Fünfter Auftritt

[14] Vorige. Oberförster. Hernach Matthes.


OBERFÖRSTER. Noch hier? – Plagt dich denn –

ANTON. Eben wollte ich – Will gehen.

OBERFÖRSTER. Bleib! – Matthes!

MATTHES kömmt.

OBERFÖRSTER. Seine Nachtmütze. Matthes ab. Wieder ins Bette. Ich will fort.

ANTON. Ich war schon auf dem Wege, aber die Mutter –

OBERFÖRSTERIN. Ich – – hatte ihm was zu sagen. Ich habe es ihm befohlen, er sollte dableiben.

OBERFÖRSTER. Das ist ein ander Ding. Zu Anton. So mußtest du dableiben. Zu Matthes. Geht Eurer Wege! Zur Oberförsterin. Faß dich ein andermal kürzer.

ANTON. Adieu, Vater.

OBERFÖRSTER. Aufgepaßt – nicht eingekehrt – Fix! Um zehn Uhr wieder hier. Allons, marsch! Anton und Rudolph ab.

OBERFÖRSTERIN. Ruf ihm doch nach, sag ihm, daß er von der Sau wegbleibt. Christian ist erst gestern geschlagen, und –

OBERFÖRSTER. Wenn du sie anlaufen lassen willst, so kann er zu Hause bleiben.

OBERFÖRSTERIN mit gutmütigem Auffahren. Ei was! Ich muß dir meine Meinung einmal kurzweg sagen.

OBERFÖRSTER. Hahaha! Das kannst du nicht.

OBERFÖRSTERIN. Was? Was kann ich nicht?[14]

OBERFÖRSTER. Kurzweg sprechen.

OBERFÖRSTERIN. Nun, so will ich gar kein Wort sprechen. Geht an den Kaffeetisch, schenkt ein und murmelt dazu. Man möchte ersticken!

OBERFÖRSTER. Wenn du beim Nachtwächter anfängst, so hörst du beim türkischen Kaiser auf.

OBERFÖRSTERIN. Aus dem ewigen Bellen und Lärmen kömmt nichts heraus. Der Junge ist so übel nicht.

OBERFÖRSTER. Richtig. Darum soll er noch besser werden.

OBERFÖRSTERIN. Hm – ein Mensch ist kein Engel, und Anton –

OBERFÖRSTER. Nun – hat auch noch zu laufen bis dahin.

OBERFÖRSTERIN. Das verwünschte Auffahren – das!

OBERFÖRSTER. Bilde dir nicht ein, daß du ihn lieber hättest als ich. Der Junge ist wild wie der Teufel. Wenn ich gut wäre wie eine Schlafmütze, ich glaube, er steckte uns das Haus über dem Kopf an. – He – – Matthes!

MATTHES. Herr Oberförster?

OBERFÖRSTER. Mein Morgenbrot!

MATTHES ab.

OBERFÖRSTERIN. Höre einmal – wie steht es denn mit Mamsell Kordelchen vom Amte?

OBERFÖRSTER. Ist sie krank? Frag den Doktor.

OBERFÖRSTERIN. Nicht doch. Ich meine – hm – wunderlich – ich meine

OBERFÖRSTER. Was?

OBERFÖRSTERIN. Wenn mein Anton Mamsell Kordelchen heiratete.


Matthes bringt ein Glas Wasser und Brot, nebst einem Messer.


OBERFÖRSTER mit bedeutend verdrießlichem Blick. Darauf weiß ich dir nicht zu antworten. – Matthes – ist dem Schulzen sein Bauholz angewiesen?

MATTHES. Ja.

OBERFÖRSTER. Um welche Zeit?

MATTHES. Gestern abend um vier Uhr.

OBERFÖRSTER. Es ist gut. Ihr habt mich zeither oft belogen; wenn dies wieder nicht wahr ist, so schicke ich Euch fort. Eure Zeit ist ohnedies heute ganz um.[15]

MATTHES. Herr Oberförster – ich nehme es an und ziehe gleich ab.

OBERFÖRSTER. So? – Nun – – wenn Ihr wollt, ich kann schon wollen. – Da ist Euer Geld.

MATTHES. Empfehle mich. Ab.

OBERFÖRSTER. Gute Besserung. Ich bin froh, daß ich den Menschen los bin – es ist ein böser Bube.

OBERFÖRSTERIN die, als Matthes kam, wieder an ihren Kaffeetisch gegangen war. Gift und Galle muß man trinken!

OBERFÖRSTER. Was?

OBERFÖRSTERIN. Ich sage kein Wort – kein Sterbenswort. Aber – aber – es drückt mir das Herz ab, wenn ich so sehen muß, daß –

OBERFÖRSTER. Es ist kein Auskommen mit der Frau. – Nun – ich will es einmal aushaken. Sprich – sag alles, was du weißt; aber alles! Denn so bald kriegst du mich nicht wieder.

