Dritte Szene.

[68] Frau von Brigge. Karoline beide auffallend, elegant gekleidet, kommen aus dem Nebenzimmer.


FRAU VON BRIGGE. Wo nur der Schnapper bleibt? – Ich sehe mir fast die Augen blind. Geht ans Fenster. Ich habe dir eine Unruhe, Kind, eine Unruhe – wenn er nun das Geld nicht brächte?

KAROLINE. Ach zweifeln Sie doch daran nicht – Herr von Starr hat es ja unbedingt zugesagt.[68] – Auf wieviel haben Sie denn den Schuldschein ausgestellt?

FRAU VON BRIGGE. Nun, auf fünfhundert Gulden –

KAROLINE. Das ist aber viel, Mama!

FRAU VON BRIGGE. Viel? – – Er ist ein Millionär, er kann's tun; – und wenn man schon einmal einen solchen Schritt tut, so muß es doch der Mühe wert sein.

KAROLINE. Sie werden aber doch während Ihrer ganzen Karriere als dramatische Künstlerin für keine Rolle ein so glänzendes Honorar erhalten haben als für diese kleine Rolle, welche Sie im Palais des Gutsherrn spielten?

FRAU VON BRIGGE. Hahaha! Du hast recht – aber hab' ich sie auch gespielt! – Sage selbst, Kind, war ich nicht ganz zärtliche Mutter? Hahaha!

KAROLINE. Und eine Beamtenwitwe, hahaha! In der Tat, Mama – es ist doch schade, daß Sie nicht Schauspielerin geblieben sind.

FRAU VON BRIGGE. Wär ich's nicht geblieben, wenn der Direktor nicht so ungalant gewesen wäre – nachdem ich zwanzig Jahre lang als jugendliche Liebhaberin ihm Geld verdient hatte, mir zuzumuten, daß ich Anstandsdamen und Mütterrollen spielen solle?


Quelle:
Friedrich Kaiser: Ausgewählte Werke. Band 1, Wien, Teschen, Leipzig [1913], S. 68-69.
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