Achte Szene.

[99] Robert kommt mit mehreren seiner Gäste und tritt mit ihnen in den Pavillon.


ROBERT etwas aufgeregt. Hieher meine Herren! – Setzen Sie sich! Sie kennen meine Weise; bei den Festen, welche ich gebe, suche ich mir immer so[99] den Succus der Gesellschaft, die Heitersten und Tollsten aus, verbringe mit ihnen einige Stunden beim vollen Becher, bei Scherz und Gesang – und habe dann, wenn's recht brausend und toll hergeht, Augenblicke, wo mir die ganze Welt ganz gut vorkommt. – Zu einem Diener. Schenkt ein! Schenkt ein! Es wird eine bereits gedeckte Tafel herausgetragen und Champagner kredenzt.

TOSSMANN eintretend. Herr von Starr! Eine Überraschung, eine frohe Überraschung steht Ihnen bevor! –

ROBERT tritt mit ihm in den Vordergrund. Nun, laßt hören!

TOSSMANN. Frau von Goldheim hat von diesem Feste gehört; sie ladet sich selbst dazu ein und erlaubt Ihnen, sie der Gesellschaft als Ihre Braut vorzustellen.

ROBERT. Vortrefflich – das gibt dem Feste erst Bedeutung; ich hole sie in meinem Wagen ab.

TOSSMANN. Nur wünscht sie, um sich selbst mit Sicherheit als Ihre Braut betrachten zu können, daß der Kontrakt früher unterzeichnet sei.

ROBERT. Ist denn der Kontrakt bereits aufgesetzt?

TOSSMANN. Jawohl! Frau von Goldheim hat ihn bereits unterfertigt und es kostet Sie nur einen Federzug – Zieht den Kontrakt hervor.

ROBERT. Hahaha – recht so! – Mitten im Freudengelage einen Ehekontrakt unterschrieben, gut – gut! – Ein mutiger Schwimmer, stürz' ich kopfüber in den reißenden Strom. Tritt zu einem Tische und ergreift eine Feder. Ja so – ich muß auch zwei Zeugen haben. Zur Gesellschaft. Meine Herren – wer von Ihnen ist wohl sogefällig, sich hier als Zeuge mit zu unterfertigen? – Es ist mein Ehekontrakt. Er will unterschreiben.[100]

HELFER ist schon früher eingetreten, eilt vor und faßt heftig Roberts Arm. Robert! Halt ein! –

ROBERT. Was? Ihr schon wieder hier? Ich denk', Ihr solltet es doch selbst fühlen, daß Ihr in solche Zirkel nicht paßt.

HELFER. Die Angst hat mich hieher getrieben. – Robert, unterschreibe den Kontrakt nicht; – denk' an Henrietten!

ROBERT. Ihr seid betrunken, Alter! – Geht – geht! Wendet sich wieder zum Tische und will schreiben.

HELFER fällt ihm nochmals in den Arm. Du darfst nicht, Robert – du darfst nicht – beim Himmel! Hastig, aber leise im bittenden Tone. Robert! Ich beschwöre dich – unterschreibe nicht – nur jetzt nicht – laß mich früher noch allein mit dir sprechen. Hält Roberts Hand mit beiden Händen fest.

ROBERT. Unverschämtheit ohnegleichen! Reißt seine Hand los. Verlaßt mich, Wahnsinniger, oder bei Gott! – Erhebt im Zorne die Hand gegen ihn.

HELFER zurückfahrend. Halt – schlag' deinen Vater nicht!

ALLE. Was? Vater?

ROBERT ihn starr ansehend. Was sagt Ihr?

HELFER in höchster Aufregung. Ja, ich sag's – ich wiederhole es – ich – bin dein Vater! –

TOSSMANN aufmerksam, doch ohne seine Fassung zu verlieren. Was ist das – lieber Alter? Herr von Starr ist nicht der Sohn des verstorbenen Försters Simon Starr? Wie kommt dies?

HELFER. Als der wahre Sohn des Försters Starr noch kaum ein Jahr alt war, mußten seine Eltern eine Reise unternehmen. Das Kind aber war sehr krank und wurde deshalb meiner Frau übergeben; aber an dem Tage, an welchem der[101] Förster zurück kam, sein Kind abzuholen, fand er es bereits im Sarge. Der arme Mann wagte es nicht, der Mutter die Nachricht zu bringen; ich hatte damals sechs Kin der – eines davon war im gleichen Alter mit dem eben Verstorbenen. Halb bewußt, halb willenlos gaben wir dem Förster unser Kind, er trug es als das seinige an die Brust der getäuschten Mutter.

TOSSMANN. Habt Ihr für Eure Aussage Beweise?

HELFER. Hier ist der Beweis: – der Totenschein von des Försters einzigem Kinde. Übergibt Toßmann ein Papier.

TOSSMANN liest es. Das ändert den Kurs gewaltig. Tritt zu Robert. Herr Helfer, können Sie beweisen, daß Sie doch sind der Sohn des Försters Simon Starr?

ROBERT welcher vernichtet in ein Fauteuil gesunken. Ich kann es nicht!

TOSSMANN. Sie wissen die Klausel im Testament. Wollen Sie sich daher freiwillig Ihres unrechtmäßigen Vermögens zu meinen Gunsten begeben oder soll ich richterliche Hilfe in Anspruch nehmen?

ROBERT. Ich glaube den Worten meines Vaters – ich entsage!

TOSSMANN. Haben Sie gehört, meine Herren? Er entsagt! – Durch dieses Wort bin ich Herr dieses Hauses. Sie werden einsehen, daß in meinem Hause nur ein von mir veranstaltetes Fest stattfinden kann – und daß daher der heutige Ball sein Ende hat. Ich empfehle mich Ihnen!


Sämtliche Gäste ab.


TOSSMANN. Der rasche Wechsel scheint den jungen Mann etwas angegriffen zu haben. Bringt[102] ihn zu Bette; ich erlaube, daß er diese Nacht noch in meinem Schlosse zubringe. Ab.

HELFER eilt auf Robert zu und faßt seine Hand. Mein Sohn! – Ich habe den Tempel deines Glückes zertrümmert und mein Herz blutet; – doch es war ein Götzentempel – der Himmel ist mein Zeuge – ich konnte nichts anders! – Ermanne dich! – Was jetzt dir als ein namenloses Unglück erscheint – das ist vielleicht der Grundstein deines wahren Glückes. Eilt ab.

ROBERT sieht sich mit starren Blicken ringsum wie vom Froste geschüttelt. Ich bin allein! – Wie schnell haben mich alle verlassen, die mich, wie Bienen einen blühenden Strauch, umschwärmten! – Die Blüten sind abgefallen, es gibt keinen Honig mehr zu holen – ich bin allein – hier – allein in der Welt! – Keinen Freund, der seine Hand mir reicht – kein Herz – das für mich schlägt! – Doch – warum faßt der Gedanke jetzt mich so eisigkalt an? – Habe ich nicht längst erkannt, daß es keine Freundschaft, keine Liebe gebe? – Doch da war ich reich – da konnte ich im Genuß mich übertäuben; – ja – nur der Reiche kann mit leerem Herzen leben – aber arm und hilflos hinaustreten in die Welt – mit einer Brust – die nichts ist als eine Grabesstätte gemordeter Gefühle, ich vermag's nicht! – Bedeckt, wie vernichtet, das Gesicht mit beiden Händen.


Quelle:
Friedrich Kaiser: Ausgewählte Werke. Band 1, Wien, Teschen, Leipzig [1913], S. 99-103.
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