Erster Aufzug

[279] Man hört Klavierspiel: die kleine Nachtmusik von Mozart. Wenn der Vorhang aufgeht, zeigt er die Halle des Schlosses derer von Y. Im Hintergrund führt eine breite Glastür in den Garten. Vorherbst. Die Bäume draußen brennen in dunkelroten und hellbraunen Farben. Komtesse Henriette von Y sitzt am Klavier, bricht disharmonisch ab, wirft den Klavierdeckel zu, geht, steht, die Hände an den Türpfosten mit dem Rücken gegen das Publikum, an der geöffneten Tür.

Ein sehr alter Diener kommt und deckt den Frühstückstisch.


Y. Wie früh es dieses Jahr Herbst wird

DIENER. Es wird dieses Jahr sehr früh Herbst

Y. Voriges Jahr wurde es viel später Herbst. Da blühten um diese Zeit noch die letzten Rosen

DIENER. Gnädigste Komtesse müssen sich dieses Jahr mit den ersten Georginen begnügen


Ordnet Georginen in einer Vase.


Y. Wirf die Georginen zum Fenster hinaus. Ich mag sie nicht. Georgien sind etwas für alte Jungfern. So alt bin ich schließlich doch noch nicht.[279]

DIENER. Gnädigste Komteß sind die Jugend in eigener Person.

Y dreht sich mit einem Ruck um. Wie alt bin ich, Tom? Es geht die Sage, daß du mich auf den Knien gewiegt hast. Wie alt hin ich also? Du mußt es wissen.

DIENER. Neunzehn Jahre akkurat, gnädigste Komteß

Y. Neunzehn Jahre! Du schwindelst ja, Tom. Bist du schon so alt, daß du das Gedächtnis verloren hast? Achtzehn Jahre bin ich alt und keinen Tag älter. Wenn du noch einmal neunzehn sagst, kratz' ich dir die Augen aus.

DIENER. Ich bitte tausendmal um Verzeihung

Y geht zum Kamin. Auf dem Kamin eine als Lautsprecher eingerichtete Buddhastatue. Schließ die Tür – und leg einige Scheite in den Kamin – achtzehn Jahre bin ich alt – und ich fröstle – so kalt – so muffig ist es hier – wie in einem Antiquitätenladen

DIENER. Aber gnädigste Komteß


Legt Scheite in den Kamin.


Y im Lehnstuhl am Kamin. Hat es telephoniert?

DIENER. Es hat nicht telephoniert

Y. Keine Post gekommen –?

DIENER. Keine

Y. Papa und Mama scheinen in Wien wichtigere Dinge zu tun zu haben, als sich der von ihnen leichtfertig in die Welt gesetzten Sprößlinge zu erinnern

DIENER. Gnädigste Komteß gehen zu weit, wenn Sie sich als Sprößling zu bezeichnen belieben

Y. Ich meine nicht nur mich, sondern auch die beiden Rangen da oben, das naseweise Zwillingspaar, meine gräflichen Brüder – wo stecken sie?

DIENER. Die beiden jungen Herren sind ausgeritten, nicht ohne allerdings zuvor eine chinesische Vase zertrümmert zu haben.

Y. Welche Vase? Die blauglasierte aus der Tangzeit, die Papa so abgöttisch liebt?

DIENER. Ebendieselbe!

Y. Um Gottes willen!

DIENER. Das hab' ich den jungen Herren auch gesagt. Aber sie meinten, der Vase schade das nichts. Sie wäre sowieso gefälscht,[280] und der gnädigste Herr Graf hätte sie sich von einem Berliner Kunsthändler als echt anhängen lassen. Der Herr Graf – gnädigste Komteß verzeihen, ich rekapituliere nur –, der Herr Graf verstünden von chinesischen Vasen noch weniger als von seinem eigenen landwirtschaftlichen Mist.

Y. Wie alt sind die beiden jungen Herren?

DIENER. Zusammen achtundzwanzig.

Y. Dividiert durch zwei macht pro Stück vierzehn

DIENER. Es wächst eine neue Jugend herauf, gnädigste Komteß, eine Jugend, über die mich alten Mann manchmal das Staunen ergreift.

Y. Sie staunt über sich selbst, lieber Tom. Das ist vielleicht ihr liebenswürdigster Zug.

DIENER. Liebenswürdig scheint sie mir im großen ganzen nicht, gnädigste Komteß. Zum Beispiel war es mein Kopf, der zur Zertrümmerung der chinesischen Vase herhalten mußte.

Y. Armer Tom, sie haben dir die Vase an den Kopf geworfen?

DIENER. So ist es

Y. Und warum?

DIENER. Weil ich mir gestattete, das Bibelwort zu zitieren: Vor einem grauen Haupte sollst du Ehrfurcht haben

Y zeigt ein Buch. Kennst du dieses Buch?

DIENER. Jawohl. Es ging den gleichen Weg wie die chinesische Vase.

Y. Es ist ein schweres Buch.

DIENER. Das habe ich gemerkt.

Y. Es ist ein heiliges Buch, wie die Bibel.

DIENER. Dann bin ich beruhigt.

