XXIII. Gesang.

[391] Achilleus mit den Seinen umfährt den Patroklos, wehklagt und legt den Hektor aufs Antlitz am Totenlager. In der Nacht erscheint ihm Patroklos und bittet um Bestattung. Am Morgen holen die Achaier Holz zum Scheiterhaufen. Patroklos wird ausgetragen, mit Haarlocken umhäuft und samt den Totenopfern verbrannt. Boreas und Zephyros erregen die Flamme. Den andern Morgen wird Patroklos' Gebein in eine Urne gelegt und, bis Achilleus' Gebein hinzukomme, beigesetzt; vorläufiger Ehrenhügel auf der Brandstelle. Wettspiele zur Ehre des Toten; Wagenrennen, Faustkampf, Ringen, Lauf, Waffenkampf, Kugelwurf, Bogenschuß, Speerwurf.


So nun seufzeten jene durch Ilios. Doch die Achaier,

Als sie nunmehr die Schiff' und den Hellespontos erreichet,

Schnell zerstreuten sich alle, zum eigenen Schiff ein jeder.

Nur den Myrmidonen verbot, der edle Achilleus

Sich zu zerstreun, und begann vor den kriegserfahrnen Genossen:

Reisige Myrmidonen, ihr wertgeachteten Freunde,

Auf, noch nicht den Geschirren entlöst die stampfenden Rosse,

Sondern zugleich mit Rossen und rollenden Wagen uns nahend,

Weinen wir erst Patroklos; denn das ist die Ehre der Toten.

Aber nachdem wir die Herzen des traurigen Grames erleichtert,

Lösen wir unsre Gespann' und schmausen allhier miteinander.

Sprach's und begann Wehklag; auch klageten alle Genossen.

Dreimal lenkten sie rings schönmähnige Ross' um den Leichnam,

Trauernd, und Thetis erregte des Grams wehmütige Sehnsucht.

Naß war der Sand von Tränen, und naß die Rüstung der Männer,

Welche den Held vermißten, den mächtigen Schreckengebieter.

Peleus' Sohn vor ihnen begann die jammernde Klage,

Hingelegt die mordenden Händ' auf den Busen des Freundes:

Freude dir, o Patroklos, auch noch in Aides' Wohnung![391]

Alles ja wird dir jetzo vollbracht, was zuvor ich gelobet:

Hektor, dahergeschleift, den zerfleischenden Hunden zu geben,

Auch zwölf Jünglinge dir am Totenfeuer zu schlachten,

Trojas edlere Söhn', im Zorn ob deiner Ermordung!

Sprach's, und schändlichen Frevel ersann er dem göttlichen Hektor,

Vorwärts am Leichengewand des Menötiaden ihn streckend

Hin in den Staub. Sie aber enthüllten sich alle der Rüstung,

Blank von Erz, und lösten die schallenden Rosse vom Wagen;

Setzten sich dann am Schiffe des äakidischen Renners,

Tausende; jener darauf gab köstlichen Schmaus der Begräbnis.

Viele der mutigen Stier' umröchelten blutend das Eisen,

Abgewürgt, auch viele der Schaf' und meckernden Ziegen;

Viel weißzahnige Schweine zugleich, in der Blüte des Fettes,

Sengten sie ausgestreckt in der lodernden Glut des Hephästos;

Und rings strömte das Blut, mit Schalen geschöpft, um den Leichnam.

Aber ihn selbst, den Herrscher, den rüstigen Peleionen,

Führten zum Held Agamemnon die waltenden Fürsten Achaias,

Kaum durch Worte bewegt; denn er zürnete wegen des Freundes.

Als sie das schöne Gezelt Agamemnons jetzo erreichten,

Schnell gebot Herolden von tönender Stimme der König,

Eilend auf Glut zu stellen ein großes Geschirr, ob gehorchte

Peleus' Sohn, zu entwaschen den blutigen Staub von den Gliedern.

Aber er weigerte sich standhaft und gelobte mit Eidschwur:

Nein, bei Zeus, der waltet, der Seligen Höchster und Bester,

Nicht geziemt's, daß eher ein Bad mir rühre die Scheitel,

Eh ich Patroklos auf Feuer gelegt und das Mal ihm geschüttet

Und mir geschoren das Haar! Denn nie wird fürder mir also

Gram durchdringen das Herz, solang ich mit Lebenden wandle!

Aber wohlan, jetzt fügen wir uns dem traurigen Gastmahl.

Doch am Morgen gebeut, o Völkerfürst Agamemnon,

Daß man Holz aus dem Wald herführ und alles bereite,

Was dem Toten gebührt, der ins nächtliche Dunkel hinabgeht:

Daß uns jenen nunmehr verbrenn unermüdetes Feuer

Schnell aus den Augen hinweg und das Volk zum Geschäfte sich wende.

Jener sprach's; da hörten sie aufmerksam und gehorchten.

Als nun emsig umher die Abendkost sie gerüstet,

Schmausten sie; und nicht mangelt' ihr Herz des gemeinsamen Mahles.[392]

Aber nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war,

Gingen sie auszuruhn, zum eigenen Zelt ein jeder.

Peleus' Sohn am Gestade des weitaufrauschenden Meeres

Legte sich seufzend vor Gram, mit umringenden Myrmidonen,

Dort, wo rein der Strand von der steigenden Welle gespült war,

Als ihn der Schlummer umfing und, der Seel Unruhen zerstreuend,

Sanft umher sich ergoß; denn es starrten die reizenden Glieder

Ihm, der Hektor verfolgt' um Ilios' luftige Höhen:

Jetzo kam die Seele des jammervollen Patroklos,

Ähnlich an Größ und Gestalt und lieblichen Augen ihm selber,

Auch an Stimm, und wie jener den Leib mit Gewanden umhüllet;

Ihm zum Haupt nun trat er und sprach anredend die Worte:

Schläfst du, meiner so ganz uneingedenk, o Achilleus?

Nicht des Lebenden zwar vergaßest du, aber des Toten!

Auf, begrabe mich schnell, daß Aides' Tor' ich durchwandle!

Fern mich scheuchen die Seelen hinweg, die Gebilde der Toten,

Und nicht über den Strom vergönnen sie mich zu gesellen,

Sondern ich irr unstet um Aides' mächtige Tore.

Und nun gib mir die Hand, ich jammere! Nimmer hinfort ja

Kehr ich aus Aides' Burg, nachdem ihr der Glut mich gewähret!

Ach, nie werden wir lebend, von unseren Freunden gesondert,

Sitzen und Rat aussinnen; denn mich verschlang das Verhängnis

Jetzt in den Schlund, das verhaßte, das schon dem Gebornen bestimmt ward;

Und dir selbst ist geordnet, o göttergleicher Achilleus,

Unter der Mauer zu sterben der wohlentsprossenen Troer.

Eines sag ich dir noch und ermahne dich, wenn du gehorchest:

Lege nicht mein Gebein von deinem getrennt, o Achilleus,

Sondern zugleich, wie mit dir ich erwuchs in eurem Palaste,

Seit Menötios mich, den blühenden Knaben, aus Opus

Führte zu euerer Burg nach der schrecklichen Tat der Ermordung,

Jenes Tags, nachdem ich Amphidamas' Knaben getötet,

Ohne Bedacht, nicht wollend, erzürnt beim Spiele der Knöchel.

Freundlich empfing mich in seinem Palast der reisige Peleus

Und erzog mich mit Fleiß und ernannte mich deinen Genossen;

So auch unser Gebein umschließ ein gleiches Behältnis,

Jenes goldne Gefäß, das die göttliche Mutter dir schenkte.

Ihm antwortete drauf der mutige Renner Achilleus:[393]

Was, mein trautester Bruder, bewog dich herzukommen

Und mir solches genau zu verkündigen? Gerne gelob ich,

Alles dir zu vollziehn, und gehorche dir, wie du gebietest.

Aber wohlan, tritt näher, damit wir beid uns umarmend,

Auch nur kurz, die Herzen des traurigen Grames erleichtern.

Als er dieses geredet, da streckt' er verlangend die Händ' aus.

Aber umsonst; denn die Seele, wie dampfender Rauch in die Erde

Sank sie hinab, hellschwirrend. Bestürzt nun erhob sich Achilleus,

Schlug die Hände zusammen und sprach mit jammernder Stimme:

Götter, so ist denn fürwahr auch noch in Aides Wohnung

Seel und Schattengebild, allein ihr fehlt die Besinnung!

