Vierter Auftritt.

[14] Delomer. Der junge Dominique.


DOMINIQUE. Guten Morgen, lieber Vater! Sie sind heute sehr früh auf.

DELOMER. Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugethan, so habe ich auf diesen Morgen mich gefreut.

DOMINIQUE. Ich bitte um ein Geschenk, und an diesem Tage werden Sie es nicht verweigern.

DELOMER. Und das Geschenk ist?

DOMINIQUE. Daß Sie nun Ihr Wort halten, hier mit uns zu wohnen.

DELOMER. Bald, bald soll das geschehen.

DOMINIQUE. Des Handels überdrüßig, ziehe ich daher, aus einer Meyerey ohne Geräusch Landwirthschaft zu treiben. Sie überreden mich, statt deß, dieses Gut zu kaufen. Aus Ihren Wunsch richte ich dieß Schloß ein, weil Sie es mit uns bewohnen wollen –

DELOMER. Nur Geduld! wir kommen dahin.

DOMINIQUE. Sie selbst endigen alle Geschäfte, und bewohnen zwey Meilen von hier ein kleines unansehnliches Haus –[15]

DELOMER. Machen Sie mich nicht plaudern, Dominique! Es ist noch nicht Zeit dazu.

DOMINIQUE. Für mich allein ist dieser Besitz hier viel zu prunkvoll –

DELOMER. Das finde ich nicht.

DOMINIQUE. Man hält uns mit Gewalt für Edelleute –

DELOMER. Mag man doch!

DOMINIQUE. Meine Verlegenheit darüber –

DELOMER. Ihre übertriebene Anspruchlosigkeit macht Verlegenheit.

DOMINIQUE. Die benachbarten Edelleute verkehren immer hier, und so wird mir eine Lebensweise aufgenöthigt, bey der ich weder Ruhe noch Vergnügen habe.

DELOMER. Unsre Herrn Nachbarn brüsten sich mit dem Adel, den sie nicht besonders verdienen. Der thätige Bürger darf wohl hinausrücken, und erwerben, was er verdient.

DOMINIQUE. Den Adel? Um keinen Preiß! Ich will bleiben, was ich bin.

DELOMER. Dominique! – Doch jetzt keine Erklärung darüber! Im Allgemeinen nur so viel – Sie müssen die Freude meines Alters nicht stören.

DOMINIQUE. Mit jedem Opfer will ich sie befördern. Aber –

DELOMER. Darauf baue ich ganz.[16]

DOMINIQUE. Aber –

DELOMER. Lieber Sohn! verderben Sie mir keine Freude!

DOMINIQUE. Haben Sie nicht gesehen, wie es mich quält, wenn die Gräfin Warbing nach meinem Herrn Vater fragt, und wo sein Schloß in Bretagne läge –

DELOMER. Nun – lassen Sie mir doch den kleinen Spaß!

DOMINIQUE. Sie haben den Leuten das so ernstlich versichert, – daß ich leider schweigen muß.

DELOMER. Mein Sohn! es ist Ihnen gut, daß ich zuweilen durch Ihren Sinn fahre. Sie sind sehr unterrichtet, Sie haben viel Verstand; – aber Sie haben noch viel zu viel Jugendphantasien, und schwärmerische Träume. Sie kennen die Welt nicht genug. In sechs und zwanzig Jahren wirst man manches von sich, was nachher nicht wieder zu erlangen ist. – Wieder in tiefen Gedanken?

DOMINIQUE. Wenn ich meines ehrwürdigen Vaters denke, und daß ich den Anschein gebe, als wäre der wackere Bürger mir zu gering – Sie glauben es nicht, wie schmerzlich mir dann zu Sinne ist. Ach! wäre er dahin zu bringen gewesen, Paris zu verlassen, lebte er hier mit uns, und führten wir ferner das Leben thätiger Bürger, wie glücklich wären wir! Welch ein Himmel auf Erden wäre das![17]

DELOMER. Konnten wir in der Schreckenszeit zu Paris bleiben? War es nicht Ihres Vaters ernster Wille, daß wir flüchten sollten?

DOMINIQUE. Ach! daß meine heißen Bitten ihn nicht vermögen konnten, uns zu begleiten. Sechs Jahre von ihm getrennt – und seit vier Monaten nicht eine Zeile von ihm – nicht eine Zeile! Mein Herz ist so bewegt, und heute mehr als jemals.

DELOMER. Haben unsere Freunde nicht vor vier Wochen gemeldet, daß er lebe und recht frisch sey?

DOMINIQUE. Warum sagt er nicht ein Wort? Bin ich ihm nicht mehr werth? – Weiß er, daß ich zugebe, daß er hier, für einen Edelmann ausgegeben wird? Wenn er es weiß, – so begreife ich sein Stillschweigen. Das wird er mir nie verzeihen.

DELOMER. Morgen davon! Nur heute nicht. Hören Sie – heute davon nichts!

DOMINIQUE. Ich kann meinen Worten gebieten – meinen Gefühlen nicht.

DELOMER. Und seyn Sie gegen unsere Gäste recht freundlich!

DOMINIQUE. Ach diese Gäste! Der Herr Graf und die Frau Gräfin –

DELOMER. Nun ja doch! Die Gräfin ist eine Närrin, ich räume es ein, und der Herr Graf[18] ist ein flacher Mensch. Nach und nach werden wir ihrer los. Nur heute seyn Sie freundlich mit ihnen, das verlange ich. Leiden Sie es, daß Sie heute noch Herr von Dominique sind, morgen – soll diese Unwahrheit Sie nicht mehr kränken.

DOMINIQUE. Meine Aufrichtigkeit, lieber Vater, kann Sie unmöglich beleidigen.

DELOMER. Sie haben so viel Gutes und Liebenswürdiges, daß es Pflicht ist, ihrem Eigensinne die Geduld nicht zu versagen. – Nun! habe ich denn alle Ihre Grillen verscheucht?

DOMINIQUE. Noch etwas drückt mich.

DELOMER. Nennen Sie es! – denn ich muß Sie heute ganz unbefangen sehen und froh.

DOMINIQUE. Seit unserer Ankunft in Deutschland haben Sie mir kein Wort mehr von Ihren Geschäften gesagt. –

DELOMER. Meine Geschäfte sind ja zu Ende. Wir sind im Hafen, und faßten beide den gleichen Entschluß, in den Stürmen des Handels nicht mehr wagen zu wollen.

DOMINIQUE. Ihre Geschäfte müssen die letzten Jahre her, allem Anschein nach, mit ungewöhnlichem Glück betrieben worden seyn –

DELOMER. Nun ja –

DOMINIQUE. Fern ist von mir Neugier und Eigennutz.

DELOMER. Das weis ich.[19]

DOMINIQUE. Ehedem machte es Ihnen Freude, über Ihre Geschäfte mit mir zu reden: die Unruhen und Freuden Ihrer Spekulationen mit mir zu theilen. – Wodurch habe ich dieß Vertrauen verloren? wodurch?

DELOMER. Sie sind mir werth, wie mein eigner Sohn. Wenn ich diesen und jenen für mich günstigen Vorfall verschwiegen habe, – so schreiben Sie das einer gewissen Zartheit zu, die auf die herzlichste Liebe für Sie gegründet ist. – Von dem allen – morgen! Ganz gewiß morgen ausführlich über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft!

DOMINIQUE. Nun – so möge der morgende Tag uns alle wieder in die vorige Fröhlichkeit bringen! Seufzt.

DELOMER. Das soll er, das wird er – wenn Sie gerecht sind.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Das Erbtheil des Vaters. Leipzig 1802, S. 14-20.
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