Y. Es sind die Reden Gotama Buddhas.

DIENER. Sind sie so amüsant wie die Reden des Herrn Grafen beim Jagdfrühstück?

Y. Rede keinen Unsinn, Tom. Buddha, das war so was Ähnliches wie ein Gott. Da oben steht seine Büste

DIENER. Der Lautsprecher

Y. Ja. Papa hat den alten Gott zu einem Lautsprecher umarbeiten lassen. Er sagt, Buddhastatuen wären nicht mehr modern. Aber so als Lautsprecher mache Buddha noch eine ganz gute Figur.[281]

DIENER. Zweifellos. Der alte Gott, wie Komteß die Büste zu titulieren belieben, hat eine klare, deutliche Aussprache

Y. Was wären wir ohne ihn in der Einöde! Er vermittelt uns einen Hauch von der großen Welt draußen. London, Paris, Rom, Wien, Zürich, Berlin, alle Weltteile, alle Sprachen sprechen durch seinen Mund zu uns. Stell ihn doch einmal an. Wir wollen hören, was er heute zu sagen hat.

DIENER stellt ein.

LAUTSPRECHER. Achtung! Achtung! Achtung! Hier ist Königswusterhausen auf Welle eintausenddreihundertundacht. Privatdozent Doktor von Krause setzt seinen Vortrag über Gotama Buddha fort

Y. Der Gott spricht über sich selbst – lauschen wir ihm!

LAUTSPRECHER. Meine verehrten Damen und Herren! Die Weise guter Menschen will ich euch zeigen und die Weise schlechter Menschen! Das höret und achtet wohl auf meine Rede. Was ist nun die Weise schlechter Menschen? Da ist ein schlechter Mensch aus einem vornehmen Hause hingegangen, der gedenkt bei sich: Ich bin freilich aus einem vornehmen Hause hinausgezogen, diese andern Leute aber sind es nicht. Um seiner vornehmen Abkunft willen brüstet er sich und verachtet die andern. Das ist die Weise schlechter Menschen. Ein guter Mensch aber gedenkt bei sich: nicht doch um einer vornehmen Abkunft willen kann man eitle Eigenschaften verlieren. Wenn auch einer nicht aus einem vornehmen Hause hinausgezogen ist und er wandelt der Lehre gemäß auf dem geraden Wege, so ist er darum doch hoch zu ehren, hoch zu preisen. – Also spricht der Erhabene

Y. Was sagst du dazu, Tom?

DIENER. Der alte Herr, wenn ich ihn recht verstanden habe, scheinen gegen den Kastengeist der oberen Klassen zu protestieren, scheinen eine Art Sozialdemokrat. Nur gut, daß der Herr Graf ihn nicht gehört haben, sonst ginge er noch heute den Weg der chinesischen Vase

Y. Der alte Herr hat recht, er hat bestimmt recht

DIENER. Gnädigste Komtesse haben immer für depravierte und desolate Existenzen eine unstandesgemäße Vorliebe an den Tag gelegt[282]

Y. Stell den Gott ab. Ich möchte jetzt in Ruhe standesgemäß frühstücken.


Diener tut es.


Ich unterhalte mich sehr gern mit dir, Tom.


Y frühstückt. Diener bedient sie.


DIENER. Sehr schmeichelhaft für mich, gnädigste Komteß.

Y. Du bist ein gebildeter Mensch, Tom. Du kannst zuhören. Du läßt mich reden, reden, reden – es sind nicht Buddhas Reden und nicht des Herrn Grafen Reden beim Jagdfrühstück – aber ich höre mich gern reden. Es ist so unterhaltend, sich zuzuhören. Doktor Posaulke behauptet immer, ich sei ein egozentrischer Mensch, wie ihm noch keiner vorgekommen. Findest du das auch, Tom?

DIENER. Ist's was Gutes, so glaube ich es bestimmt, denn gnädigste Komteß können nur gut sein

Y. Na, na, na – das ist wohl etwas übertrieben. Ich kann schrecklich böse sein. Zum Beispiel bin ich schrecklich eifersüchtig. Wenn ich einmal heirate und mein Mann betrügt mich, so hacke ich erst ihr, dann ihm den Kopf ab. Unweigerlich.

DIENER. Gnädigste Komteß hacken erst ihr, dann ihm den Kopf ab – das ist allerdings entsetzlich.

Y. Weißt du übrigens, daß ich heiraten soll?

DIENER. Daß der Plan im Schoß der gräflichen Familie erwogen wurde, ist mir nicht unbekannt

Y. Den Grafen Z. – Kennst du ihn?

DIENER. Er geruhte mir gelegentlich einer Treibjagd einige Schrotkörner in die Verlängerung meines Rückens zu verabfolgen. Ich kenne ihn also nur oberflächlich.

Y. Er soll ein ganz oberflächlicher Mensch sein. Aber Papa ist ganz begeistert von ihm. Wahrscheinlich, weil er uns sanieren soll. Er spielt mit ihm im Klub immer Poker.

