[104] In dem Postwagen befand sich niemand als der Kondukteur und ein Jude.
Ich lehnte, als schon der Tag angebrochen war, noch stumm in einer Ecke des Postwagens und dachte den gesehenen Bildern nach.
Der Jude war ein Zahnarzt, wie ich aus seinen Reden vernahm. Ich bemerkte, daß er mich mit gespannter Aufmerksamkeit ansah und nicht erwarten konnte, bis mein Mund sich zum Reden öffnete und meine Zähne sich ihm darstellten; daher schwieg ich geflissentlich, ob er mich gleich durch allerlei Erzählungen zum Sprechen nötigen wollte, wodurch er den ganzen Weg über in eine große Unruhe versetzt wurde.
Unter anderem erzählte derselbe Jude, daß der Feind in Ulm mit klingender Münze eingezogen sei; wahrscheinlich wollte er sagen: mit klingendem Spiel.
Wir fuhren in das Universitätsstädtchen Mittelsalz ein. Unter der Torhalle waren so viele Leute versammelt, daß der Postwagen nicht mehr weiter konnte, daher stieg ich und der Jude heraus.
Ich erfuhr bald, daß vor einigen Tagen von einem feindlichen Streifkorps den Bürgern die Flinten und Gewehre abgenommen worden, sah sie aber bereits wieder völlig bewaffnet vor den Toren aufgepflanzt. Sie hatten nämlich sinnreiche Surrogate für ihre Waffen erfunden, die in der Tat eine weitere Verbreitung verdienten.
Die Degen zu ersetzen, leiteten sie ihre langen, steifen Zöpfe den Rücken hinab und ließen sie Degen gleich durch die Rockschlitze herausragen.[104]
Die Kavallerie brachte durch eine gelinde Beugung die Zöpfe in Säbelform, alles auf den Rat des Bürgermeisters, der zugleich Hafner des Orts war und gerade unter der Torhalle, wo sonst eine Reihe Flinten an Haken hing, ein Freskogemälde vollendete, darstellend zwölf Paar geladene Flinten wie auch unter ihnen mit deutlicher Schrift zu jedermänniglicher Warnung zu lesen war: »Zwölf Paar scharf geladene Flinten«.
Der Bettelvogt, der vor das Gemälde gestellt wurde, um Kinder und andere neugierige Leute zu warnen, nicht die Flinten zu betasten, mochte bis jetzt noch überflüssig gewesen sein: denn noch waren die Flinten naß und konnten nicht so leicht losbrennen.
Auf dieses machte ich auch meinen Begleiter Moses aufmerksam, der in einer ehrerbietigen Entfernung stehengeblieben, ob er gleich ein kurzes Gesicht hatte.
Da ich aber dieses wunderbare Gemälde vor allen mit großer Aufmerksamkeit betrachtete, fiel ich dem Künstler auf; er stieg, als er es vollendet, von seinem Gerüste nieder, begrüßte mich als einen Freund der Künste und lud mich ein, mit in seine Wohnung zu gehen, allwo er mich mit seinem erst kürzlich entdeckten Stadtsoldatensurrogat bekannt machen werde.
Ich dankte ihm für sein Zutrauen und folgte ihm mit Moses in seine Wohnung, indem ich auf dies Stadtsoldatensurrogat ausnehmend begierig war.