|
[90] Die Oberpriesterin der Diana mit ihren Priesterinnen.
Die Vorigen ohne die Griechen.
DIE AMAZONEN.
Triumph! Triumph! Triumph! Sie ist gerettet!
PENTHESILEA nach einer Pause.
Verflucht sei dieser schändliche Triumph mir!
Verflucht jedwede Zunge, die ihn feiert,
Die Luft verflucht mir, die ihn weiter bringt!
War ich, nach jeder würd'gen Rittersitte,
Nicht durch das Glück der Schlacht ihm zugefallen?
Wenn das Geschlecht der Menschen unter sich,
Mit Wolf und Tiger nicht, im Streite liegt:
Gibt's ein Gesetz, frag ich, in solchem Kriege,
Das den Gefangenen, der sich ergeben,
Aus seines Siegers Banden lösen kann?
– Neridensohn!
DIE AMAZONEN.
Ihr Götter, hört ich recht?
MEROE.
Ehrwürd'ge Priesterin der Artemis,
Tritt näher vor, ich bitte dich –
ASTERIA.
Sie zürnt,
Weil wir sie aus der Knechtschaft Schmach befreiten![90]
DIE OBERPRIESTERIN aus dem Gewühl der Frauen hervortretend.
Nun denn, du setzest würdig, Königin,
Mit diesem Schmähungswort, muß ich gestehn,
Den Taten dieses Tags die Krone auf.
Nicht bloß, daß du, die Sitte wenig achtend,
Den Gegner dir im Feld der Schlacht gesucht,
Nicht bloß, daß du, statt ihn in Staub zu werfen,
Ihm selbst im Kampf erliegst, nicht bloß, daß du
Zum Lohn dafür ihn noch mit Rosen kränzest:
Du zürnst auch deinem treuen Volke noch,
Das deine Ketten bricht, du wendest dich,
Und rufst den Überwinder dir zurück.
Wohlan denn große Tochter Tanaïs',
So bitt ich – ein Versehn war's, weiter nichts –
Für diese rasche Tat dich um Verzeihung.
Das Blut, das sie gekostet, reut mich jetzt,
Und die Gefangnen, eingebüßt um dich,
Wünsch ich von ganzer Seele mir zurück.
Frei, in des Volkes Namen, sprech ich dich;
Du kannst den Fuß jetzt wenden, wie du willst,
Kannst ihn mit flatterndem Gewand ereilen,
Der dich in Fesseln schlug, und ihm den Riß,
Da, wo wir sie zersprengten, überreichen:
Also ja will's das heil'ge Kriegsgesetz!
Uns aber, uns vergönnst du, Königin,
Den Krieg jetzt aufzugeben, und den Fuß
Nach Themiscyra wieder heimzusetzen;
Wir mindestens, wir können jene Griechen,
Die dort entfliehn, nicht bitten, stillzustehn,
Nicht, so wie du, den Siegskranz in der Hand,
Zu unsrer Füße Staub sie nieder flehn.
Pause.
PENTHESILEA wankend.
Prothoe!
PROTHOE.
Mein Schwesterherz![91]
PENTHESILEA.
Ich bitte dich, bleib bei mir.
PROTHOE.
Im Tod, du weißt – – Was bebst du, meine Königin?
PENTHESILEA.
Nichts, es ist nichts, ich werde gleich mich sammeln.
PROTHOE.
Ein großer Schmerz traf dich. Begegn ihm groß.
PENTHESILEA.
Sie sind verloren?
PROTHOE.
Meine Königin?
PENTHESILEA.
Die ganze junge Prachtschar, die wir fällten, –
Sie sind's durch mich?
PROTHOE.
Beruh'ge dich. Du wirst sie
In einem andern Krieg uns wiederschenken.
PENTHESILEA an ihrem Busen.
O niemals!
PROTHOE.
Meine Königin?
PENTHESILEA.
O niemals!
Ich will in ew'ge Finsternis mich bergen!
Ausgewählte Ausgaben von
Penthesilea
|
Buchempfehlung
1843 gelingt Fanny Lewald mit einem der ersten Frauenromane in deutscher Sprache der literarische Durchbruch. Die autobiografisch inspirierte Titelfigur Jenny Meier entscheidet sich im Spannungsfeld zwischen Liebe und religiöser Orthodoxie zunächst gegen die Liebe, um später tragisch eines besseren belehrt zu werden.
220 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro