Dritte Szene.

[6] Vorige. Robert Starr.


ROBERT kommt von links.

TORF. Ah, sieh da, Robert! Guten Morgen!

ROBERT. Guten Morgen? Für einen armen Teufel gibt es keinen guten Morgen; für ihn gibt es auf Morgen nur einen Reim. Sorgen! –

CHRISTOPH. O noch einen schönern – Borgen! –

HOCHMANN. Pah! Wer wird schon so früh seinen Sorgen Raum geben! – Der aufgebende Sonnengott zerstreut alle Nebel, also auch die des Kummers.

ROBERT. Ei, laßt mich mit dem Sonnengotte! – Er mahnt mich noch mehr an meine Armut, weil er das vollendete Bild eines herzlosen Reichen ist. Da fährt er in seinem goldenen Wagen stolzierend über den Himmelsbogen, weckt, wie ein Sklavenaufseher, die armen Erdensöhne aus ihren Betten und Träumen empor, zwingt sie zu ihrer Arbeit – preßt ihnen bittere Schweißtropfen[6] aus und geht dann wieder stolz lächend nieder, unbekümmert darum, wie viele grüne Blätter er vergilbt, wie viele schöne Blüten er bleich gesogen hat.

TORF. Haha! – Es spricht schon wieder sein Urhaß gegen die Reichen aus ihm.

ROBERT. Hab' ich vielleicht nicht Ursache, sie zu hassen? Diese Metallherzen, die ewig wieder nur durch Metall zu erweichen sind! – O ich habe sie kennen gelernt!

HOCHMANN. Ihr? – wie so?

ROBERT. Seht – mein Vater, ein armer Förster, sandte mich auf die Universität – ich verlegte mich mit Fleiß und Erfolg auf die Wissenschaften; aber plötzlich setzte der Tod meines Vaters meinem Streben ein Ziel. – Es hätte sich nur darum gehandelt, mir auf zwei Jahre einen dürftigen Lebensunterhalt zu sichern, so hätte ich meine Studien vollendet; aber da war niemand, der sich meiner angenommen hätte.

HOCHMANN. Aber hattet Ihr denn gar keine Verwandte?

ROBERT. Einen einzigen, es ist der Bruder meines Vaters, einer der reichsten Kaufleute in Frankreich, er war, wie mir erzählt wurde, schon seit lange feindselig gegen meinen Vater gesinnt, aber ich hoffte, er werde den Haß nicht auch auf den Sohn übertragen. – Ich schrieb an ihn – aber nicht einmal einer Antwort würdigte er mich!

TORF. Aber tat denn der Gutsherr, in dessen Dienst dein Vater gestanden hatte, nichts für dich? –

ROBERT. Ja, da kam ich erst an den Rechten; der empfing mich mit den hingeworfenen Worten:[7] »Sie sind? Sie wünschen?« Hörte kaum meine Bitte an und mit den Worten: »Es ist mir leid – aber ich kann nichts für Sie tun,« drehte er mir den Rücken zu und ließ mich stehen, der letzten Hoffnung beraubt. – Ich war gezwungen, meine Studien aufzugeben und, um nur leben zu können, die unbedeutende Stelle eines Buchhandlungskommis anzunehmen. Mein ganzes Leben ist dadurch ein verfehltes und nun fragt Ihr noch, warum ich die Reichen hasse?

HOCHMANN. Nun, es werden doch nicht alle so gefühllos sein? –

ROBERT. Alle – alle, weil sie sich gar nicht vorstellen können, was Not ist. Aber es sollte nur ein recht armer Teufel, der die ganze Schule der Entbehrungen selbst mitgemacht hat, dem aber das Herz aus dem rechten Fleck sitzt, so plötzlich recht reich werden, dann solltet Ihr schon sehen!

TORF. Und der arme, reichwerdende Teufel möchtest wohl du sein? – Der Wunsch ist begreiflich.

ROBERT. Beim Himmel, ich wünschte es weniger um meinetwillen – sondern –

HOCHMANN ihm auf die Schulter klopfend und lachend leise ins Ohr sprechend. Sondern um Henriettens willen –

ROBERT überrascht. Henriette!? Wie, Ihr wißt, – das heißt – wie kommt Ihr auf diese Vermutung?

HOCHMANN lachend. Hahaha! Da gibt es auch noch was zu vermuten! Närrische Leute, die Verliebten! Tragen ihr Verhältnis mit Lapidarschrift im eigenen Gesichte zur Schau und wähnen, es sei dennoch für die ganze Welt ein Geheimnis.[8]

TORF. Was, du willst es verheimlichen, daß du in die Tochter deines Prinzipals geschossen bist? Hahaha!

CHRISTOPH. Aber ich bitte, diese Melodie singen je bereits unserm Herrn Nachbarn die Spatzen auf dem Dache, hahaha! Hochmann und Torf lachen mit.

ROBERT verletzt. Meine Freunde! Ihr mögt nun vermuten oder wissen, was ihr wollt doch ersuche ich euch, mit diesem spöttischen Gelächter einzuhalten. Wenn ihr mich nicht schonen wollt, so seid doch so gefällig, Henrietten zu berücksichtigen; denn gewiß, Henriette ist eine Blume, die –


Quelle:
Friedrich Kaiser: Ausgewählte Werke. Band 1, Wien, Teschen, Leipzig [1913], S. 6-9.
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