DIENER. Graf Z ist wohl ein gewiegter Pokerspieler

Y. Im Gegenteil. Er soll miserabel spielen. Sonst würde er doch Papa nicht gefallen. Papa gefallen nur Leute, die an ihn verlieren.

DIENER. Unglück im Spiel, Glück in der Liebe

Y. Du kannst abräumen. Du kannst gehen. Ich will jetzt ein wenig nachdenken. Über mich. Den alten Gott. Den Grafen Z,[283] die Liebe im allgemeinen und im besonderen. Gib mir eine Zigarette – Streichhölzer – danke


Diener ab. Das Telephon klingelt.


Y hebt ab. Hallo – hal-lo – was? w-a-s? Ob hier eine Leiche abzuholen ist? Nein, wir sind hier alle sehr lebendig. Hier ist keine Leiche abzuholen. – Wer ist denn dort? Friedhofsverwaltung? Wen wollen Sie denn sprechen? Den gestern gestorbenen Förster Klabusch? Dann sind Sie falsch verbunden – falsch verbunden. – Am frühen Morgen eine Leiche.

Hängt ein. Es läutet wieder. Hallo – hallo – ob ich am Telephon bin? Ja, ich bin am Telephon. In eigener Person. Ob ich was? – Ob ich Ihre Frau werden will? Warum nicht? Mit wem spreche ich denn? Hal-lo, hal-lo. Der Feigling hat eingehängt. Wenn mal einer dran ist, hängt er ein


Es läutet wieder.


Ja – was ist denn los – wer ist dort? Hallo – Wien?


Enttäuscht.


Du bist es, Papa? Guten Morgen, guten Morgen. Sehr lieb von dir, anzurufen. Ob ich mich langweile? Na – soso lala. Man hat ja so allerlei – nein, zu tun hat man gar nichts – aber zu denken – ja, denken ist nicht so einfach. In letzter Zeit denke ich sehr viel. Du willst ein wenig Abwechslung in meine Langeweile bringen – das ist aber scharmant von dir – du hast mir eine überraschende Mitteilung zu machen – willst du dich scheiden lassen? Schon wieder? – Was? Graf Z jagt hier in der Nähe und wird mir heute oder morgen eine Visite machen? Na schön.

Ja, ich bin hocherfreut, ich bin riesig aufgeregt, ich kann's vor Erwartung gar nicht erwarten. Er soll nur kommen – ich werde ihm schon die Flötentöne beibringen – ja, das Flötenkonzert von Menzel im Musiksalon werde ich weghängen lassen – es zerspringt schon – ja: zerspringen werden meine Freundinnen – man versteht aber schlecht heute – du und Mama, ihr versteht euch schlecht – es wird schon wieder gut werden, Papa. Grüß Mama von mir – versöhnt euch wieder um eurer Kinder willen – an Kindessegen ist alles gelegen – auf Wiedersehn! Auf Wiedersehn! Bring mir einen Nerz mit! Nein, nicht dein Herz, einen Nerz – Nerrrz – Adio


[284] Sie tritt an die Glastür im Hintergrund. In diesem Moment geht draußen ein Mann vorbei. Diener zurück.


DIENER. Draußen ist ein wunderlich gekleideter Mann voll sonderbaren Gehabens, der Komteß seine Aufwartung zu machen wünscht

Y. Wen will er sprechen? Mich persönlich?

DIENER. Komteß persönlich. Er scheint eine depravierte, desolate Existenz. Seine Absätze sind schiefgetreten. Soll ich ihn fortschicken?

Y. Wenn auch einer nicht aus einem vornehmen Hause hinausgezogen ist und er wandelt der Lehre gemäß, so ist er darum doch hoch zu ehren, hoch zu preisen – laß ihn herein.


Diener läßt mit einem mißbilligenden Blick X eintreten, der ihm beim Eintritt Regenschirm und Strohhut in die Hand drück. X ist in einen absurden großkarierten Anzug oder einen ähnlichen Mantel gekleidet. Grelle Krawatte. Strohgelbe Haare. Er hat wundervolle helle Augen. In seinen Bewegungen und Gesten liegt viel Scharm und Anmut. Der lächerliche Eindruck, den er hervorruft, muß sofort verschwinden. Er hat einen ramponierten, mit Bindfaden verschnürten japanischen Bastkoffer bei sich und ein übertrieben elegantes Suitcase. Stellt beides auf den Boden. Er sucht langsam, dann ein wenig nervös in seiner Brusttasche nach einer Visitenkarte.


X. Ich bitte um Verzeihung – ja – hier

Y liest. Nathanael Ehrenpreis, Vertreter des Seidenimporthauses Baruch & Coleric, Brünn.


Sieht ihn prüfend von oben bis unten an.


X irritiert. Sitzt meine Krawatte nicht?

Y. Sie sitzt.

X. Gefällt sie Ihnen nicht?

Y. Ausnehmend. – Ist sie auch von Baruch & Coleric?

X. Jawohl.

Y prüft sie mit den Fingern. Kunstseide

X lächelnd. Vielleicht

Y. Dritte Qualität

X. Gewiß

Y. Und was ist das? Zeigt darauf.

X. Mein Suitcase.[285]

Y. My home is my suit-castel –?

X lächelnd. Yes.