Diese Nacht ja stand des jammervollen Patroklos

Seele mir selbst am Lager, die klagende, herzlich betrübte,

Und gebot mir manches und glich zum Erstaunen ihm selber!

Sprach's und erregt' in allen des Grams wehmütige Sehnsucht.

Doch den Trauernden kam die rosenarmige Eos

Um den bejammerten Toten. Und siehe, der Held Agamemnon

Trieb Maultier' und Männer daher aus den Zelten des Lagers,

Holz vom Walde zu führen; zugleich, ein edler Gebieter,

Eilte Meriones mit, des tapfern Idomeneus Kriegsfreund.

Diese wandelten nun, holzhauende Äxt' in den Händen,

Auch geflochtene Seil', und voran die hurtigen Mäuler:

Lange bergan und bergab, Richtweg' und Krümmungen ging man.

Aber nachdem sie erstiegen die Höhn des quelligen Ida,

Schnell nunmehr mit geschliffenem Erz hochwipflige Bäume

Hauten sie emsiger Eil, und herab mit lautem Gepolter

Stürzten sie; aber das Holz zerspalteten rasch die Achaier,

Banden's den Mäulern dann fest, und sie trabten den Grund mit den Hufen,

Sehnsuchtsvoll nach der Ebne, das dichtverwachsne Gesträuch durch.

Auch die Männer trugen zugleich schwerlastende Kloben,

So wie Meriones hieß, des tapfern Idomeneus Kriegsfreund.

Jetzt an den Strand hinwarf man in Reihen es, dort, wo Achilleus

Auserkor dem Patroklos das ragende Grab und sich selber.

Aber nachdem ringsher sie gereiht die unendliche Waldung,

Blieben sie dort miteinander und setzten sich. Aber Achilleus

Rief alsbald den Scharen der myrmidonischen Streiter,[394]

Umzugürten das Erz und vorzuspannen den Wagen

Jeder die Ross'. Und sie sprangen empor und hüllten Geschmeid' um.

Jetzt betraten die Sessel die Reisigen, Kämpfer und Lenker,

Diese voran, und es zog des Fußvolks dickes Gewölk nach,

Tausende; mitten trug der Freunde Schar den Patroklos.

Überstreut ward ganz mit geschorenen Locken der Leichnam.

Und ihm hielt nachfolgend das Haupt der edle Achilleus

Trauernd; denn seinen Freund, den untadligen, sandt er zum Ais.

Als sie den Ort nun erreicht, den ihnen genannt der Peleide,

Setzten sie nieder die Bahr und häuften ihm mächtige Waldung.

Aber ein andres ersann der mutige Renner Achilleus:

Abgewandt vom Gerüste beschor er sein bräunliches Haupthaar,

Das er dem Strom Spercheios genährt, vollblühenden Wuchses.

Unmutsvoll nun sprach er und schaut' in das dunkle Gewässer:

O Spercheios, umsonst dir gelobete Peleus der Vater,

Dort einst, wiedergekehrt zum lieben Lande der Väter,

Sollt ich dir scheren das Haar und weihn die Dankhekatombe,

Auch daselbst an den Quellen dir fünfzig üppige Widder

Heiligen, wo dir pranget ein Hain und duftender Altar.

Also gelobte der Greis, du hast sein Flehn nicht vollendet.

Nun, da ich nicht heimkehre zum lieben Lande der Väter,

Laß mich dem Held Patroklos das Haar mitgeben zu tragen!

Jener sprach's, in die Hände des trautesten Freundes das Haupthaar

Legend; und allen erregt' er des Grams wehmütige Sehnsucht.

Siehe, den Klagenden wäre das Licht der Sonne gesunken,

Wenn nicht schnell der Peleid, Agamemnon nahend, geredet:

Atreus' Sohn, denn deinen Ermahnungen horcht ja vor allen

Argos' Volk. Des Grams sich ersättigen können sie immer:

Jetzo gebeut, daß jene, vom Totenbrand sich zerstreuend,

Rüsten ihr Mahl. Dies Werk vollenden wir, denen am meisten

Sorg um die Leich obliegt; auch laß die Könige weilen.

Als er solches vernommen, der Völkerfürst Agamemnon,

Schnell zerstreut' er das Volk zu den gleichgezimmerten Schiffen.

Nur die Bestattenden blieben daselbst und häuften die Waldung,

Bauend das Totengerüst, je hundert Fuß ins Gevierte,

Legten dann hoch aufs Gerüst den Leichnam, traurigen Herzens.

Viele gemästete Schaf' und viel schwerwandelndes Hornvieh[395]

Zogen sie ab am Gerüst und bestellten sie; aber von allen

Nahm er das Fett und bedeckte den Freund, der edle Achilleus,

Ganz vom Haupt zu den Füßen; die abgezogenen Leiber

Häuft' er umher; auch Krüge voll Honiges stellt' er und Öles

Nah um das Leichengewand; und vier hochhalsige Rosse

Warf er mit großer Gewalt auf das Totengerüst, lautstöhnend.

Neun der häuslichen Hund', ernährt am Tische der Herrscher;

Deren auch warf aufs Totengerüst er zweene geschlachtet;

Auch zwölf tapfere Söhne der edelmütigen Troer,

Die mit dem Erz er gewürgt; denn schreckliche Taten ersann er;

Ließ dann der Flamme Gewalt mit eiserner Wut sich verbreiten.

Und nun jammert' er laut, den trautesten Freund anrufend:

Freude dir, o Patroklos, auch noch in Aides' Wohnung!

Alles ja wird dir jetzo vollbracht, was zuvor ich gelobet.

Auch zwölf tapfere Söhne der edelmütigen Troer,

Diese zugleich dir tilget die Flamme nun; Hektor indes nicht,

Priamos' Sohn, soll dem Feuer ein Raub sein, sondern den Hunden!

Also drohte der Held, doch ihm nicht naheten Hunde;

Sondern die Hund' entfernte die Tochter Zeus' Aphrodite

Tag und Nacht und salbte den Leib mit ambrosischem Balsam,

Rosigen Dufts, daß schleifend auch nicht er die Haut ihm verletzte.

Aber ein dunkles Gewölk ihm breitete Phöbos Apollon

Hoch vom Himmel aufs Feld und umhüllete ringsum die Gegend,

Wo der Ermordete lag, daß nicht der Sonne Gewalt ihm

Früh um die Sehnen das Fleisch ausdörrete und an den Gliedern.

Doch nicht lodert' in Glut das Gerüst des toten Patroklos.

Schnell ein andres ersann der mutige Renner Achilleus,

Trat abwärts vom Gerüst, und laut zween Winde des Himmels,

Boreas rief er und Zephyros an, Dankopfer gelobend;

Viel auch sprengt' er des Weins aus goldenem Becher und flehte,

Rasch zu wehn und den Toten in lodernder Glut zu verbrennen,

Mächtig das Holz anfachend zum Brand. Doch die hurtige Iris

Hörete sein Gelübd und kam als Botin den Winden.

Sie nun saßen gesellt in des sausenden Zephyros Wohnung,

Froh am festlichen Schmaus; und Iris, fliegenden Laufes,

Trat auf die steinerne Schwell. Als jene sie sahn mit den Augen,

Sprangen sie alle vom Sitz, und neben sich lud sie ein jeder.[396]

Doch sie weigerte sich des gebotenen Sitzes und sagte:

Nötiget nicht, denn ich eile zurück an Okeanos' Fluten,

Dort wo die Äthiopen den Ewigen jetzt Hekatomben

Festlich weihn, daß ich selber des Opfermahls mich erfreue.

Aber, o Boreas, dir und dem sausenden Zephyros flehet

Peleus' Sohn, zu kommen, und heilige Opfer gelobt er,

Daß ihr in Glut aufregt das Totengerüst des Patroklos,

Wo er liegt, den seufzend das Volk der Achaier bejammert.

Also sprach sie und eilte hinweg. Da erhoben sich jene

Rauschend mit wildem Getös und tummelten rege Gewölk' her.

Bald nun erreichten sie stürmend das Meer; da erhob sich die Brandung

Unter dem brausenden Hauch, und sie kamen zur scholligen Troja,

Stürzten sich dann ins Gerüst, und es knatterte mächtig umher Glut.

