Sechste Szene.

[92] Vorige. Juwelier Glanzberg, Madame Flor, treten zugleich ein.


ROBERT. Guten Morgen! – Bringen Sie mir die Agraffe?

GLANZBERG. Aufzuwarten! Er öffnet ein Samtetui und läßt die Agraffe sehen. Ich hoffe, sie ist nach Ihrem Geschmacke. –

ROBERT. Ah! Charmant! Charmant!

TOSSMANN steht auf und besieht den Schmuck. Für wen?

ROBERT. Ein Souvenir für die Morheim.

TOSSMANN mit geringschätzendem Lächeln. Für die Morheim![92]

ROBERT zu Glanzberg. Ich bin zufrieden! – Haben Sie die Rechnung bei sich? –

GLANZBERG. Wenn ich so frei sein darf! Zieht die Brieftasche und aus derselben ein Papier hervor.

ROBERT bemerkt Madame Flor. Wer ist diese Frau?

CHRISTOPH. Ich weiß nicht, sie ist mir so mit hereingerutscht –

MADAME FLOR zu Robert. Gnädiger Herr – Verzeihung meiner Kühnheit – aber mein Unglück –

CHRISTOPH. Um alles in der Welt – eine Bettelei hier – mitten im Prachtsalon –

ROBERT mit einem strengen Blick zu Christoph. Mein Haus ist gut bewacht, wie ich sehe! – Zu Madame Flor. Sprechen Sie, sprechen Sie, meine Zeit ist gemessen!

MADAME FLOR. Ich bin die Frau des Malers Flor, welchen Sie öfter mit Aufträgen beehrten. – Er litt seit längerer Zeit schon an einem Augenübel, welches sich durch die fortwährende Anstrengung verschlimmerte, und – gestern – namenloses Unglück – war es plötzlich Nacht vor seinen Augen – er ist erblindet!

TOSSMANN hört diese Klage ganz gleichgültig an und raucht ruhig fort.

ROBERT UND HELFER. Erblindet!

MADAME FLOR. Kann es ein größeres Unglück geben? – Gnädiger Herr – wir haben drei Kinder und der ernährende Vater erblindet!

ROBERT von Rührung erfaßt. Erblindet!

MADAME FLOR. Erbarmen Sie sich unserer Not!

HELFER. Robert! Diese Arme wirfst du doch nicht unbeschenkt von dir lassen?

ROBERT ärgerlich. Ja seid Ihr denn noch da? Wollt Ihr mich stets hofmeistern?[93]

HELFER. Aber dieses Unglück –

ROBERT. Dieses Unglück! – Wer weiß, ob es nicht wieder eine kluge Erfindung ist?

MADAME FLOR. Gnädiger Herr – überzeugen Sie sich selbst!

ROBERT. Wie soll ich mich überzeugen? Ich bin weder ein Augenarzt noch ein Armenkommissär. – Es ist merkwürdig; man sollte entweder mit der halben Überzeugung, daß man betrogen wird, in den Säckel greifen, oder man hätte den ganzen Tag über nichts zu tun, als in den dumpfigen Behausungen des Elends herumzugehen. Dazu sind die Armenväter in den Gemeinden und die Armeninstitute. Ich gebe jährlich an diese eine Summe; sie mögen nun damit gebaren, wie sie's für gut befinden. Also wenden Sie sich an eine solche Anstalt. – Adieu!- Adieu! Will fort, bemerkt aber Glanzberg, welcher die Rechnung in der Hand hält. Ja so, Ihre Rechnung, Besieht sie. 1500 fl.? – Nun – 's ist nich überhalten. – Eine Bleifeder!

CHRISTOPH reicht ihm eine. Hier, Euer Gnaden!

ROBERT unterzeichnet die Rechnung und gibt sie an Glanzberg zurück. So – mein Kassier wird Ihnen die Summe sogleich auszahlen. Christoph, diese Agraffe wird noch heute an Fräulein Morheim mit meinen freundschaftlichen Grüßen überbracht! Kommen Sie, lieber Toßmann!


Ab ins Nebenzimmer.


TOSSMANN will folgen.

HELFER. Tausendfünfhundert Gulden für eine Kokette und diese Arme – Auf Toßmann zueilend und ihn zurückhaltend. Herr von Toßmann! Sie sind einer der reichsten Männer! – Man spricht allgemein von Ihrer Großmut – erbarmen Sie sich! –[94]

TOSSMANN. Spricht man von meiner Großmut? Das ist mir lieb! – Aber wißt Ihr, warum man spricht von meiner Großmut? Antwort: weil ich nie etwas gebe, als wenn ich weiß, daß es kommt gedruckt in die Zeitung. Wenn diese Frau wird machen lassen einen öffentlichen Aufruf an die Wohltätigkeit in der Zeitung, so werden Sie Tags darauf lesen in der Zeitung: »Bankier Toßmann hat gegeben hundert Gulden!« Aber so privatim gebe ich nichts; die Wohltätigkeit ist eine sehr schöne Tugend, aber man muß selbst etwas haben davon. Ab.

MADAME FLOR. O mein Himmel, auch hier vergebens gebeten! Geht weinend ab.

GLANZBERG für sich. Ich hatte die Rechnung etwas höher gestellt, weil ich dachte, er würde etwas abbrechen wollen; aber so ist's desto besser! Ich wünsche mir keine andere Bestellung als für die Geliebten der Reichen. Ab.


Quelle:
Friedrich Kaiser: Ausgewählte Werke. Band 1, Wien, Teschen, Leipzig [1913], S. 92-95.
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