[101] Ein italienischer Musiker aus der Kapelle des Herzogs Karl, Namens Poli, hatte auch seine Wohnung in den Arkaden des Marktplatzes in Ludwigsburg. Er verstand die deutsche Sprache nur wenig und stellte sich Fremden mit den Worten vor: »Ik bin die große Poli, Kapellmeister vom Herzog Karle.« Ich sah ihn oft in einem roten Rocke, mit einem Haarbeutel, kleinem dreieckigem Hütchen, einen Hängkorb am Arme, auf den Gemüsemarkt gehen und in seinem gebrochenen Deutsch mit den Hökerweibern um Kraut handeln. Er hatte eine[101] durchaus nicht schöne Frau, auch aus der Musikschule des Herzogs. Aus Eifersucht hatte er sie immer ins Zimmer verschlossen, und sie kam nur selten ins Freie.
Dieses Original war besonders auch von uns Kindern sehr gefürchtet; denn, wie der andere Italiener, wurde auch er oft, ging er in seinem roten Röcklein und Bordenhute auf dem Markte umher, von uns bösen Buben geneckt und war daher immer mit einem großen spanischen Rohre gegen uns zum Schlage gerüstet. Es war auch wirklich kein kleines Wagestück, den Zorn eines solchen Italieners heraus zu fordern, der keine Rücksichten nahm und sich leicht der tollsten Wut und Rache überließ. Dieser Italiener wurde einmal von Kolikschmerzen gequält, in welchen er immer ausrief: lo Speciale! lo Speciale! – Die deutsche Magd, die nicht anders glaubte, als ihr Herr begehre noch vor dem Tode den Geistlichen, den Spezial, hatte nichts schnelleres zu tun, als zu dem Spezial Zilling zu springen und ihm zu sagen, ihr sterbender Herr rufe immerdar nach ihm, sie bitte ihn um Gottes Willen eilig zu kommen. Zilling war schnell bereit; denn er glaubte, der Italiener habe einen lutherischen Geistlichen nur darum begehrt, um sich vor seinem Tode noch in den Schoß dieser Kirche zu begeben. Aber wie erstaunte er, als ihm, vor seinem Bette angekommen, der Italiener einen gewissen Teil seines Körpers zum Klystieren hinstreckte, von Gebet und Bekehrung aber nichts wissen wollte. Die Irrung kam daher, daß im Italienischen lo Speciale der Apotheker heißt, und daß in Italien die Apotheker das Geschäft des Klystierens, wie bei uns die Chirurgen, über sich nehmen. Es ist dies eine Anekdote, die auch sonst oft erzählt wird, die aber die hier genannten Personen wirklich betraf und ihren Ursprung einzig in Ludwigsburg hat.
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