Siehe, die ganze Nacht durchwühlten sie zuckende Flammen,

Sausend zugleich in das Totengerüst; und der schnelle Achilleus

Schöpfte die ganze Nacht, in der Hand den doppelten Becher,

Wein aus goldenem Krug und feuchtete sprengend den Boden,

Stets die Seel anrufend des jammervollen Patroklos.

Wie wenn klagt ein Vater, des Sohns Gebeine verbrennend,

Der, ein Bräutigam, starb zum Weh der jammernden Eltern:

Also klagte der Held, das Gebein des Freundes verbrennend,

Und umschlich das Totengerüst mit unendlichen Seufzern.

Jetzt wann der Morgenstern das Licht ankündend hervorgeht,

Eos im Safrangewand dann über das Meer sich verbreitet:

Jetzt sank in Staub das Gerüst, und es ruhte die Flamme.

Schnell nun flogen die Winde zurück, nach Hause zu kehren

Über das thrakische Meer, und es braust' aufstürmend die Brandung.

Peleus' Sohn, abwärts vom glimmenden Schutte sich sondernd,

Legte sich abgemattet und süßer Schlummer umfing ihn.

Aber um Atreus' Sohn versammelten jene sich ringsher,

Und der Kommenden Lärm und Getös erweckt' ihn vom Schlummer.

Aufrecht setzt' er sich nun und sprach zu jenen die Worte:

Atreus' Sohn und ihr andern, erhabene Fürsten Achaias,

Erst nun löscht den glimmenden Schutt mit rötlichem Weine

Überall, wo die Glut hinwütete; aber dann laßt uns

Sammeln umher das Gebein des Menötiaden Patroklos,

Wohl es unterscheidend; und leicht zu erkennen ist jenes,[397]

Denn er lag in der Mitte der Glut, und die andern gesondert

Brannten am äußeren Rande vermischt, die Ross' und die Männer.

Dann in gedoppeltes Fett, in eine goldene Urne

Legen wir's, bis ich selber hinuntersinke zum Ais.

Aber das Grab, nicht rat ich, es allzu groß zu erheben,

Sondern so schicklich nur; hinfort dann mögt ihr es immer

Weit und hoch aufhäufen, ihr Danaer, die ihr mich etwa

Überlebt und umher in den Ruderschiffen zurückbleibt.

Jener sprach's; sie gehorchten dem rüstigen Peleionen:

Löschten zuerst den glimmenden Schutt mit rötlichem Weine,

Rings wo die Flamme gewütet und hoch die Asche gehäuft lag;

Sammelten drauf das weiße Gebein des herzlichen Freundes,

Weinend, in doppeltes Fett, in eine goldene Urne;

Setzten sie dann im Gezelt, umhüllt mit köstlicher Leinwand,

Maßen den Kreis des Males und warfen den Grund in die Ründung

Rings um den Brand und häuften geschüttete Erde zum Hügel.

Als sie das Mal nun geschüttet, enteilten sie. Aber Achilleus

Hemmte das Volk und hieß es in großem Kreise sich setzen;

Brachte darauf zu Preisen des Kampfs dreifüßige Kessel,

Becken und Ross' und Mäuler und mächtige Stier' aus den Schiffen,

Schöngegürtete Weiber zugleich und blinkendes Eisen.

Erst dem Lenker des schnellsten Gespanns zum herrlichen Kampfpreis

Setzt' er ein Weib zu nehmen, untadelig, kundig der Arbeit,

Samt dem gehenkelten Kessel von zweiundzwanzig Maßen.

Dieses dem ersten zum Preis. Dem zweiten nun setzt' er die Stute,

Ungezähmt, sechsjährig, beschwert vom Füllen des Maultiers;

Dann dem dritten bestimmt' er zum Preis ein schimmerndes Becken,

Schön, vier Maß enthaltend, noch rein von der Flamme des Feuers;

Drauf dem vierten den Preis von zwei Talenten des Goldes;

Endlich dem fünften die doppelte Schal, unberührt von der Flamme.

Aufrecht stand der Peleid und redete vor den Argeiern:

Atreus' Sohn und ihr andern, ihr hellumschienten Achaier,

Für die Reisigen stehn die Kampfpreis' hier in dem Kreise.

Wär es ein anderer nun, den wir Danaer ehrten mit Wettkampf,

Dann wohl trüg ich selber den ersten Preis zum Gezelte;

Denn ihr wißt, wie an Tugend hervor mein edles Gespann ragt.

Auch unsterblich ja ist es: Poseidon schenkte dem Peleus,[398]

Meinem Vater, die Rosse, der mir darauf sie gewähret;

Doch nun bleib ich selber zurück und die stampfenden Rosse,

Denn sie verloren die Kraft des edelsten Wagenlenkers,

Ach, des freundlichen, welcher so oft mit geschmeidigem Öle

Ihnen die Haare gesprengt, wann in lauterer Flut sie gebadet.

Diesen nunmehr dastehend betrauern sie, und auf den Boden

Fließen die Mähnen herab, und sie stehn unmutigen Herzens.

Auf denn, ihr andern im Heere, beschicket euch, wer der Achaier

Eigenen Rossen vertraut und dem wohlgezimmerten Wagen!

Also sprach der Peleid, und rüstige Lenker erstanden.

Erst vor allen erhob sich der Völkerfürst Eumelos,

Er, des Admetos Sohn, der an Wagenkunde hervorschien.

Auch der Tydeid erhob sich, der starke Held Diomedes,

Welcher die troischen Ross' anschirrte, die dem Äneias

Jüngst er geraubt; ihn selber errettete Phöbos Apollon.

Drauf erstand der Atreide, der bräunliche Held Menelaos,

Göttlichen Stamms, und jochte die hurtigen Ross' an den Wagen,

Äthe, die Stut Agamemnons, und seinen Hengst, den Podargos.

Jene gab dem Bruder der Anchisiad Echepolos

Einst zum Geschenk, um nicht vor Ilios jenem zu folgen,

Sondern dort sich der Ruhe zu freun; denn mächtigen Reichtum

Gab ihm Zeus, und er wohnt' in Sikyons fruchtbaren Tälern.

Diese nun spannt' er ins Joch, die mutige, gierig des Wettlaufs.

Dann der vierte bereitet', Antilochos, glänzende Rosse,

Nestors trefflicher Sohn, des edelmütigen Herrschers,

Sein, des Neleiaden; und hurtige Rosse von Pylos

Flogen einher mit dem Wagen. Ihm riet jetzt nahend der Vater

Guten Rat, der kundige Greis dem verständigen Jüngling:

Sohn, wie jung du auch bist, Antilochos, liebten dich dennoch

Zeus und Poseidaon und lehrten dich Kunde des Wagens

Aller Art; drum möcht es nicht not sein, dich zu belehren.

Wohl das Ziel zu umlenken verstehest du, aber die Rosse

Sind dir die trägsten im Lauf; drum sorg ich, täuscht dich der Ausgang.

Rascher sind jenen die Ross' und fertiger; selber indes nicht

Wissen sie besseren Rat als du, mein Sohn, zu ersinnen.

Aber wohlan, mein Teurer, ins Herz dir fasse die Lehre

Mancher Art, daß nicht ein edeler Preis dir entgehe.[399]

Mehr ja vermögen durch Rat Holzhauende, weder durch Stärke;

Auch durch Rat nur lenket im dunkelen Meere der Steurer

Sein hineilendes Schiff, umhergestürmt von den Winden:

So durch Rat auch besiegt ein Wagenlenker den andern.

Wer allein dem Gespann und rollenden Wagen vertrauet,

Ohne Bedacht hinsprengt er und wendet sich dorthin und dahin;

Wild auch schweifen die Ross' und ungezähmt in der Rennbahn.

Doch wer den Vorteil kennt und schlechtere Rosse dahertreibt,

Schaut beständig das Ziel und beugt kurzum und vergißt nie,

Welchen Strich er zuerst sie gelenkt mit Seilen von Stierhaut;

Nein, fest hält er den Lauf und merkt auf den Vorderen achtsam.

Deutlich muß ich das Ziel dir verkündigen, daß du nicht fehlest.

Dorrend ragt ein Pfahl wie ein Klafter hoch aus der Erde,

Kienholz oder von Eichen, das nicht im Regen vermodert;

Rechtsan lehnen und links sich zween weißschimmernde Steine,

Dort in der Enge des Wegs, wo die ebene Bahn sich herumschwingt,

Sei er vielleicht ein Mal des längst verstorbenen Mannes

Oder ein Rennziel auch, von vorigen Menschen errichtet.

