichen Felsen
Und verletzt' ihm die Knie, daß rücklings jener dahinsank,
Fest den Schild in der Hand; doch schnell erhub ihn Apollon.
Jetzt auch hätten mit Schwertern in nahem Kampf sie verwundet,
Wenn nicht zween Herolde, die Boten Zeus' und der Männer,
Eilend genaht, von den Troern und erzumschirmten Achaiern,
Dort Idäos und hier Talthybios, beide verständig.
Zwischen die Kämpfenden streckten die Stäbe sie; aber Idäos
Sprach das Wort, der Herold, verständigen Rates erfahren:
Nun nicht mehr, ihr Kinder, des feindlichen Kampfs und Gefechtes!
Beide ja seid ihr geliebt dem Herrscher im Donnergewölk Zeus,
Beid auch tapfere Streiter; das schaueten jetzo wir alle.
Doch nun nahet die Nacht; gut ist's, auch der Nacht zu gehorchen.
Gegen ihn rief antwortend der Telamonier Ajas:
Erst den Hektor ermahnt, Idäos, also zu reden,
Weil er selbst zum Kampfe die Tapfersten alle hervorrief.
Jener beginn, und gerne gehorch ich dir, wenn er zuerst will.
Ihm antwortete drauf der helmumflatterte Hektor:
Ajas, dieweil dir ein Gott die Kraft und die Größe verliehen
Und den Verstand und im Speere der beste du bist der Achaier,
Laß uns jetzt ausruhen vom feindlichen Kampf der Entscheidung,
Heut; doch künftig erneu'n wir die Feldschlacht, bis uns ein Dämon
Trennen wird und geben der Völker einem den Siegsruhm.
Denn nun nahet die Nacht; gut ist's, auch der Nacht zu gehorchen,
Daß du dort bei den Schiffen das Herz der Achaier erfreuest,
Doch vor allem der Freund' und deiner lieben Genossen;
Aber ich selbst, heimkehrend in Priamos' Stadt, des Beherrschers,
Trojas Männer erfreu und saumnachschleppende Weiber,
Welche für mich aufflehend an heiliger Stätte sich sammeln;
Laß uns jetzt auch einander mit rühmlichen Gaben beschenken,
Daß man sage hinfort bei Troern und bei Achaiern:
Seht, sie kämpften den Kampf der geistverzehrenden Zwietracht,
Und dann schieden sie beid in Freundschaft wieder versöhnet.
Jener sprach's und reicht' ihm das Schwert voll silberner Buckeln
Samt der Scheid in die Hand und dem schöngezierten Gehenke.
Ajas schenkt' ihm dagegen den Leibgurt, schimmernd von Purpur.
Also schieden sie beid; es kehrte zum Volk der Achaier[121]
Einer, zum Heer der Troer der andere: jene mit Freude
Schaueten um, daß lebend und unverletzt er daherging,
Ajas' Händen entflohn und unaufhaltsamer Stärke;
Führten ihn dann in die Stadt und glaubeten kaum ihn errettet.
Auch den Ajas führten die hellumschienten Achaier
Hin zum Held Agamemnon, der hoch des Sieges erfreut war.
Als sie nunmehr ins Gezelt um Atreus' Sohn sich versammelt,
Opferte, jenen zum Schmaus, der Völkerfürst Agamemnon
Einen Stier, fünfjährig und feist, dem starken Kronion.
Rasch ihn zogen sie ab und zerlegeten alles geschäftig,
Schnitten behend in Stücke das Fleisch und steckten's an Spieße,
Brieten es dann vorsichtig und zogen es alles herunter.
Aber nachdem sie ruhten vom Werk und das Mahl sich bereitet,
Schmausten sie, und nicht mangelt' ihr Herz des gemeinsamen Mahles.
Aber den Ajas ehrt' er mit weithinreichendem Rücken,
Atreus' Heldensohn, der Völkerfürst Agamemnon.
Aber nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war,
Jetzo begann der Greis den Entwurf zu ordnen in Weisheit,
Nestor, der schon eher mit trefflichem Rate genützet.
