Vierzehnte Szene.

[59] Vorige. Henriette.


HENRIETTE kommt aus dem Nebenzimmer und eilt auf Robert zu, ihm an den Hals stürzend. Robert! Mein lieber, teurer Freund! Durch Roberts Kälte befremdet. Robert, wie bist du so seltsam – was ist dir?[59]

ROBERT faßt heftig ihre beiden Hände und sieht ihr starr ins Auge. Henriette!

HENRIETTE erschreckt. Welch ein Blick! Du erschreckst mich, Robert! Solche Blicke schafft das das Unglück nur!

ROBERT. Ja, – das Unglück – ein namenloses Unglück! –

HENRIETTE. O sprich! Teile mir deine Leiden mit! Wer anders sollte sonst ein Recht auf dein Vertrauen haben als ich! –

ROBERT. Ja freilich – freilich! Du verdienst mein Vertrauen vor allen! – So will ich dir denn auch sagen, was mich so namenlos quält. – Er deutet auf einen Ring. Sieh hier diesen Ring! –

HENRIETTE. Welch herrlicher Edelstein!

ROBERT. Ja, welch herrlicher Edelstein! So rief auch ich aus, als ich diesen Schmuck noch in den Händen seines früheren Besitzers sah und eine nicht zu unterdrückende Begierde faßte mich, ihn mein zu nennen. Der Mann stellte aber eine sonderbare Bedingung; – ich mußte, nebst der Bezahlung des Preises, mich mit meinem Ehrenwort verpflichten, diesen Ring nie von mir zu geben und ihn, solange ich lebe, an meiner Hand zu tragen. Diese Bedingung schien mir nicht schwer; – ich schloß das Geschäft ab. – Aber – stelle dir vor, soeben überzeugte ich mich, daß der Edelstein nichts ist als eine künstlich geschliffene Glaskomposition!

HENRIETTE. Aber läßt sich denn der Handel nicht rückgängig machen? –

ROBERT. Ich sagte dir ja, ich gab mein Ehrenwort!

HENRIETTE. Und ist der Kaufpreis denn so hoch? –[60]

ROBERT. Pah! Die Summe kann ich verschmerzen, aber die zweite Bedingung, daß ich diesen falschen Schmuck immer tragen muß, diese vergiftet mein Leben; denn ich hasse – noch mehr – ich verachte das Falsche!

HENRIETTE. Aber, lieber Robert, die ganze Sache erscheint mir wahrhaftig nicht so wichtig, daß du mir die Freude des ersten Wiedersehens verkümmerst; – welchen Einfluß kann dieser Vorfall auf das Glück unserer Liebe haben?

ROBERT. Du fragst, welchen Einfluß? So höre denn! – Der Mann, welcher mich mit dem Edelsteine betrog, ist – dein Vater! –

HENRIETTE. Mein Vater?!

ROBERT. Und der falsche Edelstein – bist du!

HENRIETTE zurückbebend. Robert!

ROBERT. Du erschrickst? – Das Blut tritt zurück von deinen Wangen? – Oh – es ging mir nicht anders! – Auch mich durchzuckte es krampfhaft und es war mir, als legte sich eine kalte Totenhand an mein warm schlagendes Herz, als ich, unbemerkt hier eintretend, deinen Vater mit dem Notar sprechen hörte, als ich vernahm, daß eure Sinnesänderung nur durch die Kenntnis meines Reichtums hervorgerufen wurde, daß du in mir nur den Millionär liebst! –

HENRIETTE im tiefsten Schmerz. Robert – dieser Verdacht – diese Worte – mir – oh – den Schmerz ertrage ich nicht! Sinkt weinend in einen Stuhl.

ROBERT. Weinen Sie nicht, mein Fräulein! – Sie bedroht kein Unglück; denn Sie haben es mit einem Manne zu tun, dem seine Ehre heiliger ist als sein Lebensglück; ich gab Ihrem Vater mein Ehrenwort – Sie zur Frau zu machen; – ich[61] werde es halten. – Sie sollen mir getraut werden – ich werde Ihnen einen Teil meines Vermögens sichern – aber die Stunde unserer Vermählung ist auch die letzte unseres Beisammenseins. Nun, trocknet diese Zusage Ihre Tränen nicht, da es Ihnen doch nur um mein Vermögen zu tun war?

HENRIETTE erhebt sich vom Stuhl. Herr von Starr – ich vergebe Ihnen um unserer frühern Liebe willen den namenlosen Schmerz, die tiefe Kränkung, welche Sie mir jetzt bereiten. Sie glauben durch Ihr Ehrenwort gebunden u sein? – Ich gebe es Ihnen hiemit zurück! – Sie sind frei! – Leben Sie wohl! Entfernt sich rasch.

ROBERT überrascht stehen bleibend. Sie gibt mir mein Wort zurück? O, dieses Spiel durchschaue ich; – dieser anscheinende Stolz der Gekränkten ist nur eine neue Maske – es ist eine glücklich improvisierte Rolle – ein verächtliches Komödienspiel!


Quelle:
Friedrich Kaiser: Ausgewählte Werke. Band 1, Wien, Teschen, Leipzig [1913], S. 59-62.
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