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[105] Amtmann. Oberförsterin.
OBERFÖRSTERIN. Ach Herr Amtmann.
AMTMANN. Nun, was soll's werden?
OBERFÖRSTERIN. Lassen Sie mir nur Zeit – haben Sie nur ein wenig Geduld, Gott hat sie ja mit uns.
AMTMANN. Zur Sache, zur Sache!
OBERFÖRSTERIN. Ja, ja – gern. Von Herzen gern. Wenn Sie mich – – aber – erlauben Sie, ich muß mich setzen.
AMTMANN. Was wird das?
OBERFÖRSTERIN. O Herr! Ich bin alt – habe manches Kreuz auf der Welt getragen – habe viel ausgestanden – aber heute hat es mich zusammengeworfen. – Nun kann ich nicht weiter. Meinem Manne verberge ich es, soviel ich kann. Aber Herr Amtmann! Mutterherz geht über alles, und der Sohn sollte der Trost meiner alten Tage sein! In acht Tagen sollte er heiraten. Und hätte Gott meinen alten[105] Mann zu sich genommen, so hätte der mich pflegen sollen; und nun – der Atem vergeht mir. – Oh – Oh! Lassen Sie mich ausweinen. Sie steht auf und geht verzweiflend umher. Das Herz will mir zerspringen.
AMTMANN. Lieber Gott, es tut mir leid – es ist schade um sein junges Leben. Indes alles, was Sie mir gesagt haben, hat mir der Herr Pastor schon gesagt.
OBERFÖRSTERIN schnell. Nein, nein, das hat er nicht. O das kann er nicht. Er ist ein gelehrter Mann, ein guter Mann, er meint es gut mit uns, er hat Antonen lieb – aber ich habe ihn geboren! Dreiundzwanzig Jahre lang habe ich ihn mit Angst und Freude heranwachsen sehen – dreiundzwanzig Jahre habe ich meine Hoffnung auf ihn gesetzt. Was ich für ihn sagen kann, das kann kein Mensch sagen! Kein Mensch – und auch sein Vater nicht – ich habe ihn geboren! Mutterliebe geht über alles. Ich weiß, wie ich gebetet habe, in der Stunde, als er zur Welt kam, daß ihn Gott gut und fromm werden lassen möchte; und er ist brav geworden und kann kein Mörder sein. Ich weiß, wie er erzogen ist, ich muß es vor Gott verantworten, und ich habe keinen boshaften Mörder an ihm erzogen!
AMTMANN. Sagen Sie mir nur, was Sie jetzt von mir wollen?
OBERFÖRSTERIN. Was ich will? Herr Amtmann! Sie haben ja auch zwei Kinder. Sie wissen wahrhaftig, was ich will.
AMTMANN. Das Geschehene kann ich nicht ungeschehen machen.
OBERFÖRSTERIN. Kann Geld meinem Anton helfen? Nehmen Sie unser halbes Vermögen, nehmen Sie es ganz – wenn wir ihm nur das Leben retten. Wir wollen uns verschreiben, mein Mann und ich, alles, was wir noch erwerben, wollen wir gern hergeben, wenn er nur das Leben behält. O ich will arbeiten Tag und Nacht, ich will für Ihre Kinder arbeiten, ich will nur trocknes Brot und Wasser haben, wenn ich meinem Anton das Leben erhalte.
AMTMANN. Ich will's wünschen! Aber – –
OBERFÖRSTERIN. Herr Amtmann, sein Sie barmherzig! Sie werden Segen an Ihren Kindern haben.
AMTMANN. Ich kann nichts bei der Sache tun.
OBERFÖRSTERIN sie kniet. Herr Amtmann, sein Sie[106] barmherzig, lassen Sie mich nicht in Verzweiflung weggehen!
AMTMANN. Was der Hof beschließt. Ich übergebe die Sache dem Hof.
OBERFÖRSTERIN aufstehend. Nun, lieber Gott! So übergebe ich ihn dir! Wenn du ihn retten willst, du kannst es. Tun Sie nach Ihrem Gewissen. Das Leben geht mir aus – beten kann ich nicht – Du hast mir ihn gegeben, du siehst meine Angst. Du wirst ihn erhalten – oder mein Leben barmherzig enden. Sie will fort.
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