Y. Allright.

X. Parfaitement.

Y. Vous parlez français?

X. Ça va de soi-même.

Y betrachtet seine Stiefel.

X irritiert. Gefallen Ihnen meine Stiefel nicht?

Y. Es geht

X. Glauben Sie, daß ich sie gestohlen habe?

Y. Nein! Dann hätten Sie sich gewiß ein Paar bessere ausgesucht!

X. Verzeihung

Y. Pardon Betrachtet die Visitenkarte. Die Visitenkarte hier ist ja nicht einmal gedruckt – sie ist mit der Hand geschrieben

X. Visitenkarten mit der Hand geschrieben sind der letzte Schrei der Mode. Sie vermitteln einen persönlichen Eindruck, haben eine individuelle Note, wie gedruckte Karten niemals.

Y. Diese Karte ist besonders individuell. Sie ist noch extra mit Bleistift geschrieben.

X. Tintenstift

Y betrachtet aufmerksam die Karte.

X irritiert. Was interessiert Komteß an der Karte so besonders?

Y. Die Schrift.

X. Sind Komteß – Graphologin?

Y. Zuweilen ...

X. Und was bemerken Komteß an der Schrift?

Y. Eine gewisse Flüchtigkeit, Leichtfertigkeit, einen gewissen Übermut, um nicht zu sagen – Hochmut Dieses »Nathanael« ist mir zu schwungvoll in die Welt gesetzt – dieses hochfahrende N – aber dann

X. Aber dann –?

Y. Kommt der Absturz

X. Wieso Absturz?

Y. Ehrenpreis. Die Buchstaben haben vom großen E ab eine deutliche Tendenz nach unten – sie sind verrutscht

X. Ich bin verrutscht

Y. Sie laufen schräg nach unten[286]

X. Ich laufe schräg nach unten

Y. Wieso Sie? Die Buchstaben laufen schräg nach unten. Sie leiden an Depressionszuständen – Anfällen von Melancholie.

X. Die Buchstaben leiden an Depressionszuständen – Anfällen von Melancholie.

Y. Wieso die Buchstaben? Sie

X. Natürlich ich.

Y. Habe ich nicht recht?

X. Zu recht.

Y. In summa: das Ganze eine Mischung aus Frechheit und Feigheit

X. Ich bin begeistert

Y. Von dieser Charakteristik?

X. Von Ihrer graphologischen Kunst. Von ihrer Menschenkenntnis. Es stimmt. Es stimmt auffallend.

Y. Wollen Sie sich nun über den Zweck Ihres Besuches aussprechen? Womit also kann ich Ihnen dienen?

X. Nicht Sie sollen mir, ich möchte Ihnen dienen

Y. Womit?

X. Mit meiner ganzen Person.

Y. Zeigen Sie einmal, was Sie haben!

X. Charakter

Y. Nein, ich meine, in dem Ding da. Zeigt auf den Bastkoffer.

X. Sie zweifeln vielleicht die Güte meiner Ware an. Tun Sie das bitte nicht. Ich führe nur Qualität. Die Toiletten für die Damen der großen Welt, die früher unbedingt aus der französischen Metropole kommen mußten, werden heute von den Brünner Salons in gleicher Erlesenheit hergestellt. Diese Entwicklung wurde besonders durch das große Seidenimporthaus Baruch & Coleric, Brünn, begünstigt, welches seit vielen Jahren an die ersten Modellhäuser die französischen Originalseidenstoffe liefert. Durch die Schaffung einer Detailabteilung machte dieses Haus seine Exklusivmuster und Dessins auch einem größeren, freilich immer noch exklusiveren Kreis zugänglich. Er schnürt den Bastkoffer auf, dem ganze Ballen feinster Seide entquillen, die er nach und nach mit freigebigen, eleganten Gesten im ganzen Zimmer verstreut, auf Tische, Stühle, Schränke, Empore.[287]

Y bückt sich, nimmt die Stoffe zwischen ihre Finger. Hören Sie mal, mein Lieber, das ist aber etwas anderes als Ihre Krawatte

X ausbreitend. Crêpe Lisette

Y. Fabelhaft

X. Faille souple

Y. Entzückend

X. Crêpe Gaze

Y. Unbeschreiblich

X. Crêpe tentale

Y. Berauschend

X. Crêpe Georgette – die apartesten Dessins und Farbenzusammenstellungen. Wie würde dieses zarte Rot zu Ihrem Haar kontrastieren – dieses herbstliche Braun Ihren Frühlingsteint hervorheben

Y. Ich bin in der Tat überrascht und entzückt – aber leider habe ich keinen Bedarf – und außerdem kein Geld. Papa und Mama bringen mir meine Wintergarderobe aus Wien mit.