Dieser begann wohlmeinend und redete vor der Versammlung:
Atreus' Sohn und ihr andern, erhabene Fürsten Achaias,
Viele ja sind gestorben der hauptumlockten Achaier,
Welchen das schwarze Blut um den schönen Strom des Skamandros
Ares der Wütrich vergoß; und die Seelen zum Aides sanken.
Darum laß mit dem Morgen den Krieg ausruhn der Achaier,
Daß wir gesamt auf Wagen die Leichname holen, von Rindern
Und Maultieren geführt; alsdann verbrennen wir alle,
Etwas entfernt von den Schiffen, damit einst jeder den Kindern
Bringe den Staub, wann wieder zum Vaterlande wir heimziehn.
Einen Hügel am Brand erheben wir, draußen versammelt,
Allen zugleich im Gefild, und neben ihm bauen wir eilig
Hochgetürmt die Mauer, uns selbst und den Schiffen zur Schutzwehr.
Drin auch bauen wir Tore mit wohleinfugenden Flügeln,
Daß bequem durch solche der Weg sei Rossen und Wagen.
Draußen umziehn wir sodann mit tiefem Graben die Mauer,
Welcher rings abwehre den reisigen Zug und das Fußvolk,
Daß nicht einst andränge die Macht hochherziger Troer.[122]
Jener sprach's, und umher die Könige riefen ihm Beifall.
Auch die Troer kamen auf Ilios' Burg zur Versammlung,
Schreckenvoll und verwirrt, vor Priamos' hohem Palaste,
Und vor ihnen begann der verständige Held Antenor:
Hört mein Wort, ihr Troer, ihr Dardaner und ihr Genossen,
Daß ich rede, wie mir das Herz im Busen gebietet.
Auf, die Argeierin Helena nun und die Schätze mit jener
Geben wir Atreus' Söhnen zurück. Nun streiten wir treulos
Gegen den heiligen Bund; drum hoff ich nimmer, daß Wohlfahrt
Unserem Volke gedeihe, bevor wir also gehandelt.
Also redete jener und setzte sich. Wieder erhub sich
Alexandros, der Held, der lockigen Helena Gatte;
Dieser erwiderte drauf und sprach die geflügelten Worte:
Keineswegs, Antenor, gefällt mir, was du geredet!
Leicht wohl könntest du sonst ein Besseres raten denn solches!
Aber wofern du wirklich in völligem Ernste geredet,
Traun, dann raubeten dir die Unsterblichen selbst die Besinnung!
Jetzo verkünd auch ich den rossebezähmenden Troern,
Grade heraus bekenn ich: das Weib, nie geb ich es wieder,
Aber das Gut, so viel ich aus Argos führt' in die Wohnung,
Will ich gesamt nun erstatten und noch des Meinen hinzutun.
Also redete jener und setzte sich. Wieder erhub sich
Priamos, Dardanos' Enkel, an Rat den Unsterblichen ähnlich;
Dieser begann wohlmeinend und redete vor der Versammlung:
Hört mein Wort, ihr Troer, ihr Dardaner und ihr Genossen,
Daß ich rede, wie mir das Herz im Busen gebietet.
Jetzo nehmet das Mahl durch das Kriegsheer, so wie gewöhnlich,
Und gedenkt der nächtlichen Hut, und jeder sei wachsam.
Morgen geh Idäos hinab zu den räumigen Schiffen,
Daß er den Fürsten des Volks Agamemnon und Menelaos
Sage die Red Alexandros', um welchen Streit sich erhoben;
Auch dies heilsame Wort dann verkündige: ob sie geneigt sind,
Auszuruhn vom Getöse der Feldschlacht, bis wir die Toten
Erst verbrannt; doch künftig erneuen wir, bis uns ein Dämon
Trennen wird und geben der Völker einem den Siegsruhm.
Jener sprach's; da hörten sie aufmerksam und gehorchten.
