Zwanzigster Auftritt

[92] Ein Herold tritt auf. Die Vorigen.


MEROE.

Ein Herold naht dir, Königin!

ASTERIA.

Was willst du?

PENTHESILEA mit schwacher Freude.

Von dem Peliden! – Ach, was werd ich hören?

Ach, Prothoe, heiß ihn wieder gehn!

PROTHOE.

Was bringst du?

DER HEROLD.

Mich sendet dir Achilleus, Königin,

Der schilfumkränzten Nereïde Sohn,

Und läßt durch meinen Mund dir kündigen:

Weil dich Gelüst treibt, als Gefangnen ihn

Nach deinen Heimatsfluren abzuführen,

Ihn aber auch hinwiederum Gelüst,

Nach seinen heimatlichen Fluren dich:[92]

So fordert er zum Kampf, auf Tod und Leben,

Noch einmal dich ins Feld hinaus, auf daß

Das Schwert, des Schicksals ehrne Zung entscheide,

In der gerechten Götter Angesicht,

Wer würdig sei, du oder er, von beiden,

Den Staub nach ihrem heiligen Beschluß,

Zu seines Gegners Füßen aufzulecken.

Hast du's auf solchen Strauß zu wagen Lust?

PENTHESILEA mit einer fliegenden Blässe.

Laß dir vom Wetterstrahl die Zunge lösen,

Verwünschter Redner, eh du wieder sprichst!

Hört ich doch einen Sandblock just so gern,

Endlosen Falls, bald hier, bald dort anschmetternd,

Dem klafternhoben Felsenriff entpoltern.


Zu Prothoe.


– Du mußt es Wort für Wort mir wiederholen.

PROTHOE zitternd.

Der Sohn des Peleus, glaub ich, schickt ihn her,

Und fordert dich aufs Feld hinaus;

Verweigre kurz dich ihm, und sage, nein.

PENTHESILEA.

Es ist nicht möglich.

PROTHOE.

Meine Königin?

PENTHESILEA.

Der Sohn des Peleus fordert mich ins Feld?

PROTHOE.

Sag ich dem Mann gleich: nein, und laß ihn gehn?

PENTHESILEA.

Der Sohn des Peleus fordert mich ins Feld?

PROTHOE.

Zum Kampf ja, meine Herrscherin, so sagt ich.

PENTHESILEA.

Der mich zu schwach weiß, sich mit ihm zu messen,

Der ruft zum Kampf mich, Prothoe, ins Feld?

Hier diese treue Brust, sie rührt ihn erst,

Wenn sie sein scharfer Speer zerschmetterte?

Was ich ihm zugeflüstert, hat sein Ohr

Mit der Musik der Rede bloß getroffen?

Des Tempels unter Wipfeln denkt er nicht,

Ein steinern Bild hat meine Hand bekränzt.

PROTHOE.

Vergiß den Unempfindlichen.[93]

PENTHESILEA glühend.

Nun denn,

So ward die Kraft mir jetzo, ihm zu stehen:

So soll er in den Staub herab, und wenn

Lapithen und Giganten ihn beschützten!

PROTHOE.

Geliebte Königin –

MEROE.

Bedenkst du auch?

PENTHESILEA sie unterbrechend.

Ihr sollt all die Gefangnen wiederhaben!

DER HEROLD.

Du willst im Kampf dich –?

PENTHESILEA.

Stellen will ich mich:

Er soll im Angesicht der Götter mich,

Die Furien auch ruf ich herab, mich treffen!


Der Donner rollt.


DIE OBERPRIESTERIN.

Wenn dich mein Wort gereizt, Penthesilea,

So wirst du mir den Schmerz nicht –

PENTHESILEA ihre Tränen unterdrückend.

Laß, du Heilige!

Du sollst mir nicht umsonst gesprochen haben.

MEROE.

Ehrwürd'ge Priesterin, dein Ansehen brauche.

DIE OBERPRIESTERIN.

Hörst du ihn, Königin, der dir zürnt?

PENTHESILEA.

Ihn ruf ich

Mit allen seinen Donnern mir herab!