X. Papa! Mama! Ein Künstler muß Sie kleiden – ein Kleidungskünstler – ein Mann von höchstem Takt, von feinstem Empfinden für Nuancen. Anbeten muß er Ihre Schönheit, heben muß er Sie, um Sie kleiden zu können, um den zartesten Regungen dieses gottbegnadeten Leibes nachgehen zu können – und er muß Sie kleiden, ohne Rücksicht auf die äußeren Unkosten – er ist genug belohnt, daß er Sie kleiden darf! – Ein wahrer Künstler sieht nicht auf Verdienst. Ihm bedeutet die Schöpfung des Kunstwerkes alles, das Geld – nichts. Gestatten Sie mir, bezaubert von Ihrer Anmut, Ihnen diesen Musterkoffer als bescheidenes Tribut Ihrer Schönheit hochachtungsvoll zu Füßen zu legen, verehren, schenken zu dürfen ...

Y. Ja, sind Sie wahnsinnig –?

X reißt all Stoffe aus dem Koffer und schlingt einen nach dem andern um sie. Ja, ja, ja – ich bin wahnsinnig, und ich bin froh, daß ich's bin – diesen Crêpe Lisette um die Hüften – diese Crêpe tentale um den schönsten Nacken – diese Faille souple – um den sanftesten Busen

Y stößt ihn zurück. Ja, sind Sie vollkommen närrisch

X. Ja – ja – ja – ich bin närrisch – ich bin glücklich – ich bin irrsinnig – ich bin irrsinnig glücklich[288]

Y. Trinken Sie ein Glas Wasser Schenkt ein, stampft mit dem Fuß. Trinken Sie! Gehorchen Sie! X trinkt. Fassen Sie sich!

X. Mich fassen? Sie will ich fassen, Sie kostbaren Edelstein in die kostbarste Fassung chinesischer Mandarinenseide – hier hab' ich einen Mandarinenmantel – ein Vermögen wert – hat nichts mit der Stoffabteilung zu tun – ein Erbstück – ich habe es persönlich geerbt – vom Kaiser von China. Sie sollen den Mantel haben – als Bademantel Hängt ihr ihn um.

Nehmen Sie ihn – hier aus dem Grunde meines unerschöpflichen Zauberkoffers zaubere ich noch allerlei exquisite Nouveautés: ein weißes englisches Crêpe-de-Chine-Kleid mit Hohlfalten in der Farbe des Mantelfutters – ein grüner mit weißem rosa doublierten Hermelinkragen ausgestatteter Mantel – dazu ein grünes Kleid – ein champagnerfarbener Gazemantel, verbrämt mit Naturgoldopossum – ein lila ombrierter Schwimmanzug – ein rosa Georgette-Pyjama, mit Gold und Silber kombiniert


Das ganze Zimmer liegt voll der kostbarsten Seidenstoffe und Toiletten.


Y klingelt. Diener erscheint. Werfen Sie das hinaus!

DIENER mit einem Blick auf X. Den?

Y mit einem Blick auf die Stoffe und Toiletten. Das da! Nehmen Sie einen Besen und kehren Sie das alles hinaus!

X. Um Gottes willen!

Y. Haben Sie's mir nicht soeben geschenkt?

X. Ja – aber

Y. Also – hinaus damit Wirft dem Diener allerlei Stoffe zu. Den Mandarinenmantel kannst du da lassen, Tom. Der da ist's. Mit dem will ich's mir noch überlegen Diener kehrt alles hinaus. Diener ab.

So, jetzt sind wir ganz unter uns – was wollen Sie also? Wer sind Sie?

X. Oh ... ich bin ein einfacher Reisender – sonst nichts. – Ich reise von Ort zu Ort. Mal mit der Eisenbahn. Mal zu Fuß. Auch Aeroplan. Auto. Rolls-Royce. Ford. – Wie's gerade trifft.

Y. Und wie hat es heute getroffen?

X. Ungrade. Ich hab' es heute schlecht getroffen

Y. Sie haben mich getroffen[289]

X. Es ist wahr – ich darf nicht undankbar gegen das Geschick sein.

Y. Sie haben etwas in den Augen

X reibt sich die Augen. Was denn?

Y. Was mir gefällt. – Irgend etwas an Ihnen – ein Glanz in Ihren Augen – eine Handbewegung – empfiehlt Sie mir

X. Mein Freund, der Graf, hat mich an Sie empfohlen

Y überrascht. Welcher Graf?

X. Graf Z

Y. Graf Z?

X. Graf Z

Y. Sie kennen ihn?

X. Ich kenne ihn ausgezeichnet

Y. Woher kennen Sie ihn?

X. Wir haben uns im Gefängnis kennengelernt

Y. Im Gefängnis?

X. Im Gefängnis

Y. Das heißt: Sie saßen im Gefängnis, und der Graf besuchte Sie? Oder wie verhält es sich?

X. O nein – wir saßen beide im Gefängnis

Y. Sie lügen. Der Graf ist nie im Gefängnis gesessen. Kleine Pause. Was hat er denn verbrochen?

X. Wir waren beide in der gleichen Nacht von der Polizei ausgehoben worden – ich in einer Art Obdachlosenasyl und der Graf in einem verbotenen Spielklub – wir blieben eine Nacht, bis unsere Personalien festgestellt waren, in der gleichen Zelle inhaftiert. Und da haben wir uns kennen und schätzen gelernt. Ich kann wohl sagen, daß der Graf einer meiner intimsten Freunde geworden ist. Ich erinnere mich seiner oft und gern. Wir haben noch in der Nacht in der Zelle in Ermangelung von Alkohol aus Wassergläsern mit Wasser Brüderschaft getrunken