Ringsum nahm man das Mahl durch das Kriegsheer, Haufen bei Haufen.[123]
Morgens ging Idäos hinab zu den räumigen Schiffen,
Und er fand die Achaier im Rat, die Genossen des Ares,
Neben dem Hinterschiff Agamemnons. Jener, sich nahend,
Trat in den Kreis und begann, der lautaustönende Herold:
Atreus' Söhn' und ihr andern, erhabene Fürsten Achaias,
Priamos sendete mich und die anderen Edlen der Troer,
Daß ich, wär es vielleicht euch angenehm und gefällig,
Sagte die Red Alexandros', um welchen der Streit sich erhoben.
Alles Gut, so viel Alexandros in räumigen Schiffen
Her gen Troja geführt (hätt eher der Tod ihn ereilet!),
Will er gesamt euch erstatten und noch des Seinen hinzutun.
Aber die Jugendvermählte von Atreus' Sohn Menelaos
Gibt er nie, wie er sagt, obzwar ihn die Troer ermahnen.
Dieses Wort auch sollt ich verkündigen, ob ihr geneigt seid
Auszuruhn vom Getöse der Feldschlacht, bis wir die Toten
Erst verbrannt; doch künftig erneuen wir, bis uns ein Dämon
Trennen wird und geben der Völker einem den Siegsruhm.
Jener sprach's, doch alle verstummten umher und schwiegen.
Endlich begann vor ihnen der Rufer im Streit Diomedes:
Daß nur keiner das Gut Alexandros nehme, ja selbst nicht
Helena! Wohl ja erkennt, auch wer unmündigen Geistes,
Daß nunmehr den Troern das Ziel des Verderbens daherdroht!
Jener sprach's; da jauchzten ihm rings die Männer Achaias,
Hoch das Wort anstaunend von Tydeus' Sohn Diomedes.
Jetzo sprach zu Idäos der Völkerfürst Agamemnon:
Selber jetzt, Idäos, vernahmst du das Wort der Achaier,
Welchen Bescheid sie geben; auch mir geliebet es also.
Doch der Toten Verbrennung sei euch mitnichten verweigert.
Nicht ja gebührt Kargheit bei abgeschiedenen Toten,
Daß man, nachdem sie gestorben, mit Glut zu besänftigen eile.
Höre den Bund Zeus selber, der donnernde Gatte der Here!
Jener sprach's, und empor zu den Himmlischen hob er den Zepter.
Aber es kehrt' Idäos zur heiligen Ilios wieder.
Jene noch saßen im Rat, die Troer und Dardanionen,
Alle gedrängt miteinander, und harreten seiner Zurückkunft.
Jetzo kam Idäos daher und sagte die Botschaft,
Hingestellt in die Mitte. Da rüsteten jene sich eilig,[124]
Andere, Leichen zu holen, und andere, Holz aus den Wäldern.
Auch die Argeier indes von den schöngebordeten Schiffen
Eileten, Leichen zu holen, und andere, Holz aus den Wäldern.
Aber die Sonn erhellte mit jungem Strahl die Gefilde,
Aus des tiefergoßnen Okeanos ruhiger Strömung
Steigend am Himmel empor. Da begegneten jen' einander.
Schwer nun war's, zu erkennen im Schlachtfeld jeden der Männer,
Doch sie wuschen mit Wasser den blutigen Mord von den Gliedern,
Heiße Tränen vergießend, und huben sie all auf die Wagen.
Aber zu weinen verbot Held Priamos; jene nun schweigend
Legten gehäuft auf die Scheiter die Leichname, traurigen Herzens,
Zündeten an das Feuer und kehrten zur heiligen Troja.
Also auch dort entgegen die hellumschienten Achaier
Legten gehäuft auf die Scheiter die Leichname, traurigen Herzens,
Zündeten an das Feuer und kehrten zu räumigen Schiffen.
Als noch nicht der Morgen erschien, nur grauende Dämmrung,
Jetzo erhub um den Brand sich erlesenes Volk der Achaier.
Einen Hügel umher erhuben sie, draußen versammelt,
Allen zugleich im Gefild, und neben ihm bauten sie eilig
Hochgetürmt die Mauer, sich selbst und den Schiffen zur Schutzwehr.