Den nun stellt zum Zeichen der mutige Renner Achilleus.

Dicht an jenen gedrängt beflügele Wagen und Rosse;

Selber zugleich dann beug in dem schöngeflochtenen Sessel

Sanft zur Linken dich hin, und das rechte Roß des Gespannes

Treib mit Geißel und Ruf und laß ihm die Zügel ein wenig,

Während dir nah am Ziele das linke Roß sich herumdreht,

So daß fast die Nabe den Rand zu erreichen dir scheinet

Deines zierlichen Rades. Den Stein nur zu rühren vermeide,

Daß du nicht verwundest die Ross' und den Wagen zerschmetterst;

Denn ein Triumph den andern und schmähliche Kränkung dir selber

Wäre das! Auf denn, Geliebter, sei vorsichtsvoll und behutsam!

Hast du nur erst am Ziele herumgewendet den Vorsprung,

Keiner ist dann, der verfolgend dich einholt oder vorbeijagt,

Trieb' er sogar im Sturme dir nach den edlen Areion,

Der aus Göttern entstammte, das hurtige Roß des Adrastos

Oder Laomedons Rosse, die hier voll Herrlichkeit aufblühn!

Also redete Nestor, der neleiadische König,

Setzte sich dann, nachdem er dem Sohn jedwedes bedeutet.

Auch der fünfte nun schirrte, Meriones, glänzende Rosse.[400]

Alle betraten die Sessel und warfen die Los', und Achilleus

Schüttelte. Plötzlich entsprang Antilochos' Los aus dem Helme;

Nächst dem Nestoriden gewann der Herrscher Eumelos;

Diesem zunächst der Atreide, der streitbare Held Menelaos;

Hierauf traf das Los den Meriones; aber zuletzt traf

Tydeus' tapferen Sohn das Los, die Rosse zu lenken.

Alle gereiht nun standen, es wies das Zeichen Achilleus

Fern in dem flachen Gefild; und dabei zum Schauer bestellt' er

Phönix, den göttlichen Held, den Kriegsgefährten des Vaters,

Wohl zu bemerken den Lauf und alles genau zu verkünden.

Alle zugleich nun schwangen empor auf die Rosse die Geißeln,

Schlugen zugleich mit den Riemen und schrien laut drohende Worte,

Heftigen Muts; und in Eil entflogen sie durch das Gefilde,

Schnell von den Schiffen hinweg, und emporstieg unter den Brüsten

Dick aufwallender Staub, dem Gewölk gleich oder dem Sturmwind,

Und wild flogen die Mähnen im wehenden Hauche des Windes.

Jetzo rollten die Wagen gesenkt an der nährenden Erde,

Jetzo durchstürmten die Luft die erhobenen. Aber die Lenker

Standen empor in den Sesseln; es schlug ihr Herz in den Busen

Laut vor Begierde des Siegs, und jeglicher drohte den Rossen

Mächtigen Rufs. Und sie flogen in stäubendem Lauf durch die Felder.

Doch wie dem Ende des Laufs die hurtigen Rosse sich nahten,

Kehrend zum bläulichen Meer: nun war's, wo jegliches Tugend

Schien; und gestreckt fortschossen die Rennenden. Aber in Eile

Sprangen voraus die Stuten des Pheretiaden Eumelos;

Diesen zunächst dann stürmte das Hengstgespann Diomedes',

Troischen Stamms; nicht ferne verfolgten sie, sondern so nahe,

Daß sie stets auf den Sessel des vorderen schienen zu springen

Und ihm warm auf den Rücken ihr Hauch und die mächtigen Schultern

Atmete; denn ihn berührte das Haupt der fliegenden Rosse.

Und nun wär er voraus, doch wenigstens gleich ihm gekommen,

Wenn nicht Phöbos Apollon gezürnt dem Sohne des Tydeus

Und ihm schnell aus den Händen die glänzende Geißel geschleudert.

Unmutsvoll entstürzten die Tränen ihm über das Antlitz,

Als er noch weiter voraus die fliegenden Stuten erblickte,

Aber die Hengst' ihm säumten, die treibende Geißel vermissend.

Nicht geheim vor Athene belistete Phöbos Apollon[401]

Tydeus' Sohn; schnell eilte sie her zum Hirten der Völker,

Gab ihm die Geißel zurück und stärkte mit Mut ihm die Rosse.

Zürnend verfolgte sie drauf den tapferen Sohn des Admetos

Und zerbrach ihm das Joch, die Unsterbliche; wild auseinander

Sprangen die Stuten vom Weg', und es scharrt' an der Erde die Deichsel.

Jener entsank dem Sessel und wälzte sich neben dem Rade,

Beide Arm' an der Beugung, den Mund und die Nase verletzend;

Auch die Stirn an den Brauen verwundet' er, aber die Augen

Wurden mit Tränen erfüllt, und atmend stockt' ihm die Stimme.

Tydeus' Sohn trieb schleunig vorbei die stampfenden Rosse,

Weit den anderen allen voraus; denn es stärkt' ihm Athene

Seine Rosse mit Mut und krönt' ihn selber mit Siegsruhm.

Nächst ihm flog der Atreide, der bräunliche Held Menelaos.

Aber Antilochos rief, des Vaters Rosse ermunternd:

Angestrengt die Glieder und dehnet euch fliegenden Laufes!

Daß mit jenen ihr kämpft um den Vorsprung, forder ich gar nicht,

Mit des Tydeiden Gespann, des feurigen, welchem Athene

Jetzo Geschwindigkeit gab und ihn selber krönte mit Siegsruhm.

Nur Menelaos' Gespann holt ein und bleibt nicht dahinten

Stürmender Kraft, daß nicht mit kränkender Schmach euch bedecke

Äthe, die Stute nur ist! Was säumet ihr, treffliche Rosse?

Denn ich verkünd euch zuvor, und das wird wahrlich vollendet:

Nie wird Pfleg euch hinfort beim völkerweidenden Nestor

Dargereicht; schnell mordet er euch mit der Schärfe des Erzes,

Wenn wir anitzt nachlässig geringeren Preis nur gewinnen!

Auf denn mit großer Gewalt, und verfolget sie hurtigen Laufes!

Aber ich selbst will dieses mit Kunst ausführen und Sorgfalt,

Daß in der Enge des Wegs ich vorüber schlüpf, ihn bemerkend.

Jener sprach's; und geschreckt von des Königes scheltendem Zuruf,

Sprangen sie schneller dahin ein weniges. Jetzo erblickt' er

Dort die Enge des Wegs, Antilochos, freudig zur Feldschlacht;

Ausgehöhlt war der Grund, wo gesammelte Wintergewässer

Durch den Weg sich gewühlt, ringsum die Erde vertiefend.

Dorthin fuhr Menelaos, der Wagen Gemisch zu vermeiden.

Seitwärts trieb Antilochos schnell die stampfenden Rosse

Außer dem Weg, und wenig vorbei ihm lenkend verfolgt' er.

Des erschrak der Atreid und rief dem Sohne des Nestor:[402]

Sinnlos lenkst du den Wagen, Antilochos! Hemme die Rosse!

Eng ist der Weg; bald eil auf breiterer Bahn mir vorüber,

Daß du nicht an den Wagen mir fährst und uns beide beschädigst!

Jener sprach's; doch Antilochos trieb noch schneller die Rosse,

Drängend mit Geißelhieben, dem nichts Vernehmenden ähnlich.

Weit wie die Scheib hinflieget vom Schwung des erhobenen Armes,

Wann sie ein blühender Mann, die Kraft zu versuchen, entsendet,

So weit sprangen sie vor, und es säumeten jene von hinten

Atreus' Sohn; auch hielt er mit Fleiß den eilenden Lauf an,

Daß nicht wo anprellend im Weg die stampfenden Rosse

Beide Geschirr' umstürzten von schönem Geflecht und sie selber

Dort in den Staub hinsänken, gereizt von Begierde des Sieges.

Scheltend begann nunmehr der bräunliche Held Menelaos:

Keiner, Antilochos, gleicht an verderblichem Sinne dir selber!

Geh! Wir nannten dich falsch den Verständigen sonst, wir Achaier!

Doch nicht sollst du fürwahr ohn Eidschwur nehmen den Kampfpreis!

Dieses gesagt, ermahnt' er mit lautem Rufe die Rosse:

Weilet mir nicht so träg und steht nicht trauernden Herzens!