Y. Der Graf und Sie?

X. Ich und der Graf.

Y. Sie stellen Ihren Namen dem des Grafen voran?

X. Ich erkenne die Rangordnung der Stände nicht an. Gott schuf den Mann und aus der Rippe des Mannes das Weib. In holder Nacktheit. Erst die Menschen haben sich mit Uniformen und Abzeichen behängt und die Rangordnung der Natur durchbrochen,[290] in der jedes Geschöpf gleich viel gilt. Machte Gott den Löwen zu einem Grafen? Den Wolf zu einem Geheimrat? Verlieh er der Stechpalme das Großkreuz des Andreasordens und dem Faultier den Roten Adler vierter Klasse? Kennt Gott eine Rangordnung unter den Geschöpfen? – Vielleicht ist ein Zitronenfalter mehr wert als eine Feldmaus – oder wie denken Sie darüber?

Y. Ich denke mir, Sie werden Hunger haben – oder täusche ich mich?

X. Komteß täuschen sich nie

Y. Also gehen Sie in die Küche und lassen Sie sich etwas zu essen geben

X frappiert, dann verlegen. Ich möchte mir den Vorschlag gestatten, daß man mir das Essen hier serviert. Sollte ich, was ja nicht ausgeschlossen scheint, hier im Hause öfter zu tun haben, würde es auf die Dienstboten einen unpassenden Eindruck machen, wenn ich wie ein Domestik mein Essen in der Küche einnehmen müßte.

Y. Aber Sie sagten doch vorhin, Sie wollten mein Diener sein

X. Ihr freiwilliger Diener. Freiwillig dienen kann nur – ein Herr.

Y sieht ihn scharf an. Nun – gut Klingelt. Diener erscheint. Herr Ehrenpreis erhält hier ein kleines Frühstück serviert

DIENER gefaßt. Sehr wohl. Welche Weinsorte befehlen Komteß?

X. Portwein.

Y. Portwein. Der Arzt hat mir zum Frühstück Portwein empfohlen

DIENER entsetzt, dann. Sehr wohl. Ab.

Y. Sie tun so, als ob Sie hier zu Hause wären?

X. Würde ich anders tun, so würde ich Sie und dieses gastliche Haus beleidigen


Diener trägt inzwischen auf.


Auf Ihr Wohl, gnädigste Komteß! – Der Diener hat nur ein Glas gebracht. Darf ich Sie zu einem Glase Portwein einladen? Zum Diener. Ein zweites Glas, bitte

DIENER Blick zur Komtesse.

Y. Ein zweites Glas.[291]

DIENER. Sehr wohl. Bringt ein zweites Glas, dann ab.

X. Man serviert mir hier eben Krebse. Ich bedaure sehr, sie nicht essen zu können, da ich mit Krebsmesser und Krebspinzette nicht umzugehen verstehe. Kann man Krebse nicht mit dem Dietrich öffnen?

Y. Kommen Sie – ich werde Ihnen die Krebse öffnen Tut es. Die Krebsschwänze sind eine besondere Delikatesse. Nehmen Sie von der Brester Poularde?

X. Ah – das schmeckt anders als Suppenhuhn

Y. Sehen Sie! Jetzt richten Sie selbst eine Rangordnung unter den Geschöpfen auf! Eine Brester Poularde ist mehr wert als ein Suppenhuhn!

X. Sie sind beide tot. Unter toten Wesen, besonders den zum Verspeisen geeigneten, mag eine Rangordnung bestehen – unter lebenden nicht!

Y. Aber unter den Lebenden besteht doch eine Rangordnung! Ich bin zum Beispiel Komteß und Sie sind Reisender

X. Ja. Wenn Sie eine gute Komteß sind, und ich bin ein schlechter Reisender – so sind Sie mehr wert. Sind Sie aber eine schlechte Komteß, und ich bin ein guter Reisender – so bin ich mehr wert.

Y. Nun – sind Sie ein guter Reisender?

X. Ich bin ein ... armer Reisender

Y. Sie werden sentimental. Soll ich Ihnen mit einer kleinen Summe aushelfen

X. O danke – darum handelt es sich hier nicht

Y. Und worum handelt es sich?

X. Um mich – um Sie?

Y. Um mich?

X. Ja

Y. Wieso?

X. Ich bin feige. Sonst würde ich offen sprechen

Y. Reden Sie so offen, wie Sie es für gut befinden!

X. Ich liebe Sie!

Y. Nein. Das glaub' ich nicht.

X. Ich trage Ihr Bild, das neulich in der »Dame« war – eine Schönheit aus der Gesellschaft – immer mit mir herum. Zieht ein ganz zerknülltes Papier aus der Tasche, das er sorgfältig[292] glättet. – ich habe es im Café Central heimlich herausgerissen, auf die Gefahr hin, wegen Diebstahls auf der Stelle abgefaßt zu werden – was sagen Sie dazu?

