Sechster Auftritt

[43] Vorige. Pastor Seebach.


PASTOR. Guten Morgen, Kinder.

FRIEDRIKE läuft ihm entgegen und küßt ihm die Hand.

ANTON. Guten Morgen, lieber Herr Pastor.

PASTOR. Herzlich wieder willkommen bei uns, liebe Tochter!

FRIEDRIKE. Wie Sie in Ihren Jahren doch noch so wohl aussehen!

PASTOR. Ja? Meinen Sie?

FRIEDRIKE. So recht heiter.

PASTOR. Je nun – gottlob! Sorgen habe ich nicht – überdem bin ich gern an dem Orte –

ANTON. Jedermann liebt Sie, wie einen Vater –

PASTOR. Nun, so muß ich ja wohl froh und gesund sein. Der Herr Oberförster – –

ANTON. Er ist ausgeritten, Holz anzuweisen.

PASTOR. Mein Besuch gilt ihm nicht. Ich bin eigentlich gekommen, Friedrikchen zu sehen. Liebe Tochter, wir haben die guten Nachrichten von Ihnen allemal zusammen gelesen, und es freuet mich recht, daß Sie so gut geworden sind.

FRIEDRIKE. Würdiger Mann – Sie nehmen noch so vielen Anteil an mir, ungeachtet –

PASTOR. Ungeachtet? Kind – errate ich, was Sie sagen wollten – so haben Sie mich betrübt.

FRIEDRIKE. Wieso?

PASTOR. Ungeachtet wir verschiedner Religionen sind – nicht wahr, das wollten Sie sagen?[43]

FRIEDRIKE. Dann müßte ich Sie nicht kennen, wenn ich es auch nur gedacht hätte. Ungeachtet meiner langen Entfernung, wollte ich sagen.

PASTOR. Ich halte mich für den besondern Freund eines jeden aus diesem Orte; der Kummer und die Freude eines jeden gehen mich nahe mit an. Was tut Entfernung zur Sache? Wo mein Rat, meine Hülfe nicht hinreichen, hören doch meine guten Wünsche nicht auf.

ANTON. Das ist gewiß, das weiß ich. Aber den Dank, den Sie dafür verdienen – –

PASTOR. Wollte ich meine Pflicht bloß auf die Zeit meines unmittelbaren Unterrichts, meine Liebe allein auf meine Gemeinde einschränken – o Kind – so wäre ich ein armer Mann – mit einem engen, engen Herzen.

ANTON. Ja, Sie nehmen Anteil an uns – wir erkennen es. Es ist niemand unter uns, dessen Herz Ihnen nicht offen stünde, der Sie nicht wie einen Vater liebte! Ach, ich bin nicht der letzte unter diesen, Sie wissen es.

PASTOR. Ja, mein Sohn.

ANTON. Ich hatte ein Geheimnis vor Ihnen – aber jetzt will ich mich Ihnen anvertrauen. Es ist die wichtigste Angelegenheit meines Lebens – Sie werden mir helfen. Ich liebe Friedriken – sie liebt mich. Meine Eltern sind gut; aber sie könnten dagegen sein, andre Absichten haben – und ich kann, ich kann keine andere lieben; und Riekchen niemanden als mich – sie hat es gesagt. Wir wären beide unglücklich! Sprechen Sie für uns – sagen Sie ihnen das, und machen Sie ein glückliches Paar!

PASTOR. Ihr liebt euch?

ANTON. Ja.

PASTOR. Und Sie, liebes Kind?

FRIEDRIKE. Ich vereinige meine Bitten mit den seinigen.

PASTOR. Sollte aber das Zutrauen des Sohnes nicht zuerst den Eltern gebühren?

ANTON. Nun, ich habe ja dieses Zutrauen auch.

PASTOR. Ist das gut, wenn der Vater in dem wichtigsten Vorfall des Lebens die Wünsche und den Gehorsam des Sohnes durch einen Fremden erfährt?

ANTON mit Wärme. Ist es denn ein Fremder, den ich darum bitte?


Man hört Geräusch.
[44]

PASTOR. Nun, ich will davon sprechen – sobald ich Ihren Vater sehe – heute noch.

ANTON. Das ist mein Vater – ich kenne ihn am Gange. Reden Sie jetzt mit ihm. Ob du da bleibst? – Nein – geh mit – Komm! Oder – doch ja, geh mit. Geht ein paar Schritte. Nun, vergessen Sie es nicht – ich kann nicht leben ohne das Mädchen. Sehen Sie, die Tränen kommen mir aus den Augen – es ist wahrhaftig wahr. Komm, Riekchen. Ab mit Friedriken.

PASTOR. Guter, ehrlicher Anton!


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Die Jäger. Stuttgart 1976, S. 43-45.
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