Bald wird jenen die Kraft der Knie und Schenkel erstarren,

Eher denn euch: denn beiden verschwand die blühende Jugend!

Jener sprach's; und geschreckt von des Königes scheltendem Zuruf,

Sprangen sie schneller dahin, und bald nun nahten sie jenen.

Argos' Söhn' indessen im Kampfkreis schaueten sitzend,

Wie die Gespann hinflogen in stäubendem Lauf durch die Felder.

Kretas Herrscher zuerst, Idomeneus, merkte die Rosse;

Denn er saß aus dem Kreise getrennt auf der höheren Warte.

Jenen anjetzt von fern, der laut herdrohte, vernehmend,

Kannt er und merkte das Roß, das hell und kennbar hervorschien:

Welchem rötlich umher der Leib war, aber die Stirne

Weiß die geründete Blässe bezeichnete, ähnlich dem Vollmond.

Aufrecht stand der König und redete vor den Argeiern:

Freunde, des Volks von Argos erhabene Fürsten und Pfleger,

Kenn ich allein die Rosse der Kommenden oder auch ihr dort?

Andere dünken mir jetzt die vorderen Rosse der Kämpfer,

Auch ihr Lenker erscheint ein anderer. Jene vielleicht sind

Dort im Gefilde verletzt, die hinauf die tapfersten waren.

Denn zwar sah ich zuerst sie herum an dem Ziele sich schwingen,[403]

Doch nun kann ich sie nirgend ersehn, ob rings mir die Augen

Durch der Troer Gefild umherschaun forschenden Blickes.

Sind dem Lenker vielleicht die Zügel entflohn und vermocht er

Nicht zu wenden ums Ziel und traf unglücklich die Beugung?

Dort wohl stürzt' er vom Sessel herab und der Wagen zerbrach ihm,

Und es entsprangen zerscheucht mit verwildertem Geiste die Stuten.

Aber schauet auch ihr und erhebet euch! Nicht ja vermag ich

Jene genau zu erkennen; doch dünkt der Lenker des Wagens

Mir der ätolische Mann, der Argos' Scharen beherrschet,

Tydeus', des reisigen Sohn, der starke Held Diomedes.

Höhnend verwies ihm Ajas, der schnelle Sohn des Oileus:

Was weissagst du so laut, Idomeneus? Ferne hinweg ja

Fliegen gehobenen Hufs die Ross' im weiten Gefilde!

Nicht doch bist du der jüngste so sehr im Volk der Argeier,

Noch sind dir am schärfsten im Haupt die spähenden Augen!

Aber du warst beständig ein Plauderer! Nicht ja geziemt dir,

Rasch mit der Zunge zu sein; denn hier sind bessere Männer!

Dort sind die Stuten annoch die vorderen, so wie im Anfang,

Und noch fährt Eumelos, die lenkenden Seil' in den Händen!

Aber voll Zorns antwortete drauf der Herrscher von Kreta:

Ajas, im Zank der erste, du Lästerer! Anderer Tugend

Trägst du wenig im Volk; denn du bist unfreundlichen Herzens!

Hurtig, ein Dreifuß steh uns Wettenden oder ein Becken,

Aber ein Zeuge des Streits sei Atreus' Sohn Agamemnon,

Wessen die vorderen Rosse, damit du es büßend erkennest!

Jener sprach's, da erhob sich der schnelle Sohn des Oileus

Zürnenden Muts, noch mehr der heftigen Worte zu wechseln.

Und noch hätten fortan die Zankenden beide geeifert,

Wenn nicht Achilleus selbst sich emporhob, also beginnend:

Nicht mehr jetzt miteinander der heftigen Worte gewechselt,

Ajas und Idomeneus du; denn wenig geziemt's euch!

Selbst ja tadeltet ihr's, wenn ein anderer solches begönne.

Aber sitzt ihr ruhig im Kreis und schaut nach den Rossen

Forschend hinauf, bald werden, gereizt von Begierde des Sieges,

Jene von selbst ankommen; dann mögt ihr jeder erkennen,

Welches Gespann der Argeier voranläuft, welches dahinten.

Also der Held; da nahte mit raschem Gespann Diomedes.[404]

Immer umschwang er die Schultern und geißelte; aber die Rosse

Hoben sich hoch von der Erde, den Weg in Eile vollendend.

Immer auch flog um den Lenker der Staub, von den Hufen gesprenget,

Während der prangende Wagen, mit Zinn und Golde gezieret,

Schnell dem Sturm des Gespanns nachrasselte, und nur ein wenig

Tauchte von hinten das Gleis der erzbeschlagenen Räder

In den gelockerten Staub; so eileten fliegend die Rosse.

Mitten nun hielt er im Kreis, und es quoll den dampfenden Rossen

Ringsum Schweiß von den Nacken und vorn von der Brust auf die Erde.

Selber darauf entsprang er dem hellumschimmerten Sessel,

Lehnete dann die Geißel ans Joch. Nicht säumte der tapfre

Sthenelos nun; er ergriff in freudiger Eile den Kampfpreis,

Gab dann hinwegzuführen das Weib den mutigen Freunden,

Samt dem gehenkelten Kessel, und lösete selber die Rosse.

Nächst ihm lenkte die Ross' Antilochos, Enkel des Neleus,

Welcher durch List, durch Schnelligkeit nicht, Menelaos zuvorkam.

Dennoch trieb Menelaos ihm nah die hurtigen Rosse.

Weit wie dem Rade das Roß entfernt ist, welches den Eigner

Trägt und gestreckt vor dem Wagen dahersprengt durch das Gefilde

(Hinten berührt's des Rades umschienten Rand mit den Haaren

Seines Schweifs, denn nah ihm enteilet es, und nur ein wenig

Raum ist, welcher es trennt im Lauf durch das weite Gefilde):

Auch so weit von dem edlen Antilochos blieb Menelaos

Nun zurück, da zuerst bis zum Scheibenwurf er zurückblieb;

Doch bald holt' er ihn ein, denn mutiger stets und entflammter

Sprang die Stut Agamemnons einher, die glänzende Äthe.

Hätte noch weiter die Bahn sich erstreckt den jagenden Kämpfern,

Sicherlich wär er voraus, doch wenigstens gleich ihm gekommen.

Aber Meriones darauf, Idomeneus' tapferer Kriegsfreund,

Blieb in Speerwurfweite vom rühmlichen Held Menelaos;

Denn am trägsten ihm war das Gespann schönmähniger Rosse,

Wenig er selbst auch geübt, ein Geschirr zu lenken im Wettkampf.

Endlich der Sohn Admetos' erschien zuletzt nach den andern,

Schleppend den zierlichen Wagen und vorwärts treibend die Rosse.

Mitleidsvoll erblickt' ihn der mutige Renner Achilleus,

Stand im Kreis der Argeier und sprach die geflügelten Worte:

Schaut, wie zuletzt der tapferste Mann sein edles Gespann lenkt![405]

Aber wohlan, ihm selber nach Billigkeit werde der Preise

Zweiter verliehn; doch der erste gebührt dem Sohne des Tydeus.

Jener sprach's, und alle sie billigten, was er geordnet.

Und nun hätt er das Roß ihm verliehn, denn die Danaer wollten's,

Hätt Antilochos nicht, der Sohn des erhabenen Nestor,

Schnell vom Sitz sich erhebend mit Peleus' Sohne gerechtet:

Heftig werd ich dir zürnen, Achilleus, wo du vollendest

Dieses Wort! Denn du willst mir selbst entwenden den Kampfpreis,

Denkend im Geist, weil jener Gespann und Wagen beschädigt,

Er ein trefflicher Mann! Allein den unsterblichen Göttern

Sollt er flehn; nie wär er zuletzt mit dem Wagen gekommen!

Aber bedaurst du ihn und gefällt es dir also im Herzen,

Siehe, so hast du im Zelte des Goldes viel und des Erzes,

Hast auch Schaf' und Mägde genug und stampfende Rosse;

Nimm davon und ehr ihn sogar mit höherem Kampfpreis

Künftig oder auch gleich, damit die Achaier dich loben.

Aber nie entsag ich dem Roß! Um dieses versuche,

Welcher Mann es begehrt, mit mir im Kampfe zu streiten!

Sprach's; und lächelnd vernahm es der mutige Renner Achilleus,

Seines Antilochos froh, der ihm ein trauter Genoß war.

