[220] Robert und Abälard treten auf. Die Vorigen.
ROBERT bis an den Rand des Hügels vorschreitend.
Wer an der Spitze stehet dieser Schar,
Als Wortesführer, trete vor.
DER GREIS.
– Ich bin's.
ROBERT.
Du bist's! – Dein Geist ist jünger, als dein Haupt,
Und deine ganze Weisheit steckt im Haar!
Dein Alter steht, du Hundertjähr'ger, vor dir,
Du würdest sonst nicht ohne Züchtigung,
Hinweg von deines Prinzen Antlitz gehn.
Denn eine Jünglingstat hast du getan,
Und scheinst, fürwahr! der wackre Hausfreund nicht,
Der einst die Wiege Guiskards hütete,
Wenn du als Führer dieser Schar dich beutst,
Die mit gezückten Waffen hellen Aufruhrs,
Wie mir die Schwester sagt, durchs Lager schweift,
Und mit lautdonnernden Verwünschungen,
Die aus dem Schlaf der Gruft ihn schrecken könnten,
Aus seinem Zelt hervor den Feldherrn fordert.
Ist's wahr? Was denk ich? Was beschließ ich? – Sprich?
DER GREIS.
Wahr ist's, daß wir den Feldherrn forderten;
Doch daß wir's donnernd, mit Verwünschungen,
Getan, hat dir die Schwester nicht gesagt,
Die gegen uns, solang ich denken kann,
Wohlwollend war und wahrhaft gegen dich!
In meinem Alter wüßtest du es nicht,
Wie man den Feldherrn ehrt, wohl aber ich
Gewiß in deinem, was ein Krieger sei.
Geh hin zu deinem Vater, und horch auf,
Wenn du willst wissen, wie man mit mir spricht;
Und ich, vergäß ich redend ja, was ich
Dir schuldig, will danach schamrot bei meinen
Urenkeln mich erkundigen: denn die[220]
In Windeln haben sie's von mir gelernt.
Mit Demut haben wir, wie's längst, o Herr!
Im Heer des Normanns Brauch und Sitte war,
Gefleht, daß Guiskard uns erscheinen möge;
Und nicht das erstemal wär's, wenn er uns
In Huld es zugestände, aber, traun!
Wenn er's uns, so wie du, verweigerte.
ROBERT.
Ich höre dich, du grauer Tor, bestät'gen,
Was deine Rede widerlegen soll.
Denn eines Buben Keckheit würde nicht
Verwegner, als dein ungebändigtes
Gemüt sich zeigen. Lernen mußt du's doch
Noch, was gehorchen sei, und daß ich es
Dich lehren kann, das höre gleich. Du hättest
Auf meine Rüge, ohne Widerrede,
Die Schar sogleich vom Platze führen sollen;
Das war die Antwort einzig, die dir ziemte;
Und wenn ich jetzt befehle, daß du gehst,
So tust du's, hoff ich, nach der eignen Lehre,
Tust's augenblicklich, lautlos, tust es gleich!
ABÄLARD.
Mit Zürnen seh ich dich und mit Befehlen,
Freigebiger, als es dein Vater lehrt;
Und unbefremdet bin ich, nimmt die Schar
Kalt deine heißen Schmähungsworte auf;
Denn dem Geräusch des Tags vergleich ich sie,
Das keiner hört, weil's stets sich hören läßt.
Noch, find ich, ist nichts Tadelnswürdiges
Sogar geschehn, bis auf den Augenblick!
Daß kühn die Rede dieses Greises war,
Und daß sie stolz war, steht nicht übel ihm,
Denn zwei Geschlechter haben ihn geehrt,
Und eine Spanne von der Gruft soll nicht
Des dritten einer ihn beleidigen.
Wär mein das kecke Volk, das dir mißfällt,
Ich möcht es anders wahrlich nicht, als keck;
Denn seine Freiheit ist des Normanns Weib,[221]
Und heilig wäre mir das Ehepaar,
Das mir den Ruhm im Bette zeugt der Schlacht.
Das weiß der Guiskard wohl, und mag es gern
Wenn ihm der Krieger in den Mähnen spielt;
Allein der glatte Nacken seines Sohnes
Der schüttelt gleich sich, wenn ihm eins nur naht.
Meinst du, es könne dir die Normannskrone
Nicht fehlen, daß du dich so trotzig zeigst?
Durch Liebe, hör es, mußt du sie erwerben,
Das Recht gibt sie dir nicht, die Liebe kann's!
Allein von Guiskard ruht kein Funk auf dir,
Und diesen Namen1 mindstens erbst du nicht;
Denn in der Stunde, da es eben gilt,
Schlägst du sie schnöd ins Angesicht, die jetzt
Dich auf des Ruhmes Gipfel heben könnten.
Doch ganz verlassen ist, wie du wohl wähnst,
Das Normannsheer, ganz ohne Freund, noch nicht,
Und bist du's nicht, wohlan, ich bin es gern.
Zu hören, was der Flehende begehrt,
Ist leicht, Erhörung nicht, das Hören ist's:
Und wenn dein Feldherrnwort die Schar vertreibt,
Meins will, daß sie noch bleib! – Ihr hört's, ihr Männer!
Ich will vor Guiskard es verantworten.
ROBERT mit Bedeutung, halblaut.
Dich jetzt erkenn ich, und ich danke dir,
Als meinen bösen Geist! – Doch ganz gewonnen,
Ist, wie geschickt du's führst, noch nicht dein Spiel.
