Achtzehnter Auftritt.

[160] Dominique S. Delomer.


DELOMER gerührt. Ihr Vater hat eine unbegreifliche Gewalt über mein Herz.

DOMINIQUE S. Jeder gute Mensch hat sie über den andern.

DELOMER. Ich bin im Hingeben – und ich muß für Sie noch etwas thun. Wenn ich jetzt Ihnen gewähren soll, so muß ich Ihnen vorher nehmen.

DOMINIQUE S. Was Sie wollen. Nur den unbefangenen Sinn lassen Sie uns erhalten! Das Uebrige ist zu erwerben.

DELOMER. Mit dem Marquis will ich mich gleich auseinander setzen.

DOMINIQUE S. Gott segne Sie –

DELOMER. Ich möchte ihn auszahlen.

DOMINIQUE S. O ja!

DELOMER. Ich kann es nicht. Es müßte denn seyn, Sie wollten ihn disponieren, das Warbingsche Gut anzunehmen. Er gewinnt dabey.

DOMINIQUE S. Das will ich.[161]

DELOMER wendet sich ab, und drückt Dominique die Hand. Erhalten Sie dabey meine Ehre!

DOMINIQUE S. Durch die Wahrheit. Er ward für todt gehalten, und Sie liefern die Verwendung des Seinigen ihm aus.

DELOMER. Es sey! Seufzt. Aber die Umstände sind jetzt sehr geändert. – Heute Morgen konnte ich meine Kindern große Geschenke geben jetzt nicht mehr. Die Erwerbung des Adels hat eine Summe weggenommen, die, wie jetzt die Sachen stehen, sehr beträchtlich ist. – Ach, und mäßig begütert, wie nun seyd – kann ich nicht einmal dazu rathen, daß ihr vor der Hand von dieser Würde Gebrauch macht.

DOMINIQUE S. Vater! Sie machen mich unbeschreiblich glücklich.

DELOMER. Das ist noch nicht Alles. – Die Katastrophe dieser unvorgeschenen Tage raubt mir so viel, daß ich nun zu Ihnen und Julien sagen muß: – Nehmt mich auf und unterstützt mich! O, es ist schrecklich! Er wirst sich in seine Arme.

DOMINIQUE S. Was wir haben, ist Ihre, wie wir selbst, lieber Vater! Es giebt kein Eigenthum für mich und Julien – alles ist Ihre –

DELOMER. Am Morgen ließ ich Ihnen huldigen – am Abend muß ich Sie deshalb um Verzeihung bitten. Ich überlebe das nicht.[162]

DOMINIQUE S. Ich trete wieder in die Gemeinschaft mit Ihnen, darin ich so glücklich war. Nehmen Sie Ihr heiliges Recht auf unsern Besitz nicht mit Wehmuth an! Empfangen Sie unsere Liebe mit Vaterfreude!

DELOMER. Dominique! Es ist das zweyte Mal, daß Sie mich mir selbst wiedergegeben haben. Gott lohne Sie dafür! – Ach – ich kann es ja nicht mehr.

DOMINIQUE S. Ihr Segen lohnt mich besser, als eine Herrschaft.

DELOMER. Was soll ich nun beginnen? Ich habe mich lächerlich gemacht.

DOMINIQUE S. Kann das Uebermaß väterlicher Zärtlichkeit nicht Nachsicht erwerben für das, was Sie für Ihre Kinder zu viel gethan haben?

DELOMER mit gerungenen Händen. Was soll nun hier aus uns werden?

DOMINIQUE S. Thätige, frohe, glückliche Bürger.

DELOMER mit lautem Schmerz und Heftigkeit. Ich werde das Ziel des Spottes, der Neckereyen aller Nachbarn. Man wird auf mich und euch mit Fingern hinweisen.

DOMINIQUE S. – Fürchten Sie das wirklich?

DELOMER. Die Welt vergiebt das Verbrechen; über nie das Lächerliche. Fast der Verzweiflung[163] nahe. Und wenn vollends die Geschichte mit dem Vermögen des Marquis ruchbar würde –

DOMINIQUE S. wendet ihn zu sich. Fassen Sie meine Hand! – Ich biete Ihnen Ruhe dar, und Heiterkeit des Alters.

DELOMER. Wo kann ich die noch finden?

DOMINIQUE S. Im Vaterlande. Er umarmt ihn.

DELOMER will sich losmachen.

DOMINIQUE S. Nein! ich lasse Sie nicht aus meinen Armen, bis ich diesen Entschluß Ihnen abgewonnen habe. Gedenken Sie des milden Himmels, Ihrer Freunde! Das Vaterland öffnet freudig die Arme allen denen, welche nicht das Schwerdt in seinen Busen senkten, nur in den Stürmen sich bergen wollten.

DELOMER. Und was sind wir dort?

DOMINIQUE S. Was wir waren. Die große Wunde ist fast vernarbt; wir hören nur den Nachhall der Trauerzeit.

DELOMER. Aber dieß Land hat uns so freundlich aufgenommen.

DOMINIQUE S. – Es liegt an uns, in Deutschland ein Gedächtnis zu stiften, das zu ewigen Tagen für unsre Erkenntlichkeit reden wird.

DELOMER. Welches?

DOMINIQUE S. Uebergeben Sie dem Marquis das Warbingsche Gut mit dem Bedinge, daß[164] er dort die Leibeigenschaft aufhebe. Frohe Nachkommen werden dann bey ihrer Feldarbeit den Namen Delomer mit frischem Athemzuge sprechen, und am Erndtefest wird er in späten Jahren noch gesegnet werden.

DELOMER reicht ihm beide Hände. Ich bekenne mich überwunden –

DOMINIQUE S. küßt seine Hände und bleibt eine Weile in der Stellung.

DELOMER. Ich scheide von der Bahn des Ehrgeitzes – ich gebe mich in die Hände meiner Kinder. Nehmt mich – führt mich – ich folge euch mit Liebe und Segen.

DOMINIQUE S. – Vater – Julie! – mein Kind – Horfmann! Ist niemand da?

BEDIENTER tritt ein.

DOMINIQUE S. Rufe Er meine Frau – meinen Vater – meinen Sohn!

BEDIENTER geht ab.

DOMINIQUE S. O lassen Sie mich diese Segensbotschaft gleich verkünden!

DELOMER. Aber das Aufsehen –

DOMINIQUE S. Kann man zu früh glücklich seyn?


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Das Erbtheil des Vaters. Leipzig 1802, S. 160-165.
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