Ihm antwortet' er drauf und sprach die geflügelten Worte:

Soll ich, Antilochos, denn ein andres Geschenk dem Eumelos

Geben aus meinem Gezelt, ich will dir auch dieses gewähren.

Ihm denn schenk ich den Harnisch, von Asteropäos erbeutet,

Dem um die eherne Scheib ein Guß hellstrahlenden Zinnes

Ringsumher sich dreht, nicht wenig wird er ihm wert sein.

Sprach's, und Automedon drauf, dem trauten Freunde, gebot er,

Aus dem Gezelt ihn zu bringen; er eilt' und brachte den Harnisch.

Diesen reicht' er Eumelos, und freudig nahm ihn der König.

Jetzo stand Menelaos empor, unmutigen Herzens,

Zürnend mit Ungestüm dem Antilochos, aber ein Herold

Reicht' in die Händ' ihm den Zepter und rief, Stillschweigen gebietend

Argos' Volk; und jetzo begann der göttliche Kämpfer:

Welche Tat begingst du, Antilochos, sonst so verständig?

Meine Tugend hast du geschmäht und die Rosse gehindert,

Deine mit List vordrängend, die weit geringer doch waren!

Aber wohlan, der Argeier erhabene Fürsten und Pfleger,[406]

Schlichtet das Recht uns beiden nach Billigkeit, keinem zuliebe,

Daß nicht jemand sage der erzumschirmten Achaier:

Trüglich hat Atreus' Sohn den Antilochos überwältigt

Und ihn der Stute beraubt, da weit geringer doch waren

Seine Ross', er selber an Macht vorragend und Stärke.

Aber ich selbst will schlichten, und schwerlich wird, was ich sage,

Tadeln sonst ein Achaier im Volk; denn gerecht sei der Ausspruch.

Auf, Antilochos, komm, du Göttlicher, und nach der Sitte

Vor die Rosse gestellt und des Wagens Geschirr, in den Händen

Haltend die schwanke Geißel, womit du eben gelenket,

Rühre die Ross' und schwöre zum Erderschüttrer Poseidon,

Daß du nicht vorsätzlich mit List mir den Wagen gehindert!

Und der verständige Jüngling Antilochos sagte dagegen:

Zähme dein Herz, du siehst ja, ich bin weit jüngeren Alters,

Edler Fürst Menelaos, du ragst an Jahren und Tugend.

Weißt du doch, wie ein Jüngling sich leicht zu Vergehungen wendet:

Übereilt ist ihr flatternder Sinn und eitel ihr Ratschluß.

Drum laß jetzo das Herz dir besänftigen. Gern ja die Stute

Geb ich dir, die ich nahm; und fordertest du von dem Meinen

Sonst ein Größeres noch, mit Freudigkeit brächt ich sogleich es

Dir zum Geschenk; nur daß ich, o göttlicher Held, nicht auf immer

Deinem Herzen entfall und sündige wider die Götter!

Sprach's und führte das Roß, der Sohn des erhabenen Nestor,

Gab es sodann in die Hand Menelaos'. Jenem durchdrang nun

Wonne das Herz. Wie der Tau sich mild um die Ähren verbreitet

Frisch aufwachsender Saat, wann ringsum starren die Felder,

So durchdrang, Menelaos, dein Herz erfrischende Wonne.

Und er begann zu jenem und sprach die geflügelten Worte:

Jetzo will ich selber, Antilochos, gerne dir nach sehn,

Eifert ich schon; denn nicht ausschweifenden, flatternden Geistes

Warst du vordem, und jetzo besiegte dein Herz nur die Jugend;

Aber hinfort vermeide, die Besseren schlau zu belisten.

Nicht so leicht hätt ein anderer mich der Achaier besänftigt,

Doch du hast ja so vieles getan und so vieles erduldet,

Meinethalb; du selbst und dein tapferer Vater und Bruder.

Drum willfahr ich gerne dir Flehendem, und auch die Stute

Geb ich, die meinige, dir, daß all umher es erkennen,[407]

Weit sei entfernt mein Herz von Übermut und Gewalttat.

Dieses gesagt, gab jener Antilochos' Freunde Noemon

Wegzuführen das Roß und nahm sich das schimmernde Becken.

Aber Meriones nahm die zwei Talente des Goldes,

Er, der vierte des Kampfs. Der fünfte Preis, der zurückblieb,

War die doppelte Schale; die gab dem Nestor Achilleus,

Trug durch Argos' Söhne sie hin und redete nahend:

Nimm und bewahr', o Greis, dies Denkmal unserer Freundschaft

Zu des begrabnen Patroklos' Erinnerung! Nimmer hinfort ihn

Schaust du in Argos' Volk! Ich gewähre dir diesen Kampfpreis

Frei, auch teilst du schwerlich den Faustkampf oder das Ringen,

Noch das Spiel des geschwungenen Speers, noch hurtiger Schenkel

Wettlauf; denn schon drückt dich die Last des höheren Alters.

Sprach's und reicht' ihm die Schal, und freudig nahm sie der König;

Und er begann zu jenem und sprach die geflügelten Worte:

Wahrlich, o Sohn, du hast wohlziemende Worte geredet.

Nicht mehr fest sind die Glieder, die Füße, mein Freund, auch die Arme

Regen sich nicht von den Schultern so leicht und behende wie ehmals.

Wär ich so jugendlich noch und ungeschwächten Vermögens

Wie in Buprasion einst am Leichenfest Amarynkeus',

Als Kampfpreise gesetzt des epeiischen Königes Kinder!

Dort war mir nicht einer an Kraft gleich, nicht der Epeier

Noch der Pylier selbst, noch auch der erhabnen Ätoler.

Denn mit der Faust besiegt ich des Enops Sohn Klytomedes,

Ringend drauf Ankäos von Pleuron, welcher mir aufstand;

Eilete dann vorüber dem fertigen Läufer Iphiklos;

Schoß dann ab mit dem Speere den Phyleus samt Polydoros.

Nur mit Rossen gewannen mir ab die Aktorionen,

Aber an Zahl vorstrebend, im neidischen Durste des Sieges;

Denn dort waren die größten der herrlichen Preise noch übrig.

Beide nun fuhren gepaart: der hielt und lenkte die Zügel,

Lenkte die Zügel mit Macht, und der andere trieb mit der Geißel.

So war ich einst! Doch jetzo vergönn ich es jüngeren Männern,

Solcherlei Taten zu tun, ich selbst vom traurigen Alter

Abgelöst; doch damals, wie schimmert ich unter den Helden!

Gehe denn hin und feire den Tod des Genossen mit Wettkampf.

Gern empfang ich dieses Geschenk, und es freuet mein Herz sich,[408]

Daß du noch meiner gedenkst, des Liebenden, nimmer vergessend,

Mich mit geziemender Ehr in Argos' Volke zu ehren.

Lohnen es dir die Götter mit herzerfreuendem Danke!

Jener sprach's; und Achilleus, die Schar der Achaier durchwandelnd,

Ging, nachdem er das Lob des Neleiaden vernommen.

Jetzt der schrecklichen Wette des Faustkampfs setzt' er die Preise.

Führend band er im Kreis ein arbeitduldendes Maultier,

Ungezähmt' sechsjährig und hart zu bezähmenden Trotzes;

Doch dem Besiegeten ward ein doppelter Becher beschieden.

Aufrecht stand der Peleid und redete vor den Argeiern:

Atreus' Söhn' und ihr andern, ihr hellumschienten Achaier,

Hierum laßt zween Männer, die tapfersten hier, sich bekämpfen,

Hoch die Händ' aufhebend zum Faustkampf. Wem nun Apollon

Gibt, als Sieger zu stehn, erkannt von allen Achaiern,

Solcher führ ins Gezelt das arbeitduldende Maultier;

Doch wer im Kampf erlag, empfange den doppelten Becher.

Jener sprach's; da erhob sich ein Mann, machtvoll und gewaltig,

Panopeus' Sohn Epeios, geübt in der Kunde des Faustkampfs.

Der nun rief, anfassend das arbeitduldende Maultier:

Komme heran, wer begehrt den doppelten Becher zu nehmen!

Aber das Maultier, mein ich, entführt kein andrer Achaier,

Siegend im Kampfe der Faust; denn ich rühme mich selber den besten.

Nicht genug, daß der Schlacht ich ermangele? Traun, ja unmöglich

Könnt in jeglichem Werk ein Sterblicher Kunde gewinnen.