– Willst du ein Beispiel sehn, wie sicher meins,
Die Karten mögen liegen, wie sie wollen?
ABÄLARD.
Was willst du?
ROBERT.
Nun, merk nur auf. Du sollst's gleich fassen.
Er wendet sich zum Volk.
Ihr Guiskardssöhne, die mein Wort vertreibt,[222]
Und seines schmeichlerisch hier fesseln soll,
Euch selber ruf ich mir zu Richtern auf!
Entscheiden sollt ihr zwischen mir und ihm,
Und übertreten ein Gebot von zwein.
Und keinen Laut mehr feig setz ich hinzu:
Des Herrschers Sohn, durch Gottes Gunst, bin ich,
Ein Prinz der, von dem Zufall großgezogen:
Das Unerhörte will ich bloß erprüfen,
Erprüfen, ob sein Wort gewichtiger
In eurer Seelen Waage fällt, als meins!
ABÄLARD.
Des Herrschers Sohn? – Der bin ich so wie du!
Mein Vater saß vor deinem auf dem Thron!
Er tat's mit seinem Ruhm, tat's mit mehr Recht:
Und näher noch verwandt ist mir das Volk,
Mir, Ottos Sohn, gekrönt vom Erbgesetz,
Als dir – dem Sohne meines Vormunds bloß,
Bestimmt von dem, mein Reich nur zu verwalten! –2
Und nun, wie du's begehrt, so ist's mir recht.
Entscheidet, Männer, zwischen mir und ihm.
Auf mein Geheiß zu bleiben, steht euch frei,
Und wollt ihr, sprecht, als wär ich Otto selbst.
DER GREIS.
Du zeigst, o Herr, dich deines Vaters wert,
Und jauchzen wahrlich, in der Todesstunde,
Würd einst dein Oheim, unser hoher Fürst,
Wär ihm ein Sohn geworden, so wie du.
Dein Anblick, sieh, verjüngt mich wunderbar;[223]
Denn in Gestalt und Red und Art dir gleich,
Wie du, ein Freund des Volks, jetzt vor uns stehst,
Stand Guiskard einst, als Otto hingegangen,
Des Volkes Abgott, herrlich vor uns da!
Nun jeder Segen schütte, der in Wolken
Die Tugenden umschwebt, sich auf dich nieder,
Und ziehe deines Glückes Pflanze groß!
Die Gunst des Oheims, laß sie, deine Sonne,
Nur immer, wie bis heute, dich bestrahlen:
Das, was der Grund vermag, auf dem sie steht,
Das zweifle nicht, o Herr, das wird geschehn! –
Doch eines Düngers, mißlichen Geschlechts,
Bedarf es nicht, vergib, um sie zu treiben;
Der Acker, wenn es sein kann, bleibe rein.
In manchem andern Wettstreit siegest du,
In diesem einen, Herr, stehst du ihm nach;
Und weil dein Feldherrnwort erlaubend bloß,
Gebietend seins, so gibst du uns wohl zu,
Daß wir dem dringenderen hier gehorchen.
Zu Robert, kalt.
Wenn du befiehlst zu gehn, wir trotzen nicht.
Du bist der Guiskardssohn, das ist genug!
Sag, ob wir wiederkommen dürfen, sag
Uns wann, so führ ich diese Schar zurück.
ROBERT seine Verlegenheit verbergend.
Kehrt morgen wieder. – Oder heut, ihr Freunde.
Vielleicht zu Mittag, wenn's die Zeit erlaubt. – –
– Ganz recht. So geht's. Ein ernst Geschäft hält eben
Den Guiskard nur auf eine Stunde fest;
Will er euch sprechen, wenn es abgetan,
Wohlan, so komm ich selbst, und ruf euch her.
ABÄLARD.
Tust du doch mit dem Heer, als wär's ein Weib,
Ein schwangeres, das niemand schrecken darf!
Warum hehlst du die Wahrheit? Fürchtest du
Die Niederkunft? – –
Zum Volk gewandt.
Der Guiskard fühlt sich krank.[224]
DER GREIS erschrocken.
Beim großen Gott des Himmels und der Erde,
Hat er die Pest?
ABÄLARD.
Das nicht. Das fürcht ich nicht. –
Obschon der Arzt Besorgnis äußert: ja.
ROBERT.
Daß dir ein Wetterstrahl aus heitrer Luft
Die Zunge lähmte, du Verräter, du!
Ab ins Zelt.
1 | Guiskard heißt Schlaukopf; ein Zuname, den die Normänner dem Herzog gaben. |
2 | Wilhelm von der Normandie, Stifter des Normännerstaats in Italien, hatte drei Brüder, die einander, in Ermangelung der Kinder, rechtmäßig in der Regierung folgten. Abälard, der Sohn des dritten, ein Kind, als derselbe starb, hätte nun zum Regenten ausgerufen werden sollen; doch Guiskard, der vierte Bruder, von dem dritten zum Vormund eingesetzt – sei es, weil die Folgereihe der Brüder für ihn sprach, sei es, weil das Volk ihn sehr liebte, ward gekrönt, und die Mittel, die angewendet wurden, dies zu bewerkstelligen, vergessen. – Kurz, Guiskard war seit dreißig Jahren als Herzog, und Robert, als Thronerbe, anerkannt. – Diese Umstände liegen wenigstens hier zum Grunde. |
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