Fünfter Auftritt.

[122] Delomer. Graf.


GRAF. Ich komme Ihnen vielleicht ungelegen?

DELOMER. Aufrichtig gesprochen! Jetzt bin ich wohl etwas beschäftigt –

GRAF. Aber wir müssen uns sprechen.

DELOMER. Die Fremden beschäftigen uns.

GRAF. Ihr Herr Schwiegersohn ist sehr allarmirt! Ist ihm etwas zugestoßen?

DELOMER. Die plötzliche Ankunft –[122]

GRAF. Ja, ja. Aber er ist distrait; il est reveur

DELOMER. Er ist ein junger Mensch, – den – mehr als mir lieb ist, manche Schwärmerey den Sinn verkehrt –

GRAF. Also zu vollblütig!

DELOMER. Die neuern Schriften haben ihn zu ernst und reitzbar gemacht. – Erfahrung wird das schon abkühlen.

GRAF. Abkühlen? So! Dann empfehle ich Ihnen mein rothes Pulver.

DELOMER unmuthig. Ach! da liegt das Uebel nicht.

GRAF. Das Pulver thut Wunder. Könnte ich die Comtesse, meine Gemahlin, bereden, es zu gebrauchen, so erlebte ich manchen vehementen Auftritt nicht.

DELOMER. In der That, die Frau Gräfin ist sehr heftig.

GRAF. Ich bin es zwar nun schon gewohnt –

DELOMER. Manchmal, ich kann es nicht bergen, recht –

GRAF. Recht heroisch? ja.

DELOMER. Recht beleidigend heftig.

GRAF. Das kommt von den Vorfahren. Ihre meisten Ahnherren waren kommandirende Generale. Ihr hochseliger Großherrvater unter andern – es ist der, welcher im großen Saale mit[123] dem Helm in der Hand gemahlt ist, er hängt über dem Buvet

DELOMER. Vergebung! Unruhig. Ich muß bitten, zur Sache zu kommen.

GRAF. In allem Betracht sehr gern. Mein bester Herr von Delomer, es ist Ihnen bekannt, daß Sie bey dem Verkauf des Gutes über mich vermögt haben –

DELOMER. Ich bitte nur gerade die Sache zu nennen. Wir dürften sehr bald unterbrochen werden.

GRAF. Nun ja. Daß Sie die Vermählung meiner Gräfin Tochter mit Ihrem Herrn Großsohn, und die weitere Zahlung von 10000 Thaler an mich, zwar als geheime Bedingung, aber als conditio, sine qua non, festgesetzt haben.

DELOMER. Ja.

GRAF. Das Gut ist Ihnen überliefert.

DELOMER. Und Ihnen die Kaufsumme.

GRAF. Richtig. Ich habe aber freundschaftliche und andere sehr nöthige Ursachen, auf Vollziehung der Vermählungsakte, durch Unterschrift Ihrer Kinder ungesäumt zu dringen.

DELOMER betroffen. Doch nicht in diesem Augenblick?

GRAF. Spätestens vor Ablauf einer Stunde.

DELOMER empfindlich. Bin ich Ihnen nicht sicher?[124]

GRAF. Sie? – O ja! sehr sicher!

DELOMER. Also?

GRAF. Meine Gemahlin will diese Verbindung durchaus nicht, od –

DELOMER. Die Verhandlung ist mit Ihnen abgeschlossen.

GRAF. Ja. Wenn Sie mir aber nicht plötzlichst die Urkunde verschaffen, daß ich meiner Gemahlin alles, wie eine abgemachte Sache vorlegen kann – so muß ich ihr gegen meinen Willen nachgeben.

DELOMER. Und was verlangt die Frau Gräfin?

GRAF. Daß die geheime Bedingung, als erschlichen angesehen, kassirt, und ohne alle Weiterung aufgehoben werde.

DELOMER. Wer hätte denn, ohne Rücksicht dieser Art, für das Gut so viel gegeben, als ich – unverzeihlicherweise dafür bezahlt habe?

GRAF. Darüber mag sie denn doch wohl sehr sichere Plane haben. Ueberdem – car la Comtesse est une Dame de beaucoup d'esprit – elle a fait des combinaisons – sie will hinter gewisse geheime epineuse Angelegenheiten der Ihrigen gekommen seyn.

DELOMER verlegen. Geheime Angelegenheiten? – welche?[125]

GRAF. Sie will mancherley penetrirt haben, und was weiß ich, wie sie unter den Umständen procediren könnte.

DELOMER. Sagen Sie mir geradezu –

GRAF nimmt freundlich Delomers beide Hände. Lieber Baron! der beste, vertneufeste Mensch kann doch so ein Winkelchen haben, wohin er das Licht nicht Kern gebracht sieht.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Das Erbtheil des Vaters. Leipzig 1802, S. 122-126.
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