Dieses verkünd ich zuvor, und das wird wahrlich vollendet:

Ganz den Leib zerschmettr ich umher und Gebeine zermalm ich!

Bleibe denn hier miteinander die Schar der Leichenbesorger,

Daß sie den Mann wegtragen, von meiner Stärke gebändigt.

Jener sprach's; doch alle verstummten umher und schwiegen.

Nur der göttliche Mann Euryalos trat ihm entgegen,

Er, des Mekistheus Sohn, des taläonidischen Herrschers,

Welcher in Thebe vordem am Leichenfest des erschlagnen

Ödipus alles Volk der Kadmeionen besieget.

Emsig bereitete diesen der speerberühmte Tydeide,

Sprach ermunternde Wort' und wünscht' ihm herzlich den Siegsruhm.

Erstlich legt' er den Gürtel ihm dar und reichte darauf ihm

Schöngeschnittene Riemen des mächtigen Stiers von der Weide.[409]

Als sich beide gegürtet, da traten sie vor in den Kampfkreis.

Gegeneinander zugleich mit gewaltigen Armen sich hebend,

Stürmten sie an, und es mischten die lastenden Arme sich ringsum;

Schrecklich erscholl um die Kiefer der Fäuste Geklatsch, und der Angstschweiß

Floß von den Gliedern herab. Nun erhob sich der edle Epeios

Hoch und schlug auf den Backen des Schauenden, daß er nicht länger

Stehen konnt und zur Erde die blühenden Glieder ihm sanken.

Wie vor dem kräuselnden Nord ein Fisch aus dem Wasser emporspringt

Am meergrasigen Strand und die dunkele Wog ihn bedecket,

So von dem Streich aufsprang er. Allein der erhabne Epeios

Stellt' ihn empor bei den Händen, und traute Freund', ihn umeilend,

Führten ihn weg durch den Kreis mit schwernachschleppenden Füßen,

Dickes Blut ausspeiend, das Haupt gehängt auf die Schulter;

Zwischen sich dann den Betäubten und Irrenden setzten sie nieder.

Andere gingen indes und trugen den doppelten Becher.

Peleus' Sohn nun setzte noch andere Preise des Kampfes,

Zeigend dem Danaervolk, des mühsamstrebenden Ringens:

Erst dem Sieger ein groß dreifüßig Geschirr auf dem Feuer,

Welches an Wert zwölf Rinder bei sich die Danaer schätzten;

Doch dem Besiegeten stellt' er ein blühendes Weib in den Kampfkreis,

Klug in mancherlei Kunst und geschätzt vier Rinder an Werte.

Aufrecht stand der Peleid' und redete vor den Argeiern:

Kommt hervor, wer begehrt auch diesen Kampf zu versuchen!

Jener sprach's, da erhub sich der Telamonier Ajas,

Auch der erfindungsreiche Odysseus, kundig des Vorteils.

Als sich beide gegürtet, da traten sie vor in den Kampfkreis,

Faßten sich dann, einander umschmiegt mit gewaltigen Armen,

Gleich den begegnenden Sparren, die fest der Zimmerer fügte,

Eines erhabnen Gebäus, die Gewalt der Winde vermeidend.

Beiden knirschte der Rücken, von stark umschlungenen Armen

Angestrengt und gezuckt, und es strömte der Schweiß von den Gliedern;

Aber häufige Striemen umher an den Seiten und Schultern,

Rot von schwellendem Blut, erhoben sich; immer voll Sehnsucht

Rangen sie beide nach Sieg um den schöngegossenen Dreifuß.

Weder Odysseus vermocht ihn verrückt auf den Boden zu schmettern,

Noch auch Ajas vermocht' es, gehemmt von der Kraft des Odysseus.

Aber nachdem schon murrten die hellumschienten Achaier,[410]

Jetzo begann zu jenem der Telamonier Ajas:

Edler Laertiad, erfindungsreicher Odysseus,

Hebe mich oder ich dich, für das übrige sorge Kronion!

Sprach's und hob ihn empor; doch der List vergaß nicht Odysseus,

Schlug ihm von hinten die Beugung des Knies und löst' ihm die Glieder.

Rücklings warf er ihn hin, und es sank von oben Odysseus

Ihm auf die Brust; rings schauten erstaunt und wundernd die Völker.

Jetzo hob auch jenen der herrliche Dulder Odysseus

Und bewegt' ihn vom Boden ein weniges, nicht ihn erhebend;

Dennoch beugt' er sein Knie. Da sanken sie beid auf den Boden

Dicht aneinander hinab, ringsum mit Staube besudelt.

Und zum drittenmal hätten sie beid' aufspringend gerungen,

Aber Achilleus erhob sich und hemmte sie, also beginnend:

Nicht mehr strebt miteinander, euch selbst abmattend in Arbeit.

Beiden gebührt der Sieg; mit gleichem Preis denn belohnet

Geht, damit noch andre der Danaer eifern im Kampfspiel.

Jener sprach's, da hörten sie aufmerksam und gehorchten,

Wischten sich ab den Staub und hüllten die Rock' um die Schultern.

Peleus' Sohn nun setzte noch andere Preise dem Wettlauf:

Einen silbernen Krug von prangender Kunst; er umfaßte

Sechs der Maß und besiegt' an Schönheit all auf der Erde

Weit, denn kunsterfahrne Sidonier schufen ihn sinnreich;

Aber phönikische Männer, auf finsteren Wogen ihn bringend,

Boten in Häfen ihn feil und schenkten ihn endlich dem Thoas;

Drauf für den Priamiden Lykaon gab zur Bezahlung

Ihn dem Held Patroklos Jasons Sohn Euneos.

Den nun setzt' Achilleus, den Freund zu ehren, zum Kampfpreis

Ihm, der am schnellsten im Laufe der hurtigen Schenkel erschiene;

Einen mächtigen Stier dem folgenden, schwer des Fettes,

Drauf des Goldes ein halbes Talent bestimmt' er dem letzten.

Aufrecht stand der Peleid und redete vor den Argeiern:

Kommt hervor, wer begehrt, auch diesen Kampf zu versuchen!

Sprach's, und Ajas erhob sich, der schnelle Sohn des Oileus,

Drauf Odysseus, im Rate gewandt, und Antilochos endlich,

Nestors Sohn; denn rasch vor den Jünglingen siegt' er im Wettlauf.

Alle gereiht nun standen, es wies das Zeichen Achilleus.

Ihnen erstreckte der Lauf von dem Stande sich, aber in Eile[411]

Stürmete Ajas voran; ihm flog der edle Odysseus

Nahe gedrängt. So wie dicht an des schöngegürteten Weibes

Busen das Webschiff fliegt, das schön mit den Händen sie herwirft,

Zartes Gespinst ausziehend zum Eintrag, nahe dem Busen

Lenkt sie es: also verfolgt' ihn Odysseus nah, und von hinten

Trat er die Spur mit den Füßen, eh fallend der Sand sie bedeckte.

Und an den Nacken ihm strömte den Hauch der edle Odysseus

Stets im geflügelten Lauf, und daher schrien alle Achaier

Ihm, wie er strebte nach Sieg, den Eilenden mehr noch ermunternd.

Als sie dem Ende des Laufs nun naheten, betet' Odysseus

Schnell zu des mächtigen Zeus blauäugiger Tochter im Herzen:

Höre mich, Göttin, mit Huld und bringe mir Hilfe zum Wettlauf!

Also sprach er flehend! ihn hörete Pallas Athene.

Leicht ihm schuf sie die Glieder, die Füß' und die Arme von oben.

Als sie nunmehr annahten, hinanzufliegen zum Kampfpreis,

Jetzo strauchelte Ajas im Lauf, denn es irrt' ihn Athene,

Dort wo der Unrat lag der geschlachteten brüllenden Rinder,

Die zu Patroklos' Ehre der Peleione getötet;

Und mit dem Rinderkot ward Mund und Nas ihm besudelt.

Aber den Krug ergriff der herrliche Dulder Odysseus

Schnell, wie zuvor er kam, und den Stier der gewaltige Ajas.

Dieser stand, in den Händen das Horn des geweideten Rindes

Immer noch Kot ausspeiend, und redete vor den Argeiern:

Traun, wohl irrte die Göttin im Laufe mich, welche von jeher

Mütterlich naht dem Odysseus, ihm beizustehn und zu helfen!