Y betrachtet das Bild, erstaunt. Ja, es ist tatsächlich mein Bild.

X. Sehen Sie!

Y. Ja, ich sehe es – was soll ich nun davon halten?

X. Von dem Bild? Es zeigt die schönste Frau der Welt. Küßt das Bild.

Y entreißt ihm das Papier. Und der, der es mit sich herumträgt, ist der frechste Kerl der Welt

X. Nun, so hart möchte ich das nicht ausgedrückt haben.

Y. Es ist noch viel zu sanft. Wendet sich abrupt ab.

X. Komteß

Y schweigt.

X. Komteß

Y. Sie machen einen ja ganz nervös – was wollen Sie?

X. Ich will Sie ...

Y springt auf. Mich wollen Sie – sind Sie wahnsinnig?

X. Sie müssen mich ausreden lassen. Ich will Sie überzeugen.

Y. Wovon?

X. Von mir

Y. Also doch!

X. Aber gnädigste ...

Y. Ich bin nicht gnädig. Ich bin sogar sehr ungnädig.

X. Sie sind auf einmal schlechter Laune. Das ist alles.

Y. Das ist viel. Und wer hat mich dazu gebracht?

X. Ich bekenne mich schuldig, schuldig, dreimal schuldig.

Y. Verlassen Sie sofort das Haus!

X. Nicht ohne Sie ...

Y. Unverschämter Bursche!

X. Bitte ausreden lassen! Nicht ohne Sie um eine Gefälligkeit gebeten zu haben.

Y. Was wollen Sie? Aber schnell.

X. Ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll.

Y. Sie sind doch sonst nicht auf den Mund gefallen.

X. Nein, aber auf den Kopf geschlagen.

Y. Von wem?[293]

X. Von Ihnen

Y. Ich bin kein Boxer

X. Nein, so sanft wie ein Boxer sind Sie wiederum nicht. Denn Boxen ist ein Sport und Spiel, und Sie – machen Ernst

Y. Jawohl – machen Sie, daß Sie endlich hinauskommen

X. Kommen Sie mit!!!

Y. Ich mit Ihnen mit? Ich glaube, Sie sind irrsinnig geworden

X. Irrsinnig vor Liebe


Sie geht erregt im Zimmer herum, und er immer hinter ihr her.


Hören Sie mich doch an – das Schloß hier – das ist doch eine romantische Ruine – ein alter Prunksarg – wenn man so jung ist wie Sie – begräbt man sich selbst doch nicht lebend in einem Prunksarg – unter Moder, Schutt und Asche – wie es hier riecht – nach Vergangenheit – nach Verwesung – nach Tradition


Der Buddha beginnt zu sprechen.


BUDDHA. Achtung! Achtung! Achtung!

X. Keine Achtung, mein lieber Gott! Nichtachtung! Ausgesprochene Nichtachtung! Er wirft den Gott herunter, der in tausend Stücke zerspringt.

Y. Was tun Sie? Sie – Sie – Anarchist

X. Ich zerbreche alte Tafeln

Y. Was für große Worte! Sie nehmen den Mund sehr voll!

X. Ich nehme ihn noch viel voller – mit noch größeren Worten – ich – liebe Sie

Y. Das haben Sie mir schon einmal erzählt

X. Ich kann es nicht oft genug wiederholen

Y hat einen großen Lehnstuhl wie einen Schild vor sich. Hören Sie – Sie erzählten vorhin, daß Sie den Grafen Z so gut kennen

X. Ja

Y. Nun, dann wissen Sie wohl auch, daß ich den Grafen Z heiraten soll, daß ich so gut wie verlobt mit ihm bin

X. Natürlich weiß ich das

Y. Sie wollen also Ihren Freund, den Grafen Z, schmählich hintergehen, Sie wollen mich ihm abspenstig machen?

X. Ganz im Gegenteil[294]

Y. Im Gegenteil?

X. Sie kennen den Grafen noch nicht?

Y. Persönlich? Nein, Nur aus den Erzählungen von Papa und Mama. Ich habe aber heute mit Papa telephoniert. Graf Z jagt hier in der Nähe – er wird mich besuchen – morgen – oder heute – er kann jeden Augenblick die Tür hereinkommen

Es läutet. Da ist er!

X. Da ist er!


Diener tritt ein mit Tablett.


DIENER. Ein Telegramm!

Y. Ein Telegramm

X. Ein Telegramm


Diener ab.


Y reißt es auf. Von wem, glauben Sie, ist das Telegramm?

