6. Erste Rast

[427] Nieten sind in jedem Lostopf,

Taube Nüss' auf jedem Nußbaum,

Und Windeier legt ein jedes

Noch so tät'ge Huhn mitunter.

So hat diese Heldensage

Auch die taube Nuß, die Niete,

Und das Blatt, gleich einem Windei.


Tulifäntchen ritt in Hasten

In dem Ohr des wackern Schimmels[427]

Über Heiden, Felder, Halden

Ohne Taten, ohne Wunder.

Sonne schien, und Lüfte spielten,

Sangen Vögel, muntre, kleine,

Schimmel nahm als wahrer Weiser,

Stillesteh'nd, am Weg mitunter

Gras und Kraut ein derbes Maulvoll,

Eh' die Gottesgabe faulte.


Äußerst böse, daß sich nirgends

Zeigt' ein Tatumstand von Würde,

War der Held, Don Tulifäntchen.

Doch als er sich satt gezürnet,

Und als nichts dabei herauskam,

Wurd' er müde, gähnte, schlief bald.


Der loyale Zuckladoro

Merkte kaum des Helden Schnarchen

Auf dem Knorpel seines Ohres,

Als er sprach: »Wir schlummern gleichfalls.«

Ließ sich nieder leise, sächtlich,

Seine Augen schloß er beide,

Auch im Schlafe steif erhielt er

Aus Vernunft das Ohr, auf daß nicht

Haltlos in den Sand der Heide

Fiel die Hoffnung des Gedichtes.

Aber wachend überschienen

Alle Sterne Roß und Heide,

Mit dem Licht, dem kalten, weißen.


Quelle:
Karl Immermann: Werke. Herausgegeben von Benno von Wiese, Band 1, Frankfurt a.M., Wiesbaden 1971–1977, S. 427-428.
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Tulifäntchen: Ein Heldengedicht in Drei Gesängen (German Edition)