Jener sprach's; und umher erhoben sie frohes Gelächter.

Auch Antilochos jetzo enttrug den letzten der Preise

Lächelnd umher, und also vor Argos' Söhnen begann er:

Freunde, das wißt ihr alle, doch sag ich es, daß auch anitzt noch

Ehre den älteren Menschen verleihn die unsterblichen Götter.

Ajas zwar ist nur ein weniges älter denn ich bin,

Jener indes ist früheren Stamms und früherer Menschen;

Doch man preist sein Alter ein grünendes; schwerlich gelingt es,

Daß im Lauf ihn ereil' ein Danaer, außer Achilleus.

Jener sprach's, lobpreisend den rüstigen Peleionen.

Aber Achilleus drauf antwortete, solches erwidernd:

Nicht umsonst, Antilochos, sei dies Lob dir geredet,[412]

Sondern ich will des Goldes ein halbes Talent dir hinzutun.

Sprach's und reicht' ihm das Gold; und freudig nahm es der Jüngling.

Jetzo trug der Peleide die weithinschattende Lanze

Samt dem Schild und dem Helm und legte sie nieder im Kampfkreis,

Jene Wehr des Sarpedon, die jüngst Patroklos erbeutet.

Aufrecht stand der Peleid und redete vor den Argeiern:

Hierum laßt zween Männer, die tapfersten unseres Heeres,

Beid in Waffen gehüllt und zerschneidendes Erz in den Händen,

Angestrengt einander vor Argos' Volk sich versuchen.

Wer nun den blühenden Leib des anderen eher verletzet,

Durch die Waffen das Fleisch und das dunkele Blut ihm berührend,

Dem gewähr ich zum Preise dies Schwert voll silberner Buckeln,

Schön, von thrakischer Kunst, das ich Asteropäos geraubet.

Aber die Rüstungen hier empfangen sie beide gemeinsam

Und mit köstlichem Mahle bewirt ich sie beid im Gezelte.

Jener sprach's; da erhob sich der Telamonier Ajas,

Auch der Tydeid erstand, der starke Held Diomedes.

Als sie nun beiderseits im versammelten Volk sich gewappnet,

Traten sie beid in die Mitte hervor, voll Begierde des Kampfes,

Mit androhendem Blick, und Staunen ergriff die Achaier.

Als sie nunmehr sich genaht, die Eilenden, gegeneinander,

Dreimal rannten sie an und dreimal stürmten sie nahe.

Ajas darauf stieß jenem den Schild von geründeter Wölbung,

Doch nicht rührt' er den Leib, ihm wehrt' inwendig der Harnisch.

Aber der Held Diomedes hinweg am mächtigen Schild ihm

Zielet' er stets nach dem Hals mit der blinkenden Schärfe des Speeres.

Laut nun riefen daher, um Ajas besorgt, die Achaier,

Daß sie vom Streit abließen und gleich sich teilten den Kampfpreis.

Aber Achilleus gab das große Schwert dem Tydeiden

Samt der Scheid in die Hand und dem schöngeschnittenen Riemen.

Jetzo trug der Peleide die rohgegossene Kugel,

Welche vordem geworfen Eetions mächtige Stärke:

Aber jenen erschlug der mutige Renner Achilleus

Und entführt' in Schiffen mit anderer Habe die Kugel.

Aufrecht stand der Peleid und redete vor den Argeiern:

Kommt hervor, wer begehrt, auch diesen Kampf zu versuchen!

Wenn er auch weit umher fruchttragende Äcker beherrschet,[413]

Hat er daran zu fünf umrollender Jahre Vollendung

Reichen Gebrauch; denn nimmer ihm darf aus Mangel des Eisens

Weder Hirt noch Pflüger zur Stadt gehn, sondern er reicht ihm.

Jener sprach's. Da erhob sich der streitbare Held Polypötes

Auch Leonteus' Kraft, des göttergleichen Beherrschers,

Ajas auch, der Telamonid, und der edle Epeios.

Alle gereiht nun standen; da faßt' Epeios die Kugel,

Schwang sie im Wirbel und warf; und es lachten umher die Achaier.

Hierauf nahm sie und warf des Ares Sprößling Leonteus;

Nächst ihm drauf entschwang sie der Telamonier Ajas

Aus der gewaltigen Hand, daß sie hinflog über die Zeichen.

Doch da die Kugel ergriff der streitbare Held Polypötes,

Weit wie ein Rinderhirt den gebogenen Stecken entschwinget,

Welcher im Wirbel gedreht hinfliegt durch die weidenden Rinder,

So ganz über den Kreis entschwang er sie; alle nun schrien auf.

Und es erhoben sich Freunde des göttlichen Manns Polypötes,

Die zu den räumigen Schiffen den Preis hintrugen des Königs.

Hierauf setzte den Schützen der Held blauschimmerndes Eisen,

Zehn zweischneidige Äxt' und zehn der Beile zum Kampfpreis.

Dann erhob er den Mast des schwarzgeschnäbelten Meerschiffs

Fern am kiesigen Strand, und eine schüchterne Taube

Band er daran mit dem Fuß an dünnem Faden, zum Ziele

Ihrem Geschoß. Wer nun die schüchterne Taube getroffen,

Nehme die doppelten Äxte gesamt, zum Gezelte sie tragend;

Wer indes den Faden nur trifft und den Vogel verfehlet,

Solcher mag wie besiegt mit den kleineren Beilen hinweggehn.

Jener sprach's, da erhob sich die Kraft des herrschenden Teukros,

Auch Meriones dann, Idomeneus' tapferer Kriegsfreund.

Beid itzt nahmen sich Los' und schüttelten; aber des Teukros

Sprang aus dem ehernen Helm. Sogleich von gespanneter Senne

Schnellt' er den Pfeil mit Gewalt, doch nicht gelobt' er dem Herrscher,

Feiernd die Dankhekatombe der Erstlingslämmer zu opfern.

Siehe, den Vogel verfehlt' er; denn ihm mißgönnt' es Apollon;

Aber er traf den Faden am Fuß des gebundenen Vogels,

Und es durchschnitt den Faden das Erz des herben Geschosses.

Aufwärts schwang die Taub in die Lüfte sich, aber herunter

Hing der Faden zur Erd, und laut aufschrien die Achaier.[414]

Eilend nunmehr entriß Meriones jenem den Bogen

Aus der Hand, denn den Pfeil hielt er längst bereit, um zu schnellen.

Alsobald gelobt' er dem treffenden Phöbos Apollon,

Feiernd die Dankhekatombe der Erstlingslämmer zu opfern.

Hoch nun unter den Wolken ersah er die schüchterne Taube,

Und wie im Kreise sie flog, durchschoß er sie unter dem Flügel.

Ganz hindurch drang stürmend der Pfeil, und zurück auf die Erde

Bohrt' er hinab vor den Fuß des Meriones; aber der Vogel

Ließ auf den Mast sich nieder des schwarzgeschnäbelten Meerschiffs,

Saß und senkte den Hals und die ausgebreiteten Flügel.

Bald entfloh aus den Gliedern der Geist, und ferne vom Mastbaum

Sank er hinab. Rings schauten erstaunt und wundernd die Völker.

Aber Meriones nahm die zehn zweischneidigen Äxte,

Teukros, die Beil' erhebend, durchging die gebogenen Schiffe.

Peleus' Sohn nun legte den ragenden Speer und ein Becken,

Rein von Glut, mit Blumen geziert, vom Werte des Stieres,

Hergebracht in den Kreis. Da erhoben sich Sender des Wurfspeers.

Erstlich erstand der Atreide, der Völkerfürst Agamemnon,

Auch Meriones dann, Idomeneus' tapferer Kriegsfreund.

Doch es begann vor ihnen der mutige Renner Achilleus:

Atreus' Sohn, wir wissen, wie weit du allen vorangehst,

Auch wie weit du an Kraft und Speerwurf alle besiegest.

Darum kehre du selbst mit diesem Preis zu den Schiffen;

Aber den Speer laß uns dem Held Meriones reichen,

Wenn es dir im Herzen gefällt; ich wenigstens rat' es.

Jener sprach's; ihm gehorchte der Völkerfürst Agamemnon.

Er nun reichte den Speer dem Meriones; aber der Held dort

Gab dem Herold Talthybios hin den prangenden Kampfpreis.

Quelle:
Homer: Ilias / Odyssee. München 1976, S. 391-415.
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Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

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