X. Vom Grafen Z

Y. Ja.

X. Er meldet Ihnen für heute seinen Besuch

Y. Woher wissen Sie?

X. Ich selbst habe das Telegramm aufgegeben – in seinem Auftrag

Y. Sind Sie sein Kammerdiener?

X. Im Gegenteil – soll ich Sie mit ihm bekannt machen?

Y. Mit wem?

X. Mit dem Grafen

Y. Wann?

X. Sofort

Y. Sofort??

X. Sofort!

Y. Ich sehe weit und breit keinen Grafen – haben Sie ihn mitgebracht und wartet er draußen im Garten?

X. Er hatte die Marotte, sich auf eine besondere Art bei Ihnen einzuführen. Er wollte Sie durch mich gleichsam prüfen lassen, ehe er sich definitiv bände. Nun, Sie haben das Examen glänzend bestanden.

Y. Ich verstehe kein Wort

X. Einen Moment. Ich zähle bis sieben

Y. Warum zählen Sie bis sieben?


Er ergreift das Suitcase und verschwindet durch die Glastür[295] im Garten. Er zählt: Eins – zwei usw. Er kehrt sofort in einem sehr eleganten Anzug zurück. Der Schauspieler trägt den ersten lose über dem zweiten und kann ihn in der Kulisse blitzschnell abstreifen.


Heut ist doch nicht Karneval?

X. Nein, etwas viel Schöneres: Der Tag unserer Verlobung.

Y. Ich falle aus den Wolken

X. Ich bin in allen Himmeln – Komteß, darf ich mir gestatten, Sie um Ihre Hand zu bitten? Der Einwilligung Ihrer Herren Eltern habe ich mich vergewissert.


Er öffnet das Etui, das eine kostbare Perlenkette enthält, er legt ihr die Kette um, sie betrachtet erstaunt das Etui, liest die Inschrift.


Y. Hier ist ja etwas eingraviert

X. Lesen Sie!

Y liest. Graf Z seiner geliebten Braut Komteß Y zur Verlobung. Sie sind – Graf Z?

X. Ich bin's. Das läßt sich nicht länger verheimlichen

Y. Ich kann's kaum glauben

X lächelnd. Wünschen Sie polizeilichen Ausweis? Greift in die Brusttasche. Bitte: Man ist mit allem Nötigen versehen

Y nimmt den Paß. Graf Z. Ja, es stimmt – das Bild – etwas undeutlich

X. Wie alle Paßbilder

Y. Augen blau – es stimmt – Mund gewöhnlich – Aufblickend. das summt nicht ... Lächelnd. Mund ist ungewöhnlich hübsch ...

X. Ich bin entzückt, daß ein so unbedeutender Körperteil wie mein Mund Ihren Beifall findet

Y. Sie sind ein reizender Mensch, Graf!

Gibt ihm den Paß zurück, den X irgendwie erleichtert einsteckt. Sie haben sich so originell bei mir eingeführt – ich müßte Sie darum allein schon lieben – aber ich liebe Sie – überhaupt – Sie waren mir vom ersten Moment an sehr sympathisch – und ich bin froh, daß Sie Graf Z sind, denn ich liebe Sie.

X umarmt sie. Du!

Y. Du![296]

X. Also willst du dein Versprechen halten, daß du mir heute leichtfertigerweise am Telephon gegeben hast

Y. Ich hab' dir ein Versprechen gegeben?

X. Allerdings. Ich habe dich heute früh angerufen und dich gefragt, ob du meine Frau werden wolltest – und du hast am Telephon geantwortet: Natürlich – mit wem spreche ich denn?

Y. Und ich habe mit dir gesprochen?

X. Mit mir!

Y. Da kann man nichts machen. Sein Versprechen muß man halten.

X. Du hältst dein Versprechen – und ich halte – dich. Halten sich umschlungen.

Y klingelt. Diener erscheint. Kehren Sie den Gott hinaus. Ich habe ihn versehentlich zerbrochen. – Das mit dem Hinauskehren vorhin – das mit den Seidenstoffen – und Toiletten da – war natürlich nicht so ernst gemeint – sie liegen doch noch im Garten?

DIENER. Das weibliche Personal ist gerade dabei, die Toiletten unter sich zu verteilen – das wird nächsten Sonntag ein Hallo im Dorf geben – die dicke Köchin im Crêpe-de-Chine-Kleid mit Hohlfalten und die Kuhmagd im grünen, mit weißem, rosa doubliertem Hermelinkragen verbrämten Mantel. Die Leute werden glauben, die Weltrevolution ist ausgebrochen

Y. Sie ist auch ausgebrochen, Tom: ich habe mich verlobt

DIENER. Mit dem da?

Y. Mit dem da. Der da ist nämlich der Graf Z.

DIENER. Oh, ich bitte tausendmal um Vergebung

X. Bitte

Y. Bitte doch die Mädchen in der Küche, mir wenigstens den rosa Georgette, mit Gold und Silber kombinierten Pyjama zu lassen. Den wird ja doch Sonntags bei der Dorfmusik keine anziehn. Aber ich möchte ihn gern zur Erinnerung an meine Verlobung – in der Hochzeitsnacht tragen.

DIENER. Sehr wohl.


Vorhang.


Quelle:
Klabund: Der himmlische Vagant. Köln 1968, S. 279-297.
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