ERSTE OBERSTE in Bewegung.

Ihr Fürstinnen –

DIE ZWEITE.

Unmöglich ist's!

DIE DRITTE.

Es kann nicht!

PENTHESILEA mit zuckender Wildheit.

Herbei, Ananke, Führerin der Hunde!

DIE ERSTE OBERSTE.

Wir sind zerstreut, geschwächt –

DIE ZWEITE.

Wir sind ermüdet –

PENTHESILEA.

Du, mit den Elefanten, Thyrroe!

PROTHOE.

Königin!

Willst du mit Hunden ihn und Elefanten –[94]

PENTHESILEA.

Ihr Sichelwagen, kommt, ihr blinkenden,

Die ihr des Schlachtfelds Erntefest bestellt,

Kommt, kommt in greul'gen Schnitterreihn herbei!

Und ihr, die ihr der Menschen Saat zerdrescht,

Daß Halm und Korn auf ewig untergehen,

Ihr Reuterscharen, stellt euch um mich her!

Du ganzer Schreckenspomp des Kriegs, dich ruf ich,

Vernichtender, entsetzlicher, herbei!


Sie ergreift den großen Bogen aus einer Amazone Hand. Amazonen mit Meuten gekoppelter Hunde. Späterhin Elefanten, Feuerbrände, Sichelwagen usw.


PROTHOE.

Geliebte meiner Seele! Höre mich!

PENTHESILEA sich zu den Hunden wendend.

Auf, Tigris, jetzt, dich brauch ich! Auf, Leäne!

Auf, mit der Zottelmähne du, Melampus!

Auf, Akle, die den Fuchs erhascht, auf, Sphinx,

Und der die Hirschkuh übereilt, Alektor,

Auf, Oxus, der den Eber niederreißt,

Und der dem Leuen nicht erbebt, Hyrkaon!


Der Donner rollt heftig.


PROTHOE.

Oh! Sie ist außer sich –!

ERSTE OBERSTE.

Sie ist wahnsinnig!

PENTHESILEA kniet nieder, mit allen Zeichen des Wahnsinns, während die Hunde ein gräßliches Geheul anstimmen.

Dich, Ares, ruf ich jetzt, dich Schrecklichen,

Dich, meines Hauses hohen Gründer, an!

Oh! – deinen erznen Wagen mir herab:

Wo du der Städte Mauern auch und Tore

Zermalmst, Vertilgergott, gekeilt in Straßen,

Der Menschen Reihen jetzt auch niedertrittst;

Oh! – deinen erznen Wagen mir herab:

Daß ich den Fuß in seine Muschel setze,

Die Zügel greife, durch die Felder rolle,[95]

Und wie ein Donnerkeil aus Wetterwolken,

Auf dieses Griechen Scheitel niederfalle!


Sie steht auf.


DIE ERSTE OBERSTE.

Ihr Fürstinnen!

DIE ZWEITE.

Auf! Wehrt der Rasenden!

PROTHOE.

Hör, meine große Königin, mich!

PENTHESILEA indem sie den Bogen spannt.

Ei, lustig!

So muß ich sehn, ob mir der Pfeil noch trifft.


Sie legt auf Prothoe an.


PROTHOE niederstürzend.

Ihr Himmlischen!

EINE PRIESTERIN indem sie sich rasch hinter die Königin stellt.

Achill ruft!

EINE ZWEITE ebenso.

Der Pelide!

EINE DRITTE.

Hier steht er hinter dir!

PENTHESILEA wendet sich.

Wo?

DIE ERSTE PRIESTERIN.

War er's nicht?

PENTHESILEA.

Nein, hier sind noch die Furien nicht versammelt.

– Folg mir, Ananke! Folgt, ihr anderen!


Ab mit dem ganzen Kriegstroß unter heftigen Gewitterschlägen.


MEROE indem sie Prothoe aufhebt.

Die Gräßliche!

ASTERIA.

Fort! Eilt ihr nach, ihr Frauen

DIE OBERPRIESTERIN leichenbleich.

Ihr Ew'gen! Was beschloßt ihr über uns?


Alle ab.
[96]


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 92-97.
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