[50] Pastor. Oberförsterin.
OBERFÖRSTERIN. Nein, das geht nicht. Alles Liebes und Gutes; aber das – Nun und nimmer nicht!
PASTOR. Haben Sie keine Einwendung gegen diese Heirat, als daß Riekchen nicht unserer Religion ist?
OBERFÖRSTERIN. Nein. Sonst keine.
PASTOR. Auch keinen Widerwillen, keine Abneigung irgendeiner Art?
OBERFÖRSTERIN. Nein.
PASTOR. So sind Sie verbunden, diese Heirat zuzugeben.
OBERFÖRSTERIN. Was? Das sagen Sie mir?
PASTOR. Ich. Es ist Ihre Pflicht.
OBERFÖRSTERIN. Sie sind unser Herr Pastor und sollten sich dawidersetzen; Ihre Pflicht fordert –[50]
PASTOR. Meine Pflicht ist, Glückseligkeit befördern, Duldung verbreiten – nicht verfolgen.
OBERFÖRSTERIN. Verfolgen? Ei behüte Gott, das sage ich nicht, das denke ich nicht einmal. Machen Sie mich doch nicht zu so einem gottlosen Weibe! Ich wünsche aller Welt Gutes – ich verfolge sie ja nicht.
PASTOR. Menschenglück hindern – ist das nicht verfolgen?
OBERFÖRSTERIN. Ach, Herr Pastor – ich wäre ja recht glücklich, wenn ich es zugeben könnte. Aber mein Gewissen – mein Gewissen darf ich doch auch nicht verletzen.
PASTOR. Sie glauben, diese andre Religion würde Ihren Kindern ein unglückliches Leben machen?
OBERFÖRSTERIN. Ja, das glaube ich. Das glaube ich und dabei bleibe ich.
PASTOR. Hat Friedrike Sie geehrt, geliebt wie eine Mutter?
OBERFÖRSTERIN. Ja, das muß ich bezeugen. – Sie ist ein dankbares Kind.
PASTOR. Ist sie sanft, gut – wohltätig?
OBERFÖRSTERIN. O ja. Ja, das ist sie.
PASTOR. Ist sie aufrichtig – fromm – sittsam?
OBERFÖRSTERIN. Das ist sie wahrhaftig. Aber – –
PASTOR. Nun, dann beruhigen Sie Ihr Gewissen. Eine Religion, die diese Tugenden lehrt, macht auch das Leben nicht unglücklich – Geben Sie die Heirat zu.
OBERFÖRSTERIN. Wenn ich auch wollte – nein, ich kann es wahrhaftig nicht zugeben – ich kann nicht.
PASTOR. Gute Frau – veraltetes Vorurteil ist nicht Gewissen. Wer Eigensinn Religion nennt, versündigt sich.
OBERFÖRSTERIN. Versündigen –
PASTOR. Auf alles, was Elternliebe tun kann, haben Sie ihr einmal Anspruch, gegeben. Sie können sie jetzt ganz glücklich machen – und wollen es nicht. Bedenken Sie die Folgen. Verbieten Sie die Heirat – so muß Friedrike aus dem Hause.
OBERFÖRSTERIN gerührt. Wenn es dahin kommen sollte – so soll es ihr doch an nichts fehlen.
PASTOR. An nichts fehlen? – O wir sind arme Menschen, wenn man uns das Bedürfnis unsres Herzens nimmt! Ihr Sohn? – Der junge Mensch ist heftig – Sie entreißen ihm ein tugendhaftes Mädchen, das er innig liebt. Sie sind eine [51] gute Mutter. Wollten Sie alles das auf Ihr Gewissen nehmen, wozu heftiger Schmerz den Jüngling verleiten könnte?
OBERFÖRSTERIN die Hände ringend. Ach Gott, wie quälen Sie mich!
PASTOR. Nun, mutig im Guten – Ihr Herz behalte die Oberhand, da die Vernunft ihm sagt, daß man Gott nicht ehrt, wenn man Menschenglück vernichtet.
OBERFÖRSTERIN. Es tut mir leid – es zerreißt mir das Herz, ich weine vor Angst. Aber man muß seine Schuldigkeit tun, ohne Menschenfurcht, Herr Pastor – ohne Menschenfurcht. Sie aber hätte ich für viel zu brav gehalten, als daß Sie sich von dem neumodischen Leichtsinn hätten hinreißen lassen.
PASTOR. Neumodisch? – Menschenliebe ist so alt als die Religion. – Nun meine letzte Vorstellung. Sie sind alt – Ihr Sohn kann diese Heirat verschieben – wollen Sie ihn zwingen, von dem Tage Ihres Todes an sein Glück zu rechnen?
OBERFÖRSTERIN. Will er so gottlos sein – Gott mag es ihm vergeben! – Ich kann nicht anders.
PASTOR mit edlem Eifer. O Vorurteil! Stärker als Mutterliebe für den einzigen Sohn – bist du so Herr über die besseren Menschen? Was kann man vom Haufen erwarten! Sie lassen mich bekümmert von hier gehen. – Nur das sage ich Ihnen noch: Ehren Sie diese verderbliche Beharrlichkeit nicht mit dem Namen Religionseifer. Jener ist erhaben und mild; was Sie äußern, ist Groll gegen Menschen, die – – nicht glauben, wie wir glauben. Meiner Vernunft und meinem Herzen bleibt hier nichts übrig als der Wunsch – Besserung. Im Gehen begegnet ihm der Oberförster.
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