OBERFÖRSTERIN. Sag mir nur, wozu bin ich da? Immer muß ich unrecht haben. Dies hätte ich so machen können, das wieder anders. Hier habe ich gesündigt; dort habe ich einen Bock geschossen. Bald hätte ich reden, bald schweigen sollen. Wenn ich den Mund auftue, habe ich unrecht. Was ich rede, ist einfältig. Ei, wozu hat man den Mund als zum Reden!

OBERFÖRSTER. Nun, mein Kind – hahaha – dazu brauchst du ihn auch.

OBERFÖRSTERIN. Ich? Wer – ich? Wenn läßt du mich denn wohl zum Worte kommen? Wo darf ich meine Meinung sagen? Auf Martini werden es zwei Jahr, daß ich zuerst von der Heirat gesprochen habe – da ging das Unglück los. Nun – ich habe geschwiegen – geschwiegen, was ich konnte. Nachher hat es der Herr Amtmann mir wieder unter den Fuß gegeben; aber sowie ich nur den Mund auftat – ward ich ja angelassen! Jetzt hat die Frau Amtmannin in der Kirche wieder angefangen: »Mamsell Kordelchen hätte meinen Anton gar zu gern.« Nun, denke ich, Ehen werden im Himmel geschlossen – und wenn es Gottes Wille ist, daß mein Anton Mamsell Kordelchen heiraten soll, so werden wir nichts dazu und nichts davon tun[16] können. Ich habe es gesagt. – Du bist Vater, wie ich Mutter. – Tu nun, was du willst – ich sage kein Wort mehr!

OBERFÖRSTER. Bist du fertig?

OBERFÖRSTERIN. Ja.

OBERFÖRSTER. Nun sprich nicht eher wieder, bis ich dich frage.

OBERFÖRSTERIN. O ich will nichts – gar kein Wort will ich sagen.

OBERFÖRSTER. Noch besser. Das Amt hat dir also die Heirat recht nahegelegt?

OBERFÖRSTERIN. Ja. Nahe – ganz nahe.

OBERFÖRSTER. Nun, eben darum liegt mir die Sache weit, weit – ganz weit.

OBERFÖRSTERIN. Nun, da haben wir's! Warum denn? Sag, warum?

OBERFÖRSTER. Sieh, mein Kind, was man so unter dem Preise weggibt, pflegt kein gangbarer Artikel mehr zu sein.

OBERFÖRSTERIN. Was? – Mamsell Kordelchen –

OBERFÖRSTER. Kurz, ist ein alter Ladenhüter.

OBERFÖRSTERIN. Wollte nicht der – hm – der – was war er – unter den Kürassierern – – und hernach der Oberbereiter von – von Dingsda! Wollten die sie nicht alle beide heiraten?

OBERFÖRSTER. Sie haben es gewollt, als sie auf dem Amtshof logierten. Du lieber Himmel! Was wollen solche Herren nicht, wenn sie freie Tafel spüren! Hernach sind sie weggeritten und haben es vergessen. Kurz – es geht ihr mit ihren Liebhabern wie uns mit unserm Röhrwasser – sie bleiben aus. Zum Notbedarf ist mein Sohn überall zu gut. Zum Notbedarf für eine Gaunersfamilie nun vollends.

OBERFÖRSTERIN. Gott bewahre! Was das für Reden sind!

OBERFÖRSTER. Verplaudre ich da wieder meinen Morgen mit dir. – Es ist überhaupt noch zu früh für ihn – der Junge soll gar noch nicht heiraten. Punktum.

OBERFÖRSTERIN. Und die schöne Doppelmariage, die das gegeben hätte, wenn Monsieur Zeck Riekchen geheiratet hätte!

OBERFÖRSTER. Ist das nicht ein Kreuz mit den Weibern![17] Sind sie jung, so lassen sie sich freien; und ist die Rechnung geschlossen, so haben sie die Wut, andre zu verfreien. Nun, nun – nur nicht böse! Du bist sonst ein kreuzbraves Weib, fromm – redlich – – wie ich sage, kreuzbrav – bis auf den alten Weiberverstand und die Liebe zu den harten Talern – kreuzbrav!

OBERFÖRSTERIN. Die harten Taler? Ja wenn ich nicht gewesen wäre! Bei dir würde es ja heißen:

»Alles verzehrt vor seinem End,

Macht ein – –«

OBERFÖRSTER. »Macht ein richtiges Testament.«

OBERFÖRSTERIN. Aber zum guten Glück habe ich meine paar tausend –

OBERFÖRSTER. Taler zusammengespart. – Ich bitte dich, schweig von dem Geldkapitel, sonst –

OBERFÖRSTERIN. Ich sollte nur nicht so acht –

OBERFÖRSTER. Höre, ich will –

OBERFÖRSTERIN. Wenn du nur gekonnt hättest, wie du –

OBERFÖRSTER. So höre doch!

OBERFÖRSTERIN. Was?

OBERFÖRSTER. Wieviel willst du haben? Ich kaufe dir das ab, was du noch hast sprechen wollen! Ja?


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Die Jäger. Stuttgart 1976, S. 14-18.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Jäger
Die Jäger. Ein ländliches Sittengemälde in fünf Aufzügen

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Geschichte der Abderiten

Geschichte der Abderiten

Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«

270 Seiten, 9.60 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon