Sechste Szene.

[15] Vorige. Schulmeister Helfer. Ein Bauer.


HELFER kommt die Treppe herauf – ein Bauer mit einem Korbe folgt ihm; Robert erblickend. Ah, da ist er[15] ja! Nun, weil ich dich nur zu Hause treffe – Robert – Vetter! Breitet die Arme aus.

ROBERT erblickt ihn und eilt auf ihn zu. Vetter Helfer – Gott zum Gruße! Seid Ihr wieder in der Stadt?

HELFER. Ist denn je ein Monat vergangen, in welchem ich nicht in die Stadt gekommen wäre, und wär's auch nur, um dich wieder einmal zu sehen.

ROBERT. Ja, ich weiß es, Ihr denkt immer in Liebe an mich – aber Ihr werdet müde sein? Kommt doch her – setzt Euch! Rückt einen Stuhl zurecht.

HELFER. Warte nur ein wenig, mein Sohn! Warte! Du weißt ja – ich komme nie ganz leer zu dir. Geht zu dem Bauer mit dem Korbe zurück.

HOCHMANN zu Robert. Dies ist Euer Vetter?

ROBERT. Ja, der Schulmeister aus demselben Orte, wo mein Vater als Förster angestellt war.

HELFER. Da sieh her, Robert – ich habe dir ein bißchen von meiner eigenen Armut mitgebracht. Auspackend. Hier dieser Schinken von dem Schweine, das ich selbst aufgezogen habe.

CHRISTOPH nimmt ihm den Schinken ab und beriecht ihn. Ach, – der scheint Ihrer Erziehungskunde Ehre zu machen.

HELFER. Und hier ein Stück Butter – ganz frisch – von meiner schwarzen Kuh –

CHRISTOPH. Famos! Eine ganze Idylle spricht sich in der Butter aus – muß eine charmante Person sein, die schwarze Kuh!

HELFER. Und da noch ein Laib Brot – leider konnte ich nicht mehr und nichts Besseres bringen. Der Bauer ab.[16]

ROBERT. Dank, herzlichen Dank, mein guter lieber Vetter!

CHRISTOPH zu Helfer. Freut mich außerordentlich, Ihre werte Bekanntschaft gemacht zu haben – ich bitte, wie ist der werte Name?

HELFER. Ich heiße Helfer.

CHRISTOPH auf die Speisen deutend. Ach, sind mir durch Ihre Werke schon sehr vorteilhaft bekannt! – Zu den übrigen. Aber sehen Sie, meine Herren, da haben wir eben vom Frühstück gesprochen und nun, Tischlein deck' dich, da ist's! –

TORF geht etwas zurück.

ROBERT. Vetter, Ihr habt doch ein Stündchen Zeit?

HELFER. Ich wohl – aber du – du wirst nicht Zeit haben für mich – wirst an dein Geschäft müssen.

ROBERT. Geschäft, nein, Vetter, heute habe ich Zeit, solange Ihr wollt!

HELFER. Nun – dann ist's gut – dann bleib' ich gern da – wenn die Herren nichts dagegen haben.

CHRISTOPH. O ich bitte, so ein ausgezeichneter Mann –

ROBERT. Frühstückt mit uns! – Gehen wir auf meine Stube!

TORF. Wozu denn in die enge Stube? Hier heraußen auf der Plattform ist's bei weitem luftiger. – Wir tragen einen Tisch und Stühle heraus. Allons, rasch dran! Hochmann, hilf mit!


Er und Hochmann gehen in die Seitentüren ab, kommen aber gleich mit den Tischen und Stühlen heraus; dann bringen sie Teller und Bestecke, zuletzt Torf die Bouteillen.


HELFER zu Robert. Aber nun sage mir, Robert! Wie geht's dir denn immer? Bist du gesund? Dein Aussehen ist wenigstens gut. –[17]

CHRISTOPH bei Seite. Ja – auswendig – auswendig ist er freilich gut gefärbt, – aber inwendig ist er sehr blaß. –

ROBERT sich zur Heiterkeit zwingend. O mir geht es gut – ganz gut – besonders – heute ist mein Herz viel freier!

HELFER. Gerade heute? – Drückt dich sonst dein Herz?

ROBERT. Hm! Ich hatte es verloren – aber heute habe ich es zurückerhalten. Mit Bitterkeit. O es geht nichts über redliche Finder!

CHRISTOPH. Ja, wenn wertvolle Dinge verloren gehen, gibt sie ein redlicher Finder zurück; wenn aber ein Mensch das Wertvollste, sein Herz, verliert, so ist der Finder unredlich, der's wieder zurückgibt.

TORF nachdem alles geordnet. So, der Tisch ist gedeckt!

ROBERT zu Helfer. Nun kommt, Vetter! Setzt Euch neben mich!


Alle setzen sich.


CHRISTOPH. Ich bin auch so frei; – ich war, wie ein Taufpate, schon früher eingeladen, als das Frühstück auf der Welt war.

HOCHMANN. Ja, ja, Christoph! Sei du unser Ganymed und schenke ein!

CHRISTOPH. Mit Wonne! Ich werde überhaupt die Hausfrau machen und aufschneiden; das kann ich trotz einem amerikanischen Journalisten. Schenkt die Gläser voll. So, und jetzt geben Sie den Schinken her! Auf den hab' ich eine eigene Passion! Schneidet den Schinken an, macht Butterschnitte, präsentiert sie usw.

TORF. Das ist einmal so eine rechte Junggesellenwirtschaft, – es geht doch nichts drüber! [18] Sein Glas erhebend. Der Junggesellenstand hoch! – Stoß an, Robert!

ROBERT stoßt schweigend an, leert das Glas und stützt dann, trüb gestimmt, sein Haupt in die Hand.


Quelle:
Friedrich Kaiser: Ausgewählte Werke. Band 1, Wien, Teschen, Leipzig [1913], S. 15-19.
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