Drin auch bauten sie Tore mit wohleinfugenden Flügeln,
Daß bequem durch solche der Weg war Rossen und Wagen.
Draußen umzogen sie dann mit tiefem Graben die Mauer,
Breit umher und groß, und drinnen auch pflanzten sie Pfähle.
So arbeiteten hier die hauptumlockten Achaier.
Dort die Götter, um Zeus den Wetterleuchtenden sitzend,
Staunten dem großen Werke der erzumschirmten Achaier.
Unter ihnen begann der Erderschüttrer Poseidon:
Vater Zeus, ist irgendein Mensch der unendlichen Erde,
Der zu den Himmlischen noch mit Herz und Sinne sich wende?
Siehest du nicht, wie jetzo die hauptumlockten Achaier
Eine Mauer den Schiffen erbaueten, rings auch den Graben
Führeten, ohn uns Göttern zuvor Hekatomben zu opfern?
Nun wird diesen ein Ruhm, so weit der Tag sich verbreitet;
Doch vergessen wird jene, die ich und Phöbos Apollon
Einst um Laomedons Stadt mit ringender Kraft gegründet!
Unmutsvoll nun begann der Herrscher im Donnergewölk Zeus:[125]
Wehe mir, Erderschüttrer, gewaltiger! Welcherlei Rede!
Wenn ja ein anderer noch der Unsterblichen jener Erfindung
Zitterte, der weit schwächer denn du an Arm und Gewalt ist,
Doch dir währet der Ruhm, so weit der Tag sich verbreitet.
Auf wohlan! sobald nun die hauptumlockten Achaier
Heimgekehrt in den Schiffen zum lieben Lande der Väter,
Reiße dann ein die Mauer und stürze sie ganz in die Meerflut,
Wieder das große Gestad umher mit Sande bedeckend,
Daß auch die Spur hinschwinde vom großen Bau der Achaier.
Also redeten jen' im Wechselgespräch miteinander.
Nieder sank nun die Sonn, und der Danaer Werk war vollendet.
Rings in den Zelten erschlugen sie Stier' und genossen des Mahles.
Aber viel der Schiffe, mit Wein beladen, aus Lemnos
Landeten, hergesandt vom Jasoniden Euneos,
Welchen Hypsipyle trug dem Völkerhirten Jason.
Atreus' Söhnen allein, Agamemnon und Menelaos,
Sandt er edleren Trank zum Geschenk her, tausend der Maße.
Dort nun kauften des Weins die hauptumlockten Achaier;
Andere brachten Erz und andere blinkendes Eisen,
Andere dann Stierhäut' und andere lebende Rinder,
Andre Gefangne der Schlacht, und bereiteten lieblichen Festschmaus.
Also die Nacht durchharrten die hauptumlockten Achaier
Schmausend; auch dort die Troer in Ilios und die Genossen.
Aber die ganze Nacht sann Unheil Zeus der Erhabne,
Drohend mit Donnergetön; da faßte sie bleiches Entsetzen.
Ringsher Wein aus den Bechern vergossen sie, keiner auch durft ihn
Trinken, bevor er gesprengt dem allmächtigen Sohne des Kronos.
Jeder ruhete dann und empfing die Gabe des Schlafes.
Ausgewählte Ausgaben von
Ilias
|
Buchempfehlung
Schnitzlers erster Roman galt seinen Zeitgenossen als skandalöse Indiskretion über das Wiener Gesellschaftsleben. Die Geschichte des Baron Georg von Wergenthin und der aus kleinbürgerlichem Milieu stammenden Anna Rosner zeichnet ein differenziertes, beziehungsreich gespiegeltes Bild der Belle Époque. Der Weg ins Freie ist einerseits Georgs zielloser Wunsch nach Freiheit von Verantwortung gegenüber Anna und andererseits die Frage des gesellschaftlichen Aufbruchs in das 20. Jahrhundert.
286 Seiten, 12.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro