[386] Soldaten betriegen 1) Wenn sie sich freywillig werben lassen, und hernach wieder durchgehen bey ihrer Gefangennehmung aber sich damit entschuldigen /daß es im Trunck geschehen, oder man sie dazu gezungen habe. 2) Wenn sie sich / so lauge sie in Garnison und Quartier liegen / als gute tapffere Soldaten anstellen, so bald es aber ins Feld und / zum Treffen geht, das Haasen-Pannier ergreiffen. 3) Wenn sie Bürgern und Bauern / bey denen sie im Quartier liegen, das Ihrige entwenden / heimlich verkauffen / und hernach die Schuld auf ihre Cameraden schieben. 4) Wenn sie gleich beym ersten Eintritt ins Quartier mit poltern und grossem Ungestümm die Balletten übergeben / um dadurch die Haußwirthe gleichsam in ein Bocks-Horn zu jagen / daß diese ihnen gleich alles /was sie nur befehlen / herbey schaffen. 5) Wenn sie sich / damit sie nur einer vorseyenden Schlacht nicht beywohnen dürffen / kranck stellen und pro forma Artzneyen gebrauchen.[386] 6) Wenn sie bey einer Bataille auf ihre eigene Officiers, denen sie gehäßig sind / loßschiessen / und ihnen listager weise eines auf den Peltz versetzen, um sich also an ihnen zu rächen. 7) Wenn sie mit vergiffteten Gewehr und Waffen wider den Feind streiten. 8) Wenn sie nach erhaltener Victorie, unter dem Vorwand geschehener Erlaubniß / Beuthe machen und plündern. 9) Wenn sie zum Feind heimlich übergehen / und hernach vorgeben, sie wären in einer Rencontre oder sonsten von dem Feinde gefangen worden. 10) Wenn sie sich vor feste Leuthe / die von Stich und Geschoß frey seyn / ausgeben /und auch andere die Passauer Kunst belehren wollen /da sie doch solche selbst nicht wissen. 11) Wenn sie Sold und Mondur verpartiren oder verspielen, dann aber vorgeben / es sey ihnen gestohlen worden. 12) Wenn sie verloffene Vetteln mit sich herum führen, und vor ihre Weiber ausgeben / die sie doch nicht sind. 13) Wenn sie Weibs-Personen zu heyrathen bereden / auch sich mit denselben, um ihres Nutzens halber / zum Schein copuliren lassen / solche aber /wenn sie ins Feld kommen / durch ihre Officiers, mit denen sie es anlegen, unter dem Vorwand / man leide keine Weibs-Personen bey der Compagnie, fortjagen lassen. 14) Wann sie ihren Pferden behörigen Haber nicht geben, oder wann sie solchen in natura bekommen / heimlich etwas davon verkauffen. 15) Wenn sie Dienst- oder andern Mägden, von denen sie einen Genuß zu haben vermeynen, die Ehe versprechen /solche aber / da es nun zum Ab-March gehet / sitzen lassen. 16) Wenn sie ein paar Strümpffe[387] mehr als einmahl verkauffen / welches sie auf folgende Art meisterlich zu practiciren wissen / daß sie nemlich ein paar neugesrickte Strümpfe in ein sauberes Papier einwickeln / in Busen stecken / und darneben einige alte Lappen oder Werck gleichfalls in sauberes Papier gewickelt / im Busen stecken haben / dann damit vor das Thor gehen / und die Strümpfe denen aus- und eingehenden Bauers-Leuten um einen gar leidlichen Preiß / damit sie desto eher einen Käuffer dazu finden mögen / anbieten / solche, wo sich ein Liebhaber dazu findet / besehen lassen / aber auch gleich wieder in das Papier eingewickelt in den Busen stecken / und /so bald der Kauff richtig, und ihnen das Geld gezahlet worden / dem Käuffer das Papier mit denen alten Lappen, an statt der Strümpfe, hervor langen / und sich so gleich unsichtbar machen. 17) Wenn sie übergüldete Rechen-Pfennige in viele Tüchlein und Papiergen eingewickelt bey sich tragen, und solche einfältigen Bauern vor halbe Französische Douplonen verwechseln wollen. 18) Wenn sie bey der Demmerung und Abend-Zeit ins Becker-Hauß gehen, und sich bey demselben ein Brod, welches sie kauffen wollen /geben lassen, solchem aber / da es ihnen gereichet worden, allerhand Tadel beylegen / und um ein anderes zu hohlen bitten, immittelst aber, da der Becker nach einem andern gehet / das Licht ausblasen / und sich mit dem Brod unvermerckter weise davon schleichen. 19) Wenn sie auf denen Marchen einander zu Gaste laden / und der Gast vorhero sich seine Mahlzeit von dessen Quartiers-Mann bezahlen lässet. 20) Wenn sie in March-[388] Quartieren viel Haber auf die Pferde fordern / den übrigen aber heimlich aufpacken / und in dem folgenden Quartier verkauffen. 21) Wenn sie etwas von weisser Wäsche und dergleichen, das sie dem Quartiers-Mann vorhero gezeiget, durch ihre Cameraden mit Fleiß heimlich entwenden und verschleppen lassen, hernach aber beym Abzug die Leute im Hause beschuldigen / sie hätten es ihnen gestohlen, und also das Entwendete sich mit Geld bezahlen lassen. 22) Wenn sie allerhand fremde Speisen und, zumahlen bey der Fasten-Zeit, seltzame Fische dem Quartiers-Mann anfordern / und sich / weilen er solche nicht schaffen kan / mit Geld bezahlen lassen. 23) Wenn sie viele übrige Speisen aus einem Quartier in das andere mit sich führen, und daselbst / wo man ihnen ihr Tractament mit Geld bezahlet / verzehren. 24) Wenn sie von ihren Cameraden Weib und Kind borgen, bey Einrückung ins Quartier solche vor die ihrige ausgeben / und / da der Bauers-Mann sich wegen ihrer selbstigen Verpflegung mit Gelde abgefunden / solches Weib und Kind ihren Cameraden wieder zuschicken. 25) Wenn sie den Quartiers-Mann in die Stadt / um etwas vor sie einzukauffen / zu dem Ende schicken / damit sie indessen mit denen Seinigen desto freyer umgehen, oder etwas im Hause zu mausen, bessere Gelegenheit haben mögen. 26) Wenn sie, da ihnen das Geldfordern von denen Officiers verboten, entweder dem Hauß-Wirth mit einem Zeichen zu verstehen geben, daß er Geld unter den Teller legen soll / oder ihnen Hauß-Tuch zu Hembdern, Taback und dergleichen[389] anfordern. 27) Wenn sie bey militarischen Straffen / da etwa einer oder andere von ihren Cameraden durch die Spitz-Ruthen lauffen muß / mit ihren Spitz-Gerten darneben hinschlagen / oder mit offt verstellter Ausholung die Ruthen nur auf den Rücken fallen lassen / ohne daß es die Deliquenten fühlen. 28) Wenn sie / da sie, wegen eines Verbrechens / vom Corporal sollen geprügelt werden, ihren Rücken oder die Tombour / da sie in Bock gespannet werden sollen / s.v. ihren Hindersten mit dicken Lappen und Pappen ausfüttern, damit sie die Streiche desto weniger empfinden mögen. 29) Wenn sie, da sie auf den Esel reiten oder Flinten tragen sollen / ihr Untergesäß und Achseln ebenfalls mit allerhand Küßgen, hültzenen Tellern und Lappen füttern. 30) Wenn sie bey denen, so sie in Dienst nehmen / oder bey der Musterung / ihren rechten Tauff- und Zunahmen nicht anzeigen, noch ihren rechten Geburths-Orth nennen /sondern sich einen falschen Nahmen und Heimath zulegen, damit man sie bey dem desertiren so leicht nicht ausmachen / noch ihren rechten Nahmen an den Galgen schlagen könne. 31) Wenn sie bey Actionen, wo sie wider Feinde fechten sollen ihr Gewehr blind laden, oder mit Fleiß über die Feinde hinschiessen. 32) Wenn sie sich bey Werb- und Musterung vor ehrliche Leuthe ausgeben, da sich doch in der Haut wohl Schelmen / Diebe, Spitzbuben, Deserteurs, Provosen und Schinders-Knechte sind. 33) Wenn sie dem Feind durch Schiessen oder sonsten verrätherische Zeichen geben / oder die Losung offenbahren. 34) Wenn sie ihre Pferde[390] vorsetzlicher Weise verderben lassen, um dadurch abgedancket zu werden, oder ein bessers davor zu bekommen. 35) Wenn sie Spionen und Kundschaffter abgeben. 36) Wenn sie Huren und Concubinen heimlich in ihren Gezelten oder unter dem Habit eines Mannes bey sich haben / oder solche vor Köchinen ausgeben. 37) Wenn sie Compagnien weiß schwören sollen, sie ihre Finger zwar empor halten und äusserlich sich stellen / als ob sie würcklich schwüren / aber doch die Worte des Eydes nicht nachsprechen. 38) Wenn sie ihre gestohlene oder abgeraubte Sachen vor eine vom Feinde erhaltene Beute ausgeben. 39) Wenn sie in denen Städten, wo sie liegen, ihre erlernte Hanckwercke heimlich treiben und pfuschen. 40) Wenn sie als Gefangene vom Feind auf Parole sich binnen einer gesetzten Zeit wieder zustellen / auf eine gewisse Maase frey passiren / aber hernach wider ihr Versprechen gefliessentlich aussen bleiben. 41) Der Soldaten Betrug bestehet zum öfftern auch / wie sie auf dem March von ihren Wirthen Geld bekommen mögen, darinnen: Es stellet sich der Soldat / wenn er siehet / daß beym Wirth angehen mag / sehr douce und mitleidig, sucht denselben durch allerhand Erzehlungen beym Trunck recht treu- und offenhertzig zu machen, biß er ihn endlich auf die Discours von seiner Herrschafft und Obrigkeit bringet, da er sich dann bemühet, dem Bauer / welcher ohnehin ein schelmisch Gemüth hat, auf ungebührlich und nicht geziemende Schimpff- und Schmäh-Worte zubringen / ihm dann immer solche besser heraus zu locken den Weg bahnet / biß ihn dünckt daß er genug habe, alsdann er[391] seinen Cameraden, welche beyde einander wohl verstehen müssen, zum Zeugen anruffet / und den Bauer mit folgenden Worten anredet: Bist du nicht ein rechter Galgen-Schwengel? Was hält man von einem solchen Unterthan / der von seiner Herrschafft und vorgesetzten Obrigkeit so schimpflich redet? Was meynest du wol, was du davor verdienet hast? Jetzt will ich hingehen / und es deinem Amt-Mann (Richter) anzeigen; und du, Camerad, must mir solches Zeuge seyn; stellet sich, als wolte er gehen, und durchaus sich nicht halten lassen, alsdann kommt der Bauer selbsten, giebt die besten Worte / bietet / 5. 6. 8. auch 10. und mehr Gulden, er möchte schweigen, und ihm nicht in ein so groß Unglück bringen /was ihm darmit gedienet seye, der Amt-Mann wäre ohnehin sehr scharff, dann thut der Soldat als liesse er sich bewegen, und nimmt was ihm der Bauer giebet, bekommt also auf diese Art ein gutes Quartier und auch Geld / so ihm gleichsam aufgedrungen wird. 42) Dergleichen geschiehet auch auf solche Art: Wenn sich der Soldat in den Stall schleicht / nimmt Seiffe reibt einer Kuh oder Ochsen die Zunge damit / dann wird es von Stund an nicht fressen und ihm immer der Schaum aus dem Maul gehen / wann dann die Bäurin solches wahrnimmt, ist sie in grosser Bestürtzung /der Soldat stellet sich als wüste er von nichts, fraget aber doch, was man ihm gäbe, wann er ihnen ihr Vieh wieder zurecht brächte / denn er wäre ein Artzt vom Vieh, accordirt so hoch er kan / fodert hernach Kohlen / Weyrauthen und was ihm sonst ohngefehr einfället, macht den Stall wohl zu und räuchert / so nur pro forma[392] geschiehet, nimmt aber unterdessen einen Zuber voll Wasser / schaut sich nach Saltz um, und reibt dem Vieh die Zunge darmit, und wäscht ihm das Maul mit Wasser aus / dann frist es augenblicklich wieder / und fehlet den Vieh wieder nichts, oder nimmt eine kleine Stecknadel und steckt sie der Kuh (Ochsen) zu Ende des Schwantzes in die Röhre, dann wird solches Vieh von Stund an nicht fressen / sondern auch gantz miserable werden, wann er dann mit dem Bauer um den Lohn vor seine Cur einig worden ist, stellet er sich als schmier und räuchere er sie mit allerhand Species, ziehet unterdessen die Nadel wie der heraus / dann ist es ebenfalls wieder gut.
Mittel: Daß auf den Marchen durch die zu jeder Compagnie abgeordnete Land-Commissarios den Soldaten Sommerszeit ausserhalb den Dörffern zu campiren ein Platz angewiesen / und ihnen dahin ihr Deputat an gekochten Speisen und Getranckt verschaffet / Winterszeit aber sie zusammen in Wirths-Häuser gethan und beyseyns ihrer Unter-Officiers etappen-mäßig verpfleget / dabey aber noch dahin gesehen werde / daß vom jedem Regiment ein oder zwey Officiers zu Ostagers oder Geisseln / welche vor alle auf dem March vorgehende Excesse hafften müssen / wie sonsten auch im Fränckischen Creyse eingeführet / gestellet werden. Allen übrigen obangeführten Betrügereyen kan auch am besten mittelst Abfassung besonderer darauf gerichteter Kriegs-Articuln / March-reglements und Edicten / worzu das nun zum fünfften mahl edirte Corpus Juris militaris die hinlänglichste Anleitung giebet / Abbruch und Einhalte geschehen / wann zumahln die behörige scharffe Kriegs-Disciplin dazu adhibiret wird.
Buchempfehlung
Diese Blätter, welche ich unter den geheimen Papieren meiner Frau, Jukunde Haller, gefunden habe, lege ich der Welt vor Augen; nichts davon als die Ueberschriften der Kapitel ist mein Werk, das übrige alles ist aus der Feder meiner Schwiegermutter, der Himmel tröste sie, geflossen. – Wozu doch den Weibern die Kunst zu schreiben nutzen mag? Ihre Thorheiten und die Fehler ihrer Männer zu verewigen? – Ich bedaure meinen seligen Schwiegervater, er mag in guten Händen gewesen seyn! – Mir möchte meine Jukunde mit solchen Dingen kommen. Ein jeder nehme sich das Beste aus diesem Geschreibsel, so wie auch ich gethan habe.
270 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro